Christoph Heinemann: Über die Benzinpreise ärgern sich die Autofahrerinnen und Fahrer täglich. Auch die Kosten einer anderen Energiefront kennen zurzeit nur eine Richtung. Dazu zwei Zahlen: plus 30 Prozent bis 2020. Infolge der Energiewende werden die Strompreise nach Einschätzung von Vattenfall-Europachef Tuomo Hatakka in den kommenden acht Jahren um rund ein Drittel steigen. Die hohen Investitionen würden nämlich qua Gesetz auf die Stromrechnungen umgelegt werden. Das sagt der Europachef des Energiekonzerns zur Begründung in einem Zeitungsinterview.
Holger Krawinkel leitet den Fachbereich Energie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Guten Tag!
Holger Krawinkel: Guten Tag!
Heinemann: Herr Krawinkel, 30 Prozent plus für die Energiekosten bis 2020, entspricht das Ihrer Berechnung?
Krawinkel: Das könnte schon hinkommen. Wir haben zurzeit einen Strompreis von 25 Cent für die privaten Verbraucher. 30 Prozent rauf sind sieben bis acht Cent mehr. Wir werden im nächsten Jahr schon zwei Cent mehr haben, alleine wegen der Erhöhung der EEG-Umlage. Und es kommt dazu: Der Ausbau der Netze fällt sicher auch mit etwa zwei Cent, vielleicht sogar etwas mehr ins Gewicht, und jetzt hat ja die Bundesregierung beschlossen, auch noch mal kräftig in Offshore-Windenergie investieren zu lassen. Das wird die Umlage für erneuerbare Energien auch noch mal um zwei Cent anheben. Also von daher bin ich alleine mit dem, was ich jetzt absehen kann, schon in diesem Bereich, der da vorhergesagt wurde.
Heinemann: Trägt die Bundesregierung allein die Verantwortung für diese Entwicklung?
Krawinkel: Ja und nein. Es ist natürlich auch ein gesellschaftliches Problem, weil nicht wirklich über Alternativen innerhalb der Energiewende diskutiert wird. Wir zahlen im nächsten Jahr etwa 20, vielleicht 21 Milliarden für die EEG-Umlage, mit diesen 20 Milliarden könnte ich heute schon so viel Strom mit Windenergie an Land produzieren, wie in Deutschland verbraucht wird. Es ist im Prinzip der falsche Einsatz der Technologien: zu viel Solarstrom, zu viel Biomasse und zu wenig Windenergie an Land. Windenergie an Land ist der Billigmacher. Und jetzt kommt eben noch Offshore dazu, das ist doppelt so teuer wie Windenergie an Land. Also da muss die Bundesregierung einfach Prioritäten setzen, und das tut sie nicht.
Heinemann: Wobei, wenn ich es richtig verstanden habe, das Problem nicht die Produktion, sondern im Moment eher der Transport von Energie ist.
Krawinkel: Das kommt ja noch erschwerend dazu. Wenn ich Windenergie an Land erzeuge, vor allen Dingen stärker in Süddeutschland, wie Rheinland-Pfalz das beispielsweise vormacht, dann habe ich natürlich auch geringere Transportbedarfe. Das heißt, ich muss weniger Leitungen bauen. Das macht das Energiesystem insgesamt dann auch kostengünstiger.
Heinemann: Bis 2022 werden rund 3800 Kilometer neue Stromtrassen gebraucht, fertig sind etwa 300. Was folgt daraus?
Krawinkel: Dass das letztendlich ein utopisches Ziel ist, in dieser Zeit so viele Leitungen zu legen. Deswegen wird es eben darauf ankommen, sich verstärkt dafür einzusetzen, dass in Süddeutschland die fehlenden Kraftwerkskapazitäten gebaut werden, vor allen Dingen mit Windenergie, sicher auch mit entsprechenden fossilen Kraftwerken, Gaskraftwerke, die auch relativ umweltfreundlich zu betreiben sein werden.
