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Willsch: Flughafenausbau durch Nachtflugurteil rechtssicher

Das vom Leipziger Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nachflugverbot für den Frankfurter Flughafen schaffe endlich Rechtssicherheit, sagt der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. Das Frachtgeschäft werde nun jedoch wesentlich erschwert.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Christoph Heinemann | 04.04.2012
    Christoph Heinemann: "Erst kommt der Mensch, dann kommt die Menschenordnung", lässt Carl Zuckmayer seinen Hauptmann von Köpenick sagen. In diesem Sinne entschied am Vormittag auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, und das bedeutet: Auf dem größten deutschen Flughafen in Frankfurt am Main kommt ein dauerhaftes Nachtflugverbot zu beziehungsweise es bleibt bestehen. Das Gericht kippte die vom Land Hessen ursprünglich genehmigte Regelung der Nachtflüge. Gleichzeitig erklärten die Richter in dem Urteil den Flughafenausbau insgesamt für zulässig.
    Am Telefon ist der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch, er ist Vorsitzender der Parlamentsgruppe Luft und Raumfahrt und er hat früher für die Frankfurter Flughafen AG gearbeitet. Guten Tag!

    Klaus-Peter Willsch: Ja! Schönen guten Tag, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Willsch, hat Sie das Urteil überrascht?

    Willsch: Nein. Die Berichterstattung und die Vormeldungen waren ja schon in etwa in der Richtung, wie das nun bestätigt worden ist im Urteil. Richtig überrascht war ich nicht. Ich finde es gut, dass wir jetzt Rechtssicherheit haben, was den Flughafen in Frankfurt anbelangt. Das ist ja eine wichtige Job-Maschine bei uns in der Region, dem Rhein-Main-Gebiet, und es ist natürlich für das Frachtgeschäft ein Wermutstropfen darin, dass die Nacht, die Mediationsnacht nun völlig flugbewegungsfrei bleibt. Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich viele Anwohner, die sich darüber freuen.

    Heinemann: Was bedeutet das Urteil genau für die Flughafenbetreiber?

    Willsch: Das Frachtgeschäft wird wesentlich erschwert. Es ist ja ein international verwobenes Geschäft, wo die Logistikketten darauf aufbauen, dass zu gewissen Zeiten Kontinente überwunden werden können und Ähnliches. Lufthansa Cargo hat in ersten Kommentierungen, glaube ich, von einer Ergebnisverschlechterung von 40 Millionen gesprochen, die sie daraus erwarten. Aber auf der anderen Seite ist das Vorhaben, was die Landespolitik hier in Hessen in den letzten Jahren deutlich geprägt hat, nämlich der Ausbau des Flughafens mit der Landebahn im Nordwesten, dadurch abgesichert und insofern hat Fraport, hat der Flughafen eine gute Zukunft.

    Heinemann: Aber eben doch nicht so wie Nachts geplant. Also bedeutet das Urteil eine Niederlage für die schwarz-gelbe Landesregierung?

    Willsch: Ich will hier nicht in den Kategorien von Niederlagen für die Politik reden. Es ist ein schwieriger Prozess, in einem dicht besiedelten Bereich eine Infrastruktureinrichtung sinnvoll auszulasten. Eigentlich müsste so ein Großflughafen, ein internationaler Großflughafen, ein Drehkreuz wie Frankfurt, einen 24-Stunden-Betrieb haben. Das geht aber in der Lage, in der er sich befindet, eben nicht, und hier einen sinnvollen Ausgleich herbeigeführt zu haben, kann man, glaube ich, dem Gericht in Leipzig attestieren.

    Heinemann: Inhaltlich muss Hessen jetzt den Planfeststellungsbeschluss, also eine Art Baugenehmigung für den Ausbau des Flughafens von drei auf vier Bahnen, nachbessern. Noch mal die Frage, sinngemäß wie eben: Wieso hat die Landesregierung da nicht sorgfältig genug gearbeitet? Sie selbst haben gesagt, Sie hätte das Urteil jetzt nicht überrascht.

    Willsch: Nach der Vorberichterstattung über Leipzig hat es mich nicht überrascht. Dass hier jetzt nachgearbeitet werden muss, ist eben so, das ist bei größeren Infrastrukturvorhaben ja nichts Ungewöhnliches. Entscheidend noch mal aus meiner Sicht ist, dass die Ausbauentscheidung als solche dadurch auf rechtlich sicherem Grund steht und dass der Flughafen das Wachstum, das ja gebremst worden ist in den letzten Jahren durch die mangelnde Kapazität auf dem Boden, jetzt auch realisieren kann, um Arbeitsplätze hier in der Region zu schaffen.

    Heinemann: Herr Willsch, die Landesregierung hatte den Bürgerinnen und Bürgern zunächst Nachtruhe zugesagt und konnte oder wollte sich später an diese Zusage dann nicht mehr erinnern. Entspricht das Ihrem Verständnis von Politik?

    Willsch: Wenn Sie sich die Planungsvorläufe betrachten, dann sind das ja immer Jahrzehnte, in denen wir da reden. Es gab das Ergebnis der Mediation, das beinhaltete das alte aufgestellte Dogma, Wachstum nur innerhalb des Zaunes wird aufgegeben, wenn es weniger Belastung in der Nacht gibt, wenn das System optimiert ist und sich dann eben zeigt, dass gleichwohl mit dem bestehenden Start- und Landebahnsystem das nicht realisierbar ist, dann muss eben eine neue Bahn gebaut werden. Das war ja der Kern des Mediationsergebnisses. Und als es dann so weit war, dass die Betriebsgenehmigung herausgegeben werden musste, hat man in der Neueinschätzung eben gesagt, wir brauchen aus Gründen der internationalen Güterlogistik diese begrenzte Anzahl von Nachtflügen, und das versucht, dann noch dort abzusichern, auch ausdrücklich mit der Ansage damals, das wird dann ja vor Gericht überprüft werden, ob das zuträglich ist, ob das rechtlich in Ordnung ist, und das ist eben da nicht aufgegangen, das muss man so einräumen.

