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Wie wird es im Irak-Konflikt weitergehen?

    Probst: Ich begrüße Christoph Bertram. Er ist Leiter der Stiftung für Wissenschaft und Politik.

    Bertram: Guten Tag, Herr Probst.

    Probst: Ich habe eben die Reaktionen aus den verschiedenen Hauptstädten, besonders den ständigen Mitgliedern im UNO-Sicherheitsrat, schon zitiert. Die Frage ist natürlich: Wie wird Washington nach einer Phase des Nachdenkens entscheiden? Kann Präsident Bush an diesem Angebot in letzter Konsequenz überhaupt vorbeigehen.

    Bertram: Ich glaube, dieses Angebot kann man so, wie es ist, nicht annehmen. Es ist ganz wichtig, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - und die Vorbereitungen dazu laufen ja - jetzt auch eine eindeutige Resolution verabschiedet mit einem klaren Termin, bis wann die Inspektoren hereingelassen werden, und klaren Anordnungen, dass sie in keinem Fall irgendwie behindert werden dürfen. Ohne eine solche Resolution wird der Irak wieder daran glauben, dass er die Mitglieder des Sicherheitsrates auseinander dividieren kann, und immer wenn das geschieht, sieht es mit der Bereitschaft, ernsthaft mit den Inspektoren zusammenzuarbeiten, immer sehr schlecht aus. Also, jetzt kommt es darauf an, die neue Resolution, an der schon gearbeitet wird, im Sicherheitsrat durchzubringen. Dann sind die Chancen der Inspektion sehr, sehr, sehr viel besser und dann sind die Chancen, auch dass ein Krieg verhindert wird, sehr viel größer. Noch scheinen die Zeichen mehr auf Krieg als auf Kompromiss zu stehen.

    Probst: Also, mit diesen ultimativen Vorgaben, die Präsident Bush ja auch in seiner Rede vor der Vollversammlung hat anklingen lassen?

    Bertram: Er hat ja deutlich gemacht, welche vielen Resolutionen des Sicherheitsrats der Irak gebrochen hat, und wichtig ist es jetzt, dass der Sicherheitsrat eindeutig erklärt, dass dieses nicht hinnehmbar ist, dass er die Rückkehr fordert und dass die Inspektoren auch unbegrenzt und ungehindert inspizieren dürfen. Hier muss eine neue Grundlage geschaffen werden, damit die Arbeit der Inspektoren nicht wieder, wie das der Irak immer sehr gerne gemacht hat, mit allen möglichen Vorwänden behindert wird. Das muss klar und eindeutig sein. Je unklarer das ist desto geringer die Aussichten der Inspektion und desto größer die Wahrscheinlichkeit - und die bleibt immer noch die größere Wahrscheinlichkeit -, dass es zu einem militärischen Einsatz kommen wird.

    Probst: Eine weitere entscheidende Frage, Herr Bertram, wird natürlich sein, ob die anderen Mitglieder, vor allen Dingen, die Veto-Mächte im Sicherheitsrat dann auf dieser Linie mitziehen. Die bisherigen Stellungnahmen sind da eher dünn.

    Bertram: Ja nun, es ist ja noch nicht aller Tag Abend, aber die Wahrscheinlichkeit wächst doch, dass, wenn der Sicherheitsrat sich dieser Verantwortung entzieht, die Vereinigten Staaten einseitig militärische Maßnahmen ergreifen werden, erklären werden, die Verletzung der Resolutionen durch den Irak sei eindeutig, dieser Hinweis sei keineswegs gefestigt und die anderen hätten nicht mitgemacht, um wirklich klare Bedingungen zu schaffen. Es bleibe also nichts anderes übrig, als militärische Maßnahmen zu ergreifen, und so wie es aussieht, wird auch der amerikanische Kongress in wenigen Tagen dem amerikanischen Präsidenten volle Unterstützung signalisieren.

    Probst: Wenn man die Kehrtwende der irakischen Führung in diesem Brief - ein weiteres Schreiben von Saddam Hussein selber an Kofi Annan soll wohl noch folgen - mal nimmt und auch die Wende, die sich in der arabischen Welt insgesamt vollzogen hat, könnte man das ja zusammenfassend so werten, dass sich militärische Drohkulisse und Druck auf jeden Fall gelohnt haben.

    Bertram: Das wissen wir ja schon aus dem Kalten Krieg, dass Abschreckung funktioniert. Und glaubhafte Abschreckung funktioniert eben sehr viel besser als eine Abschreckung, die aus Worten besteht, ohne mit klaren, eindeutigen Drohungen, die glaubwürdig sind, begleitet zu sein. Ich glaube schon, dass die amerikanische Entschlossenheit, notfalls mit Waffengewalt vorzugehen - vielleicht sogar, auf jeden Fall mit Waffengewalt vorzugehen - zu dieser Kehrtwende in Bagdad beigetragen hat. Das ist ein geschicktes Manöver. Aber, es jetzt so zu akzeptieren, wie es vom Irak vorgeschlagen ist, scheint mir doch zu vergessen, was für Erfahrungen mit den Inspektionen in der Vergangenheit gemacht worden sind. Es ist notwendig, dies auf eine neue Basis, eine neue Resolution des Sicherheitsrates zu stellen.

    Probst: Da wird dann Präsident Bush aber wohl auch von seiner Position abrücken müssen, dass es ihm in letzter Konsequenz eben um einen Regimewechsel und nicht nur um Abrüstung und Kontrolle geht, oder?

    Bertram: In der Tat. Deswegen ist es ja so wichtig, die Vereinigten Staaten in eine solche Resolution mit einzubinden. Wenn man das nicht tut, dann wird man den Präsidenten, der ja auf den Regimewechsel abzielt, auch nicht ernsthaft in den Arm fallen können. Ob es mit einer solchen Resolution tatsächlich gelingen wird, ist offen, aber die Chancen sind größer, dadurch einen Krieg zu vermeiden, die Entwaffnung des Iraks voranzubringen, glaubhafte Inspektion durchzuführen. Darauf muss jetzt das ganze Bemühen all derer konzentriert sein, die einen solchen Krieg nicht wollen.

    Probst: Herr Bertram, wenn man den vielstimmigen und dissonanten Chor der Europäer in dieser Angelegenheit nimmt: Großbritannien von vornherein auf der Linie von Präsident Bush, Frankreich eher bedeckt und mit Blick auf die UNO, Deutschland - die innenpolitische Kontroverse haben wir erlebt. Besteht in dieser Konstellation jetzt eine Chance für Europa, sich wieder stärker einzubringen?

    Bertram: Hier besteht zumindest eine Chance, sich wieder auf eine gemeinsame Position zu einigen und diese hervorzubringen. Es besteht für die Bundesrepublik die Chance zu sagen: Wir sind bereit, auch technische Hilfen für die Inspektoren zu stellen, so wie wir das früher getan haben. Wir haben anerkannte Inspektoren, die wir möglichst schnell jetzt in New York zur Verfügung stellen sollten. Wir sollten deutlich machen, dass wir alles tun, damit die Inspektoren so schnell wie möglich anfangen können auf der Basis einer neuen UNO-Resolution.

    Probst: Das kann sich ja dann in einer Woche oder etwas später, wenn die Wahlen vorbei sind, alles so ergeben. Christoph Bertram war das, Leiter der Stiftung für Wissenschaft und Politik.

    Link: Interview als RealAudio