Heinemann: Rechnen Sie damit, dass die Kernkraftwerke unterm Strich doch länger am Netz bleiben werden?
Krawinkel: Nein, das ist nicht notwendig. Wenn jetzt die Weichen richtig gestellt werden und tatsächlich in Süddeutschland Ersatzkapazitäten aufgebaut werden, dann ist eine Verlängerung der Laufzeiten von den Kraftwerken im Süden sicher nicht erforderlich.
Heinemann: Herr Krawinkel, der Bundesumweltminister, Peter Altmaier, hat heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk vorgerechnet, eine fossile Nichtwende, also ein Weiter so, wird noch viel teurer.
Krawinkel: Das ist ja richtig. Deswegen sage ich ja, es kommt ja gar nicht darauf an, sozusagen sich gegen die Energiewende zu stellen, und das finde ich in der politischen Debatte auch immer so schwierig, sondern es geht auch darum, auf die richtigen erneuerbaren Energien zu setzen. Wie gesagt, Windenergie an Land ist so preiswert, dass wir mit dem, was wir heute schon für erneuerbaren Energienstrom bezahlen, im Prinzip vollständig uns mit erneuerbaren Energien versorgen könnten. Das ist das Problem, und es wird auf zu teure Technologien gesetzt. Das Beispiel hatte ich ja schon genannt: Solarenergie ist eben sehr viel teurer als Windenergie an Land, vor allen Dingen in der Vergangenheit, und jetzt wird noch auf Offshore-Energie gesetzt, was auch mindestens doppelt so teuer, wenn nicht sogar dreimal so teuer ist wie Windenergie an Land. Da liegen die Probleme.
Heinemann: Bei den Kosten ein weiterer Kritikpunkt ist - zumindest von den Grünen aus geäußert -, dass die stromintensiven Unternehmen von bestimmten Umlagen ausgenommen werden sollen, also von Mehrkosten. Werden da zu viele Extrawürste gebraten?
Krawinkel: Ja, das ist eine schwierige Frage, weil diese Ausnahmen gibt es ja schon sehr lange. Am Anfang, als die Umlage selber noch relativ gering war, ist das kaum ins Gewicht gefallen. Inzwischen ist es eben so, dass zum Beispiel die Befreiung der Industrie etwa 4,2 Milliarden Euro ausmachen. Das steigt im nächsten Jahr an auf über sechs Milliarden Euro. Das heißt, der entscheidende Treiber ist die EEG-Umlage selbst. Dass jetzt Industrien befreit werden, ist sozusagen schon viel früher angelegt worden. Man hat es jetzt erweitert, da sind sicher Industriebetriebe dazugekommen, die es wirklich nicht nötig haben, befreit zu werden. Das muss man sich hier noch mal genauer ansehen. Aber generell ist das eine sehr frühe Entscheidung gewesen, das zu tun. Ich glaube, die geht sogar zurück, noch zu rot-grünen Regierungszeiten ist das so entschieden worden. Von daher muss man da, glaube ich, sehr differenziert herangehen. Nicht alle Ausnahmen sind wirklich sinnvoll. Aber das würde an dem Problem, wenn man die abschaffen würde, nicht grundsätzlich etwas ändern.
Heinemann: Die Energieproduzenten stehen auch am Pranger. Der Vorwurf lautet, sie geben Preissenkungen nicht weiter. Jetzt haben wir gerade gehört eben im Beitrag von Christel Blanke RWE-Chef Terium, der gesagt hat: Doch, doch, wir machen das schon, wir federn damit oder fangen ab staatliche Abgaben. Wer hat denn nun recht?
