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Wieczorek-Zeul fordert wirksameres Vorgehen gegen Korruption in Afrika

Vor dem morgen beginnenden G-8-Gipfel mit dem Schwerpunkt Afrika werden Forderungen nach einem wirksameren Vorgehen gegen Korruption laut. Wer Armut bekämpfen wolle, müsse Bestechlichkeit bekämpfen, sagte die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul. Daneben müssten die reichen Länder endlich auf Agrarexport-Subventionen verzichten, betonte die SPD-Politikerin.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Schuldenerlass und mehr Entwicklungshilfe. Signale, die vom G8-Gipfel ausgehen sollen und die nach klassischem Verständnis als richtig und hoffnungsvoll gelten. Doch ganz bewusst in diesen Tagen berichten die Korrespondenten aus verschiedenen afrikanischen Städten teils erschütternd über die Widersprüche und die Probleme in den Ländern, an denen auch mehr Geld nichts ändere. Im Gegenteil. Afrika braucht keinen Schuldenerlass und mehr Entwicklungshilfe. Afrika braucht Investitionen und Zugang zum Welthandel. Ich hatte vor der Sendung Gelegenheit, mit Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zu sprechen und ich habe sie mit der Aussage aus diesem Bericht konfrontiert.

    Heidemarie Wieczorek-Zeul: Na ja, es ist keine Frage, ob man alternativ Investitionen oder freien Welthandel oder Entwicklungszusammenarbeit braucht. Afrika als unser Nachbarkontinent braucht alles. Das ist immer gut zu sagen. Es braucht bessere Handelsbeziehungen. Ja, wir haben es geschafft, immerhin dazu beizutragen, dass die Baumwollsubventionen der Europäischen Union reduziert werden, damit eben den westafrikanischen Ländern kein unfairer Wettbewerb gemacht wird. Aber faktisch: die USA setzen ihre Subventionspolitik fort und machen unfairen Wettbewerb. Die Industrieländer sperren ihre Märkte, ihre Agrarmärkte im Umfang von 350 Milliarden US-Dollar. Das ist also wichtig, dass man das ändert. Es ist wichtig, dass Investitionen dort hinführen. Übrigens was die deutsche Entwicklungszusammenarbeit betrifft: wir haben, was wir nennen, eine Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft, was dazu führt, dass wir gerade auch Investitionen in afrikanische Länder bringen. Das dritte ist: es braucht aber auch natürlich mehr Finanzmittel. Wie soll sonst Aids bekämpft werden. Wie soll sonst dafür gesorgt werden, dass Kinder in die Schule gehen können. Und die Vorstellung, da würden jetzt die korrupten Regime das Geld auf den Tisch kriegen, die hat mit der Realität nichts zu tun. Die Länder, die verantwortliche Regierungsführung haben, bekommen mit den entsprechenden Konditionen entsprechenden Schuldenerlass, aber sie müssen ihn für Armutsbekämpfung einsetzen.

    Klein: Sie bestreiten die Berichte, die uns vorliegen aus Uganda, aus Kamerun, auch aus Kenia, wo eben davon genau gesprochen wird, dass es eben sehr wohl Korruption gibt?

    Wieczorek-Zeul: Entschuldigung, darf ich noch mal sagen: Genauso wie jedes europäische Land differenziert betrachtet werden muss, so muss man auch die afrikanischen Länder differenziert betrachten. Kenia hat keinen Schuldenerlass. Also können wir an der Stelle nicht darüber reden. Das ist einer der Punkte. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß in der Beziehung. Uganda hat jedenfalls in wichtigen Bereichen wie zum Beispiel in der Aids-Bekämpfung etwas vorangebracht, Kinder in die Schule gebracht. Natürlich muss man immer aufpassen. Korruptionsbekämpfung ist wichtig. Da will ich aber auch noch mal sagen: Erstens ist das unser Hauptanliegen, denn wenn ich in Entwicklungsländern unterwegs bin sage ich, Korruption heißt von den Armen stehlen. Wer Armut bekämpfen will, muss Korruption bekämpfen. Und zweitens: berichten Sie doch auch mal über Nepat, also über die neue Partnerschaft für Afrikas Zukunft, wo ja gerade die Länder selber den Versuch machen, sich selbst zu überprüfen und damit die Korruption zurückzudrängen.

    Klein: Das tun wir. Auch ein kenianischer Wirtschaftsexperte, der in dieser Woche in einem Interview zitiert wird, sagt, streicht diese Hilfe, die westliche Entwicklungspolitik hat schädliche Folgen. Glauben Sie, dass Sie es besser wissen?

    Wieczorek-Zeul: Die Frage ist nicht, ob ein Wissenschaftler aus Kenia entscheiden kann, was für Afrika gut ist, genauso wenig wie ein Wissenschaftler aus Deutschland entscheiden kann, was für Deutschland gut ist, sondern es gibt eine gemeinsam abgesprochene Partnerschaft der internationalen Gemeinschaft. Das Gute heute ist ja, anders als vor 20 Jahren, als wirklich sozusagen die Industrieländer ihre jeweils korrupten Partner mit Finanzmitteln versehen haben, um sich zwischen Ost und West im Konflikt wechselseitig Schwierigkeiten zu machen, sind diese Zeiten ja Gott sei Dank vorbei. Heute hat sich die internationale Gemeinschaft darauf geeinigt, und zwar alle, mit den Milleniums-Entwicklungszielen Ernst zu machen und dafür zu sorgen, dass alle Kinder in die Schule gehen können, damit sie eine Zukunft haben, damit nicht der Kreislauf von Tot und von Massensterben von Kindern sich fortsetzt und das Massensterben von Müttern, die frühzeitig an zu vielen Schwangerschaften zu Grunde gehen, oder die Aids-Bekämpfung, wenn wir das nicht mitfinanzieren würden. Das setzt natürlich die Eigenverantwortung der Länder voraus.