    Heinemann: Inhaltlich hat die CDU eben vorher Hü und nachher Hott gesagt.

    Willsch: Sie hat im Lichte neuer Erkenntnisse die Angelegenheit neu bewertet und versucht, das noch einfließen zu lassen, aber das Gericht hat offenbar – mir liegt hier nur eine Kurzfassung bisher vor, die Pressemitteilung vom Gericht -, das Gericht hat offenbar die eingegangenen Zusagen, Aussagen im Rahmen des Mediationsverfahrens als rechtlich bindender angesehen, als das damals bei Feststellung des Planfeststellungsbescheides erfolgte.

    Heinemann: Verfügt das Verwaltungsgericht in Leipzig verglichen mit der CDU über das christlichere Menschenbild, indem es sagt, zuerst kommt der Mensch und dann der Umsatz?

    Willsch: Das halte ich für eine ziemlich abwegige Frage. Die Richter haben zu überprüfen, ob das, was dort rechtlich festgesetzt worden ist, in einer Abwägung der verschiedenen Rechtsgrundlagen richtig vorgenommen worden ist. In einem Punkt haben sie das eben jetzt anders gesehen. Noch mal: Entscheidend ist, dass hier unter dem Strich Rechtssicherheit für den ausgebauten Frankfurter Flughafen entstanden ist. Wenn Sie Kategorien vom christlichen Menschenbild hier einführen wollen, dann beachten Sie dabei bitte auch die Tatsache, wie vielen Menschen der Flughafen unmittelbar und mittelbar Arbeit und Brot gibt.

    Heinemann: Herr Willsch, Proteste Ruhe gestörter Bürgerinnen und Bürger gab es nicht nur in Frankfurt, sondern die gibt es auch in Berlin, in München oder auch in Köln. Kann man überhaupt Großflughäfen noch in der Nähe dicht besiedelter Gebiete bauen? Ist das politisch noch durchsetzbar?

    Willsch: Da sind die Bürger ja häufig zwiegespalten. Auf der einen Seite schätzen sie es natürlich, nahe an einem Flughafen zu wohnen, der eine weltweite Verbindungsmöglichkeit und Reisemöglichkeit bietet, die wirklich nicht an vielen Plätzen der Welt gegeben ist. Auf der anderen Seite bringt eine Infrastruktureinrichtung natürlich Belastungen mit sich. Das ist immer wieder die schwierige Aufgabe der Politik, hier einen vernünftigen Ausgleich herbeizuführen. Es ist ja mit Lärmschutzprogrammen und dem Aufkauf von Häusern, die besonders stark Lärm betroffen sind und Ähnlichem, sehr vorbildlich und sehr viel gemacht worden. Es ist, was die Lärmbelastung anbelangt, durch neue Flugzeuge, durch emissionsabhängige, also fluglärmabhängige Landegebühren sehr viel erreicht worden. Aber man kann es nicht wegdiskutieren: Flugverkehr verursacht natürlich Fluglärm, das wird auch nie wegzukriegen sein. Und mich macht da eigentlich zuversichtlich, dass, wenn man hier demoskopische Erhebungen im Rhein-Main-Gebiet vornimmt, eine klare Mehrheit der Bevölkerung der Auffassung ist, dass der Flughafen Frankfurt der Herzmuskel dieser Region ist und wichtig ist, dass er sich auch weiterentwickeln kann.

    Heinemann: Wäre der Ausgleich, von dem Sie gerade gesprochen haben, leichter zu finden, wenn mehr Politiker in Einflugschneisen wohnten?

    Willsch: Das weiß ich nicht, ob das so ist. Es ist Jedermanns Privatangelegenheit, wo er seinen Wohnsitz nimmt. Ich gebe zu, dass für diejenigen, die jetzt sozusagen nachträglich in einem früher lärmarmen Gebiet wohnen, durch einen Neubau eine völlig neue Situation entstanden ist, durch einen Neubau der Landebahn. Gleichwohl ist es so, dass ich schon unterstelle oder dass Sie auch ruhig unterstellen können, dass diejenigen, die darüber entscheiden, sich auch ein Bild von der Lage machen.

    Heinemann: Sollte man laute Flugzeuge durch höhere Gebühren vom Flughafen fernhalten? Wäre das eine Lösung?

    Willsch: Das geschieht ja! Das ist ja ein System, das bereits in den 90er-Jahren in Frankfurt als Pilotverfahren eingeführt wurde und sehr erfolgreich war. Diese lärmabhängigen Fluggebühren haben bis hin zu Flugverboten für verschiedene Typen dazu geführt, dass eine Flottenerneuerung erheblich beschleunigt wurde. Wenn Sie sich den aktuellen Flugzeugmarkt anschauen, dann sehen Sie, dass Airbus zum Beispiel sehr erfolgreich ist mit der A320 Neo. Da fallen zwei Dinge zusammen: Wenn ein Triebwerk wenig verbraucht, dann ist es in der Regel auch lärmärmer als ein Triebwerk, was viel verbraucht, und da ist die A320 Neo ein richtiger Verkaufsschlager, weil sie eben mit neuen Triebwerken aufwartet, die auch die Geräuschemission erheblich reduziert.

    Heinemann: Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Willsch: Gerne! Tschüß, Herr Heinemann.


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