Krawinkel: Auch das ist etwas schwieriger. Das Problem besteht darin, dass die erneuerbaren Energien sozusagen den Spotmarktpreis an der Börse sehr stark beeinflussen, auch tatsächlich diesen Preis nach unten drücken. Am Terminmarkt, also am längerfristigen Handel, hat das noch nicht so viel Einfluss gehabt, der wird erst später zukommen. Das muss sich eben in den Marktgeschäften umsetzen bei den längerfristigen Verträgen. Und diese längerfristigen Verträge sind natürlich auch diejenigen, die vor allen Dingen Stadtwerke und so weiter eingehen. Wenn die jetzt noch Strom eingekauft haben, sagen wir vor zwei, drei Jahren, der relativ teuer war, dann haben sie natürlich noch keinen Vorteil, den sie an den Kunden weitergeben können. Das wird sich also mit der Zeit ergeben und wird natürlich sehr stark unterstützt, wenn es eine stärkere Wechselbereitschaft bei den Verbrauchern gäbe, also wenn es dort mehr Wettbewerb gäbe. Dann würde ein solcher Puffer nicht entstehen.
Heinemann: Herr Krawinkel, wenn Sie im Geiste schnell mal eine Privatwohnung oder ein Haus durcheilen, an welchen Stellen lässt sich am besten und am meisten Strom sparen?
Krawinkel: Na, da fällt am ehesten der alte Kühlschrank ein. Gerade die Kühl- und Gefriergeräte sind im Schnitt 15, 16, 17 Jahre alt, da hat es einen sehr starken technischen Fortschritt gegeben. Also wenn die alten Mühlen verschwinden würden, durch neue ersetzt würden, da könnte ein privater Haushalt schon einiges einsparen.
Heinemann: Entwickeln wir uns zu einer Geisteshaltung, in der Energiegeiz geil ist?
Krawinkel: Ja, das kommt eben darauf an. Beim Verbrauch ist es offensichtlich nicht so, weil der nimmt ja nicht tatsächlich ab, sondern bleibt relativ stabil. Wir haben es ja auch beim Spritverbrauch gesehen: Die Benzinpreise steigen, trotzdem werden immer PS-stärkere Autos gekauft. Das ist schon sehr unterschiedlich, und es gibt diese sogenannten Rebound-Effekte, wenn ich auf der einen Seite einspare, dann wird die Energie möglicherweise an anderer Stelle wieder verbraucht. Von daher davon auszugehen, dass sich der Energieverbrauch tatsächlich sehr stark absenken ließe, das halte ich für sehr schwierig.
Heinemann: Wie erklären Sie sich diese Haltung, auf der einen Seite dieser Ärger wegen der hohen Preise und auf der anderen Seite dann eben doch dieses stabile oder nicht abgesenkte Konsumverhalten?
Krawinkel: Nun ja, ich meine, dann müssen offensichtlich Konsumausgaben verlagert werden, das fällt offensichtlich noch vielen leicht. Ich denke, es ist eher ein Problem dort, wo eben die Einkommen nicht so hoch sind, wo diese Möglichkeiten, auf andere Dinge des täglichen Lebens zu verzichten, nicht so groß sind.
Heinemann: Die Preise sind das eine, die Kapazitäten das andere. Rechnen Sie in den kommenden Jahren mit Stromengpässen oder mit Stromausfällen gar?
Krawinkel: Also ich glaube, da ist wirklich sehr umfassend Vorsorge getroffen worden. Das muss handhabbar sein. Natürlich ist es jetzt komplizierter geworden, aber ich vergleiche das immer gerne mit einem Stellwerk bei der Eisenbahn. Früher sind eben relativ wenig Züge gefahren, da mussten wenig Weichen umgestellt werden. Wenn jetzt die Strecke voll belegt ist, wie das Stromnetz heute, dann müssen eben mehr Weichen und Signale gestellt werden. Das macht die Sache ein bisschen komplexer, aber eine tatsächliche Gefahr sehe ich da nicht.
Heinemann: Holger Krawinkel, der Leiter des Fachbereichs Energie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Heißt es eigentlich "des" oder "der"? Ich verstehe das nie. Ist das Maskulinum oder Femininum?
Krawinkel: Nein, nein. Das heißt eigentlich grammatisch nicht richtig Verbraucherzentrale Bundesverband.
Heinemann: Der oder die?