    Klein: Wie kann denn die Eigenverantwortung gefördert werden?

    Wieczorek-Zeul: Das kann ich Ihnen genau schildern. So haben wir es nämlich bei der Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer in Gang gesetzt. Frühere Regierungen haben die Entschuldung gemacht ohne jede Kondition. Das was wir in der Weltbank durchgesetzt haben war die Verpflichtung dieser Länder, ihre eigenen Strategien, die aber auch international überprüft werden, zu entwickeln, das mit der Bevölkerung zusammen zu machen und dann dabei auch ihre eigenen Schwerpunkte zu setzen, auch zu sagen wir wollen wir dazu beitragen, dass Aids bekämpft wird, und das transparent zu machen. Also da gibt es eben auch positive Beispiele wie Mosambik und auch wie Tansania, um mal nur zwei zu nennen, und ich finde es ist wichtig, dass man denen den Rücken stärkt und da, wo Korruption herrscht, gibt es auch keine Finanzmittel. Wir geben niemand irgendeinen Scheck über den Tisch, sondern da werden immer ganz konkrete Projekte und Entwicklungen gefördert.

    Klein: Also die Zustände, über die teilweise natürlich doch auch berichtet wird, dass offensichtlich Gelder in die privaten Taschen von Diktatoren fließen oder von Leuten, die sich eben nicht wirklich auf die Fahnen schreiben können, gut zu regieren, dass Gelder ins Militär gesteckt werden, das sind alles Dinge, die Sie nicht sehen und von denen Sie sagen, das ist nicht richtig?

    Wieczorek-Zeul: Entschuldigung, darf ich noch mal fragen: Was heißt "die Sie nicht sehen"?

    Klein: Stimmen diese Berichte oder stimmen sie nicht?

    Wieczorek-Zeul: Entschuldigung, da müssen wir jeden konkreten Fall selbst besprechen. Ein Teil der Armutsbekämpfungsstrategien ist, dass die Regierungen aufgefordert werden, auch mal transparent zu machen, wie viel sie eigentlich ins Militär geben. Erst einmal Transparenz deutlich zu machen und übrigens auch zu verknüpfen, wo es über Firmen natürlich geförderte Korruption gibt, also zum Beispiel offen zu legen, welche Unternehmen, meinetwegen Erdöl fördernde und erzeugende Unternehmen, an Länder wie viel Finanzmittel liefern und was mit denen passiert, denn das ist ja eine Sache, die beide Seiten hat. Wir sehen also die ganze Realität, aber ich bitte auch sehr darum, deutlich zu machen, dass Afrika so differenziert ist wie Europa zwischen Andorra und Norwegen.

    Klein: Gut. Wir sehen die Realität. Wenn Sie sich diese anschauen, welche Schlüsse werden Sie daraus ziehen oder sollten daraus mit welchen Strategien jetzt beim G8-Gipfel gezogen werden?

    Wieczorek-Zeul: Das haben wir eigentlich jetzt eben ja auch deutlich gemacht. Das eine ist dafür zu sorgen, dass der Schuldenerlass in den Konditionen, wie ich sie vorhin beschrieben habe, dann auch jeweils den Ländern zu Gute kommt, die verantwortliche Regierungsführung haben, die Korruption bekämpfen, denn das ist deren Verpflichtung, und für die Verwirklichung dieser Milleniums-Entwicklungsziele auch mehr Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen und drittens gerechtere Handelsbeziehungen. Das lässt wie gesagt leider Gottes immer noch lange auf sich warten, denn im Gegensatz zu all ihren großen Erklärungen, die die Industrieländer abgeben in den Verhandlungen der WTO, findet irgendwo doch immer noch Business as usual statt. Das können wir nicht akzeptieren, denn in der Tat wollen die Länder ja keine Almosen. Die wollen ja nur Gerechtigkeit. Dazu beizutragen, dass es gerechte Handelsbeziehungen gibt, das wird immer auf den Lippen geführt, aber wird doch eigentlich bisher nicht ausreichend eingelöst.

    Klein: Heißt was müsste oder könnte entschieden werden beim G8-Gipfel, um da einen Schritt weiterzukommen?

    Wieczorek-Zeul: Zum Beispiel das Auslaufen – und zwar das schnelle Auslaufen – von Agrarexportsubventionen. Das ist eine der wirklichen Aggressionen von Industrieländern gegenüber Entwicklungsländern.

    Klein: Wofür sich die USA jetzt aber auch gerade eingesetzt haben?

    Wieczorek-Zeul: Ja, man muss immer sehr genau dahinter sehen, was jetzt sagen wir mal nach außen Erklärung ist und was nachher die wirklichen Verhandlungen sind. Ich gucke mir an, was innerhalb der WTO bisher am Laufen ist, und da muss ich sagen fehlt mir eine gewisse Geduld, denn eigentlich müssten wir in diesem Jahr jetzt zu Ende kommen mit den entsprechenden Handelsverhandlungen und die sollten eine Entwicklungsländerrunde werden. Die Erfahrung spricht jedenfalls dafür, dass zwischen den Erklärungen und dem, was nachher dort gemacht wird, immer noch ziemliche Lücken klaffen. Also mehr Aufmerksamkeit auf die Verhandlungen. Das ist sicher angesagt.

    Klein: Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Vielen Dank für das Gespräch!