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Wiederaufbau nach dem Gaza-Krieg
Das Warten zwischen den Ruinen

Im Gaza-Krieg vor zwei Jahren wurde der Stadtteil Schadschaija besonders stark bombardiert, 130 Wohnhäuser wurden zerstört. Und noch immer geht der Wiederaufbau nur schleppend voran: Israel verlangt ein kompliziertes Genehmigungsverfahren für Baustoffe und auch die international zugesagten Gelder fließen nur langsam.

Von Eva Lell | 28.07.2016
    Blick auf die Baustellen im Gaza-Stadtteil Schadschaija.
    Blick auf die Baustellen im Gaza-Stadtteil Schadschaija. (Deutschlandradio - Eva Lell)
    Der Stadtteil Schadschaija im Osten der Stadt Gaza ist eine einzige Baustelle: Geteerte Straßen gibt es nicht, zwischen den Baustellen der einzelnen Häuser sind Sandpisten. Viele Gebäude sind erst im Rohbau. Auch das der Familie El-Areer. Der Bau stockt, weil Geld fehlt, sagt Rafik El-Areer:
    "Wir bekommen das Geld vom Ministerium für Wiederaufbau. Erst haben sie 50 Prozent ausgezahlt, jetzt warten wir auf die restlichen 50. Aber wir wissen nicht, wann es soweit ist."
    25 Leute sollen hier wohnen. Wann das Haus fertig wird, weiß er nicht. Alles hängt am Geld. Im Krieg wurde das Haus komplett zerstört, seine Eltern, er, seine Frau und seine Kinder und die Familien seiner Geschwister wohnen jetzt noch zur Miete, bis sie hier einziehen können.
    Rafiks Vater sitzt im Schatten auf der anderen Straßenseite. Er überwacht den Bau und besorgt das Baumaterial, das die Arbeiter brauchen.
    "Wir hätten das Baumaterial eigentlich über das offizielle Verteilungssystem bekommen sollen, aber das hat nicht funktioniert. Deshalb kaufe ich es auf dem Schwarzmarkt."
    Das Zweieinhalbfache zahlt er auf dem Schwarzmarkt. Ein Nachbar erzählt, 130 Wohnhäuser hat die israelische Armee im Krieg allein in diesem Viertel dem Erdboden gleich gemacht.
    "Es wurden nur unschuldige Leute getroffen hier. Die Kriege in der ganzen Welt finden zwischen Armeen statt, aber nicht gegen die Zivilbevölkerung."
    Nach Angaben der israelischen Armee hat die Hamas aus diesem Stadtteil viele Raketen in Richtung Israel abgefeuert. Die israelische Armee sagt außerdem, dort seien Eliteeinheiten der Hamas gewesen und zahlreiche Eingänge zu unterirdischen Tunneln nach Israel.
    Jetzt, zwei Jahre später hängt an der Baustelle von Familie El-Areer eine Bautafel mit der Flagge von Kuwait. Von dort kommt das Geld für den Wiederaufbau. Dabei hat Kuwait, wie auch Quatar und Saudi-Arabien laut einem aktuellen Weltbankbericht noch nichts von den versprochenen Geldern überwiesen.
    Auf einer Geberkonferenz in Kairo im Oktober 2014 haben viele Staaten finanzielle Unterstützung zugesagt, für Gaza insgesamt 3,5 Milliarden US-Dollar. Angekommen ist bisher weniger als die Hälfte.
    Schwierige Genehmigung
    Viel Geld geht an das UN-Flüchtlingshilfswerk für Palästina, das versucht, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Mit besseren Kanalsystemen, Wasserpumpen und dem Neubau von Schulen.
    Schwierigkeiten haben alle Hilfsorganisationen, wenn sie Baumaterial in den abgeriegelten Gazastreifen einführen wollen. Zement, Rohre, Stahl, all das verwendet die Hamas auch für Kriegsvorbereitungen oder neue Tunnel, behauptet Israel. Deshalb muss die Einfuhr dieser Waren besonders genehmigt werden. Das macht den Wiederaufbau sehr kompliziert, viele Projekte der Vereinten Nationen warten immer noch auf Genehmigung. Auf dem Schwarzmarkt ist Baumaterial aber zu bekommen.
    Das erzählt auch Wael Helles. Ihm gehört eines der wenigen Häuser in dem Viertel, das schon fertig ist. Vor zwei Monaten ist er mit einer Familie hier eingezogen.
    "Wir haben uns Geld geliehen und angefangen zu bauen. Als die Spende aus Kuwait kam, haben wir das Geld zurückbezahlt."
    Mit Holzlatten und Teppichen zum Schutz vor der Sonne hat er sich einen Unterstand zwischen den Baustellen gebaut, hier sitzen die Männer aus der Nachbarschaft zusammen. Sie bauen ihre Häuser wieder auf, ein Gefühl der Sicherheit gibt ihnen das nicht.
    "Wir haben das Gefühl, das wir hier umsonst bauen. Wir glauben, es wird bald wieder Krieg geben. Ich glaube nicht, dass mein Haus fertig werden wird."
    Im Gazakrieg 2014 auf palästinensischer Seite mehr als 2.000 Menschen getötet worden, die Hälfte davon Zivilisten. Auf israelischer Seite waren es etwa 70. Bis heute sind die Verletzungen und Schäden dieses Krieges deutlich sichtbar.