Krawinkel: Nein, nein, gar nicht.
Heinemann: Gut, okay.
Krawinkel: Nur so Verbraucherzentrale Bundesverband. Aber eigentlich müsste es heißen, Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Heinemann: Aha, da haben wir das auch gelernt. – Wunderbar! – Danke schön, Herr Krawinkel.
Krawinkel: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Holger Krawinkel leitet den Fachbereich Energie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Guten Tag!
Holger Krawinkel: Guten Tag!
Heinemann: Herr Krawinkel, 30 Prozent plus für die Energiekosten bis 2020, entspricht das Ihrer Berechnung?
Krawinkel: Das könnte schon hinkommen. Wir haben zurzeit einen Strompreis von 25 Cent für die privaten Verbraucher. 30 Prozent rauf sind sieben bis acht Cent mehr. Wir werden im nächsten Jahr schon zwei Cent mehr haben, alleine wegen der Erhöhung der EEG-Umlage. Und es kommt dazu: Der Ausbau der Netze fällt sicher auch mit etwa zwei Cent, vielleicht sogar etwas mehr ins Gewicht, und jetzt hat ja die Bundesregierung beschlossen, auch noch mal kräftig in Offshore-Windenergie investieren zu lassen. Das wird die Umlage für erneuerbare Energien auch noch mal um zwei Cent anheben. Also von daher bin ich alleine mit dem, was ich jetzt absehen kann, schon in diesem Bereich, der da vorhergesagt wurde.
Heinemann: Trägt die Bundesregierung allein die Verantwortung für diese Entwicklung?
Krawinkel: Ja und nein. Es ist natürlich auch ein gesellschaftliches Problem, weil nicht wirklich über Alternativen innerhalb der Energiewende diskutiert wird. Wir zahlen im nächsten Jahr etwa 20, vielleicht 21 Milliarden für die EEG-Umlage, mit diesen 20 Milliarden könnte ich heute schon so viel Strom mit Windenergie an Land produzieren, wie in Deutschland verbraucht wird. Es ist im Prinzip der falsche Einsatz der Technologien: zu viel Solarstrom, zu viel Biomasse und zu wenig Windenergie an Land. Windenergie an Land ist der Billigmacher. Und jetzt kommt eben noch Offshore dazu, das ist doppelt so teuer wie Windenergie an Land. Also da muss die Bundesregierung einfach Prioritäten setzen, und das tut sie nicht.
Heinemann: Wobei, wenn ich es richtig verstanden habe, das Problem nicht die Produktion, sondern im Moment eher der Transport von Energie ist.
Krawinkel: Das kommt ja noch erschwerend dazu. Wenn ich Windenergie an Land erzeuge, vor allen Dingen stärker in Süddeutschland, wie Rheinland-Pfalz das beispielsweise vormacht, dann habe ich natürlich auch geringere Transportbedarfe. Das heißt, ich muss weniger Leitungen bauen. Das macht das Energiesystem insgesamt dann auch kostengünstiger.
Heinemann: Bis 2022 werden rund 3800 Kilometer neue Stromtrassen gebraucht, fertig sind etwa 300. Was folgt daraus?
Krawinkel: Dass das letztendlich ein utopisches Ziel ist, in dieser Zeit so viele Leitungen zu legen. Deswegen wird es eben darauf ankommen, sich verstärkt dafür einzusetzen, dass in Süddeutschland die fehlenden Kraftwerkskapazitäten gebaut werden, vor allen Dingen mit Windenergie, sicher auch mit entsprechenden fossilen Kraftwerken, Gaskraftwerke, die auch relativ umweltfreundlich zu betreiben sein werden.
Heinemann: Rechnen Sie damit, dass die Kernkraftwerke unterm Strich doch länger am Netz bleiben werden?
Krawinkel: Nein, das ist nicht notwendig. Wenn jetzt die Weichen richtig gestellt werden und tatsächlich in Süddeutschland Ersatzkapazitäten aufgebaut werden, dann ist eine Verlängerung der Laufzeiten von den Kraftwerken im Süden sicher nicht erforderlich.
