Lange: Ihre Partei setzt auf eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes: mehr Leiharbeit, mehr Billigjobs, erleichterte Kündigung älterer Arbeitnehmer, um nur ein paar Punkte zu nennen. Vieles kommt einem bekannt vor, manches ist auch mal von den CDU-Sozialausschüssen abgelehnt worden früher. Kommen wir demnächst in eine Phase von 'anything goes', alles ist möglich?
Arentz: Also 'anything goes' ist ja wohl mehr das Markenzeichen von Schröder, der ja sozusagen der totalen Beliebigkeit und dem Zickzack-Kurs die Ehre gegeben hat. Nein, worum es uns geht ist eine Strategie, die zwei Kernelemente enthält. Das eine Element heißt: wir brauchen dringend mehr wirtschaftliches Wachstum, wenn wir dieses Krebsübel der Arbeitslosigkeit endlich wirksam bekämpfen wollen. Und zum Stichwort wirtschaftliches Wachstum gehört dann beispielsweise eine spürbare Steuerentlastung sowohl beim Mittelstand wie bei den Arbeitnehmern zum 1.1.2003. Das ist dringend nötig, wenn wir die Binnennachfrage wieder in Gang bringen wollen. Die schrumpft ja inzwischen genau wie die Wirtschaft schrumpft und das führt natürlich dazu, dass die Arbeitslosigkeit massiv anwächst. Das ist der eine Teil. Dazu gehört dann auch Entbürokratisierung und auch ein Teil der Dinge, die Sie genannt haben. Auf der anderen Seite brauchen wir eine Strategie, die im sogenannten Niedrigstlohnbereich Jobs wieder attraktiver macht. Wobei wir heute ja auch einen Niedrigstlohnbereich haben, aber einen völlig ungeschützten, nämlich die zunehmende Schwarzarbeit. Und wenn wir dagegen etwas tun, dann finde ich, ist das sozial außerordentlich gerecht und zu loben und nicht zu kritisieren.
Lange: Aber wenn zum Beispiel die Banken gutausgebildete Fachleute zu Tausenden entlassen oder freiwerdende Stellen nicht mehr besetzen oder die vielen Computerfachleute, die jetzt aus dem neuen Markt gewissermaßen rausgespült werden, denen ist doch mit Billigjobs im Haushalt nicht geholfen.
Arentz: Einverstanden, denen ist damit nicht geholfen, aber wem damit zum Beispiel geholfen ist sind all die Leute, die heute nur die Möglichkeit haben sich entweder schwarz 'BAT', 'bar auf Tatze', irgendwo zu verdingen oder aber voll in der Arbeitslosigkeit hängenzubleiben. Wir werden ja nie einen einzigen Königsweg finden, mit dem alle Probleme am Arbeitsmarkt gleichzeitig gelöst werden und deswegen haben wir uns ja auch in unserem 100-Tage-Programm ein, wenn Sie so wollen, differenziertes vielfältiges Instrumentarium zurechtgelegt um tatsächlich relativ schnell etwas auf dem Arbeitsmarkt zu bewegen. Ich will mal nur zwei Beispiele nennen, damit das heute morgen auch für unsere Zuhörer etwas konkreter und plastischer wird. Wir wollen zum Beispiel sofort wieder 400-Euro-Verträge einführen und zwar so ähnlich wie die alten 630-Mark-Verträge. Das heißt eine sehr unbürokratische Form der Beschäftigung wo der Arbeitgeber 20 Prozent pauschale Steuer auf diesen Betrag von 400 Euro bezahlt aber der Arbeitnehmer tatsächlich die 400 Euro Brutto für Netto bekommt und kein Mensch nachher mehr nachforscht, ob er noch einen anderen Job hat, ob die Ehefrau beschäftigt ist und was da heute alles an bürokratischem Unfug gemacht wird. Es wird allerdings auch auf Drängen der Sozialausschüsse hin eine Verbesserung geben im Vergleich zu den alten 630-Mark-Verträgen. Diese waren zwar wunderschön unbürokratisch aber führten dazu, dass die Finanzierungsgrundlagen der Sozialkassen langsam ausbluteten. Und deswegen haben wir gesagt, wenn wir 400-Euro-Verträge machen, weil wir ein flexibles Instrument brauchen - das sehen ja alle ein - dann muss aber sichergestellt sein, dass das Aufkommen aus dieser Pauschalsteuer vom Staat zu hundert Prozent an die Sozialkassen weitergeleitet, abgeführt wird. Dies ist Bestandteil des 100-Tage-Programms, das steht da drin. Deswegen finde ich es ist ein deutlich verbessertes Instrument gegen früher.