Heinemann: Herr Krawinkel, der Bundesumweltminister, Peter Altmaier, hat heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk vorgerechnet, eine fossile Nichtwende, also ein Weiter so, wird noch viel teurer.
Krawinkel: Das ist ja richtig. Deswegen sage ich ja, es kommt ja gar nicht darauf an, sozusagen sich gegen die Energiewende zu stellen, und das finde ich in der politischen Debatte auch immer so schwierig, sondern es geht auch darum, auf die richtigen erneuerbaren Energien zu setzen. Wie gesagt, Windenergie an Land ist so preiswert, dass wir mit dem, was wir heute schon für erneuerbaren Energienstrom bezahlen, im Prinzip vollständig uns mit erneuerbaren Energien versorgen könnten. Das ist das Problem, und es wird auf zu teure Technologien gesetzt. Das Beispiel hatte ich ja schon genannt: Solarenergie ist eben sehr viel teurer als Windenergie an Land, vor allen Dingen in der Vergangenheit, und jetzt wird noch auf Offshore-Energie gesetzt, was auch mindestens doppelt so teuer, wenn nicht sogar dreimal so teuer ist wie Windenergie an Land. Da liegen die Probleme.
Heinemann: Bei den Kosten ein weiterer Kritikpunkt ist - zumindest von den Grünen aus geäußert -, dass die stromintensiven Unternehmen von bestimmten Umlagen ausgenommen werden sollen, also von Mehrkosten. Werden da zu viele Extrawürste gebraten?
Krawinkel: Ja, das ist eine schwierige Frage, weil diese Ausnahmen gibt es ja schon sehr lange. Am Anfang, als die Umlage selber noch relativ gering war, ist das kaum ins Gewicht gefallen. Inzwischen ist es eben so, dass zum Beispiel die Befreiung der Industrie etwa 4,2 Milliarden Euro ausmachen. Das steigt im nächsten Jahr an auf über sechs Milliarden Euro. Das heißt, der entscheidende Treiber ist die EEG-Umlage selbst. Dass jetzt Industrien befreit werden, ist sozusagen schon viel früher angelegt worden. Man hat es jetzt erweitert, da sind sicher Industriebetriebe dazugekommen, die es wirklich nicht nötig haben, befreit zu werden. Das muss man sich hier noch mal genauer ansehen. Aber generell ist das eine sehr frühe Entscheidung gewesen, das zu tun. Ich glaube, die geht sogar zurück, noch zu rot-grünen Regierungszeiten ist das so entschieden worden. Von daher muss man da, glaube ich, sehr differenziert herangehen. Nicht alle Ausnahmen sind wirklich sinnvoll. Aber das würde an dem Problem, wenn man die abschaffen würde, nicht grundsätzlich etwas ändern.
Heinemann: Die Energieproduzenten stehen auch am Pranger. Der Vorwurf lautet, sie geben Preissenkungen nicht weiter. Jetzt haben wir gerade gehört eben im Beitrag von Christel Blanke RWE-Chef Terium, der gesagt hat: Doch, doch, wir machen das schon, wir federn damit oder fangen ab staatliche Abgaben. Wer hat denn nun recht?
Krawinkel: Auch das ist etwas schwieriger. Das Problem besteht darin, dass die erneuerbaren Energien sozusagen den Spotmarktpreis an der Börse sehr stark beeinflussen, auch tatsächlich diesen Preis nach unten drücken. Am Terminmarkt, also am längerfristigen Handel, hat das noch nicht so viel Einfluss gehabt, der wird erst später zukommen. Das muss sich eben in den Marktgeschäften umsetzen bei den längerfristigen Verträgen. Und diese längerfristigen Verträge sind natürlich auch diejenigen, die vor allen Dingen Stadtwerke und so weiter eingehen. Wenn die jetzt noch Strom eingekauft haben, sagen wir vor zwei, drei Jahren, der relativ teuer war, dann haben sie natürlich noch keinen Vorteil, den sie an den Kunden weitergeben können. Das wird sich also mit der Zeit ergeben und wird natürlich sehr stark unterstützt, wenn es eine stärkere Wechselbereitschaft bei den Verbrauchern gäbe, also wenn es dort mehr Wettbewerb gäbe. Dann würde ein solcher Puffer nicht entstehen.