Lange: Aber wie wollen Sie denn verhindern, dass Unternehmen, so wie früher massenweise geschehen, reguläre Arbeitsverhältnisse in Billiglohnjobs aufsplitten und auf diese Weise die Sozialversicherungskosten zumindest verringern?
Arentz: Das können sie überhaupt nicht verringern oder verändern. Wir haben ja heute auch noch vier Millionen 630-Mark-Jobs; nur was sie verhindern oder verändern können ist, dass diese Arbeit zunehmend in die Schwarzarbeit abgewandert ist. Wir haben von 1999 bis heute ausweislich der Statistiken dieser Bundesregierung etwa zwei Millionen 630-Mark-Jobs weniger ohne dass die Zahl der legalen Arbeitsplätze entsprechend gestiegen ist und das ist die einfache Konsequenz, weil die Arbeit in die Schwarzarbeit abgewandert ist. Wir sagen der Schwarzarbeit den Kampf an, damit mehr Menschen legale Arbeit und auch sozial geschützte Arbeit finden können.
Lange: Besteht denn aber nicht trotzdem die Gefahr, dass die normale 38,5-Stunden-Modell zu einem Auslaufmodell wird, weil dann eben die Möglichkeit besteht, das alles in kleinere Jobs aufzuteilen?
Arentz: Diese Aufteilung in kleinere Jobs ist in der Tat ein Trend, der unter rot-grün kräftig gelaufen ist. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist ausweislich der Statistik der letzten vier Jahre gesunken. Das einzige was gestiegen ist, ist die Zahl der Teilzeitbeschäftigten.
Lange: Aber das ist ja kein Grund, es so weiterzumachen.
Arentz: Ich glaube nicht, dass das Arbeitsmodell der Zukunft die 38,5-Stunden-Woche für alle ist, sondern dass wir tatsächlich sehr viel mehr Flexibilität und Beweglichkeit am Arbeitsmarkt haben. Übrigens auch Arbeitszeitregelungen die mehr auf Jahresarbeitszeit setzen oder auf noch längere Zeiträume als auf Wochenarbeitszeit. Und das wird glaube ich eine Entwicklung sein, die sowohl den Interessen der Arbeitnehmer wie denen der Unternehmen entgegenkommt. Was wichtig ist ist dass für den Arbeitnehmer, auch denjenigen, der etwas kürzer arbeitet, netto mehr übrigbleibt. Und deswegen sagen wir ja zum Beispiel auch es ist grottenschlecht, ein Grundfehler dieser Bundesregierung, dass sie jetzt die Kosten der Flutkatastrophe im Osten damit bezahlen will, dass die Steuerreform, die ja schon lange beschlossen ist zum 1.1.2003 aufgeschoben ist. Für einen ganz normalen Arbeitnehmer mit 25.000 oder 30.000 Euro Jahreseinkommen, also weißgott kein Besserverdienender, der ein Kind hat, bedeutet das Aufschieben der Steuerreform eine Mehrbelastung von 350 Euro im Jahr. Wenn Sie dann noch hinzunehmen, was ja heute überall geschrieben wird, dass die Kosten für Renten- und Krankenversicherung auch zum nächsten 1. Januar schätzungsweise zusammen um ein Prozent steigen, dann hat der normale Arbeitnehmer bei rot-grün zum 1.1.2003 600 Euro pro Jahr weniger in der Tasche. So wird Konjunktur abgewürgt, Arbeitsplätze kaputtgemacht. Und deshalb heißt unser Sofortprogramm, dass wir diesen Unfug nicht machen werden.
Lange: Vielen Dank, in den Informationen am Morgen war das Hermann-Josef Arentz, CDU-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Sozialausschüsse, vielen Dank, Herr Arentz.
Arentz: Bitteschön. Auf Wiederhören, Herr Lange.
Link: Interview als RealAudio