Heinemann: Herr Krawinkel, wenn Sie im Geiste schnell mal eine Privatwohnung oder ein Haus durcheilen, an welchen Stellen lässt sich am besten und am meisten Strom sparen?
Krawinkel: Na, da fällt am ehesten der alte Kühlschrank ein. Gerade die Kühl- und Gefriergeräte sind im Schnitt 15, 16, 17 Jahre alt, da hat es einen sehr starken technischen Fortschritt gegeben. Also wenn die alten Mühlen verschwinden würden, durch neue ersetzt würden, da könnte ein privater Haushalt schon einiges einsparen.
Heinemann: Entwickeln wir uns zu einer Geisteshaltung, in der Energiegeiz geil ist?
Krawinkel: Ja, das kommt eben darauf an. Beim Verbrauch ist es offensichtlich nicht so, weil der nimmt ja nicht tatsächlich ab, sondern bleibt relativ stabil. Wir haben es ja auch beim Spritverbrauch gesehen: Die Benzinpreise steigen, trotzdem werden immer PS-stärkere Autos gekauft. Das ist schon sehr unterschiedlich, und es gibt diese sogenannten Rebound-Effekte, wenn ich auf der einen Seite einspare, dann wird die Energie möglicherweise an anderer Stelle wieder verbraucht. Von daher davon auszugehen, dass sich der Energieverbrauch tatsächlich sehr stark absenken ließe, das halte ich für sehr schwierig.
Heinemann: Wie erklären Sie sich diese Haltung, auf der einen Seite dieser Ärger wegen der hohen Preise und auf der anderen Seite dann eben doch dieses stabile oder nicht abgesenkte Konsumverhalten?
Krawinkel: Nun ja, ich meine, dann müssen offensichtlich Konsumausgaben verlagert werden, das fällt offensichtlich noch vielen leicht. Ich denke, es ist eher ein Problem dort, wo eben die Einkommen nicht so hoch sind, wo diese Möglichkeiten, auf andere Dinge des täglichen Lebens zu verzichten, nicht so groß sind.
Heinemann: Die Preise sind das eine, die Kapazitäten das andere. Rechnen Sie in den kommenden Jahren mit Stromengpässen oder mit Stromausfällen gar?
Krawinkel: Also ich glaube, da ist wirklich sehr umfassend Vorsorge getroffen worden. Das muss handhabbar sein. Natürlich ist es jetzt komplizierter geworden, aber ich vergleiche das immer gerne mit einem Stellwerk bei der Eisenbahn. Früher sind eben relativ wenig Züge gefahren, da mussten wenig Weichen umgestellt werden. Wenn jetzt die Strecke voll belegt ist, wie das Stromnetz heute, dann müssen eben mehr Weichen und Signale gestellt werden. Das macht die Sache ein bisschen komplexer, aber eine tatsächliche Gefahr sehe ich da nicht.
Heinemann: Holger Krawinkel, der Leiter des Fachbereichs Energie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Heißt es eigentlich "des" oder "der"? Ich verstehe das nie. Ist das Maskulinum oder Femininum?
Krawinkel: Nein, nein. Das heißt eigentlich grammatisch nicht richtig Verbraucherzentrale Bundesverband.
Heinemann: Der oder die?
Krawinkel: Nein, nein, gar nicht.
Heinemann: Gut, okay.
Krawinkel: Nur so Verbraucherzentrale Bundesverband. Aber eigentlich müsste es heißen, Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Heinemann: Aha, da haben wir das auch gelernt. – Wunderbar! – Danke schön, Herr Krawinkel.
Krawinkel: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.