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Windradhersteller empfiehlt längere Laufzeiten für Kernkraftwerke

Fritz Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender des Windanlagenherstellers REpower Systems, plädiert für längere Laufzeiten für die bestehenden Atomkraftwerke in Deutschland. "Neue Kernkraftwerke wird es nicht geben, aber warum sollten wir die sichersten Kernkraftwerke der Welt früher abschalten, als es andere tun", sagte Vahrenholt mit Verweis auf Parlamentsbeschlüsse in den Niederlanden und Schweden. Atomkraft sei der preiswerteste Energieträger.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Zugeschaltet ist uns jetzt telefonisch Fritz Vahrenholt. Er war einmal Umweltsenator der Hansestadt Hamburg und ist aktuell in diesem Moment Vorstandsvorsitzender des Windkraftherstellers REpower Systems. Einen schönen guten Tag, Herr Vahrenholt!

    Fritz Vahrenholt: Guten Tag, Herr Birke!

    Birke: Herr Vahrenholt, die Aufgabenstellung für heute Abend lautet: akzeptable Preise bei sicherer Versorgung. Wie kann man das erreichen?

    Vahrenholt: Nun, die akzeptablen Preise sind ein ganz wichtiges Ziel, weil wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Energiebedarfe massiv steigen. Die Nachfrage nach Öl steigt, nach Gas steigt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unsere Industriestruktur aufs Spiel setzen, denn wir brauchen für Stahl, für Kupfer, für Silizium, für die chemische Grundstoffindustrie wettbewerbsfähige Preise. Wer in einem solchen Moment den preiswertesten Energieträger – und das ist ja nun mal die Kernenergie – abschalten will, muss die Frage beantworten, was er stattdessen macht. Wir wissen alle: Neue Kohle- und Gaskraftwerke werden deutlich teurer.

    Die erneuerbaren Energien haben eine große Zukunft. Sie werden mit Sicherheit in der Lage sein, noch zehn Prozent mehr Strom zu machen, in 2020 werden es sicherlich 20 Prozent sein. Die werden aber nicht in der Lage sein, die Kernenergie zu ersetzen und schon gar nicht zu den Preisen. Deswegen plädiere ich dafür, sich Zeit zu kaufen. Wir können uns im Augenblick einen vorzeitigen Ausstieg nicht erlauben. Erneuerbare brauchen noch ein bisschen Zeit, um wettbewerbsfähig zu sein.

    Birke: Vorzeitigen Ausstieg, Herr Vahrenholt, meinen Sie damit den, den die rot-grüne Regierung eingeleitet hat und denjenigen, den ja auch die große Koalition im Vertrag festgeschrieben hat?

    Vahrenholt: Ja sicher. Wir haben 2000 unter völlig anderen Rahmenbedingungen die Laufzeit der Kernkraftwerke von 40 auf 32 gekürzt. Schweden ist gerade, dabei und hat das durchs Parlament beschlossen, von 40 auf 60 zu verlängern. Holland hat es gerade durch Parlamentsbeschluss von 40 auf 60 Jahre beschlossen. Das sind ja alles keine dummen Staaten. Wir glauben, als einziges Land auf der Welt könnten wir uns durch einen solchen Akt aus dem Marktgeschehen herauskatapultieren. Das halte ich für einen schweren Fehler. Man darf auch nicht vergessen, dass die Klimaveränderung nun massiv spürbar wird, und auch dort muss man ganz klar sagen: Der Ersatz von Kernkraftwerken durch Kohle und Gas bedeutet, dass wir einen Zuwachs an Kohlendioxid aus Deutschland haben, der dem Ausstoß des gesamten Straßenverkehrs entspricht. Also man muss doch einfach mal realitätsnah das Thema diskutieren. Neue Kernkraftwerke wird es nicht geben, aber warum sollten wir die sichersten Kernkraftwerke der Welt früher abschalten, als es andere tun.

    Ich glaube, da ist Führung gefragt. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das mittlerweile sehr viel pragmatischer. Die Bedrohung der Abhängigkeit vom Persischen Golf ist viel größer geworden. Deswegen muss man sich nicht sklavisch an Verträge halten. Es ist doch eine ganz dumme Begründung zu sagen, wir haben einen Vertrag, und daran müssen wir festhalten. Wir müssen inhaltlich diskutieren.

    Birke: Herr Vahrenholt, ist das wo möglich der Grund, dieses Plädoyer für längere Laufzeiten der AKW, weshalb Sie heute Abend nicht mit am Tisch sitzen?

    Vahrenholt: Da ist möglicherweise etwas dran. Ich glaube, ich war vom Kanzleramt vorgeschlagen, aber das BMU wollte das wohl nicht. Da sage ich mal, das tut nichts zur Sache. Ich erwarte einfach, dass jetzt eine Diskussion beginnt, die unideologisch ist, die auch aufzeigt, was wir in den nächsten 15 Jahren zu tun haben.

    Birke: Aber ist die Sicherheitsfrage, wenn wir es mal unideologisch diskutieren, ist es zeitgemäß, über eine längere Laufzeit der AKW zu sprechen anlässlich des 20. Jahrestages von Tschernobyl und anlässlich der ungeklärten Frage, wie sicher denn der Atommüll endgelagert werden kann?

    Vahrenholt: Den Atommüll müssen wir sowieso entsorgen. Das ist doch eine Aufgabe, die die Bundesregierung auch zu schultern hat, denn wir haben laufende Kernkraftwerke. Und wenn die Sicherheitsfrage thematisiert wird und man sagt, das ist nicht sicher, dann muss man sie sofort abschalten. Ich habe nicht den Eindruck, dass der grüne Umweltminister Trittin dies für nötig erachtet hat. Wenn man also sagt, wir können die 15 Jahre sicher fahren, warum kann man sie nicht 25 Jahre sicher fahren. Das leuchtet mir nicht ein.

    Die Gefahren auf der anderen Seite sind doch viel größer. Stellen Sie sich mal vor, die Energiepreise werden durch diese Entscheidung sich noch mal um 30 Prozent erhöhen. Dann können sie in Deutschland kein wettbewerbsfähiges Aluminium, Kupfer, Stahl produzieren. Es ist doch ein Unding, dass die größte Kupferhütte Europas, die Norddeutsche Affinerie, ein Müllheizkraftwerk bauen muss, damit sie überhaupt noch wettbewerbsfähige Strompreise haben kann. Man muss jetzt, glaube ich, rational an die Sache gehen. Wir haben noch ein bisschen Zeit. Ich plädiere für ein Moratorium beim Ausstieg. Ich sage zu, dass die Windenergie diese Zeit nutzen wird, um auch in zehn Jahren wettbewerbsfähigen Strom zu produzieren.

    Birke: Windenergie, Herr Vahrenholt, damit haben Sie einen wichtigen Bereich angesprochen. Sie selbst kommen ja von einem Windenergie-Erzeuger. Ist denn dieser Sektor, der für viele ja auch die Landschaft mit Windmühlen unnötig verschandelt, nicht mit zu hohen Subventionen in der Vergangenheit bedacht worden?

    Vahrenholt: Nein, das geht ja herunter. Das ist ja das schöne. Wir brauchen ja immer weniger. In diesem Jahr kommen wir unter eine Milliarde sozusagen Zuführung. Es gibt andere Bereiche wie die Solarenergie, die mächtig an zusätzlichen Zuführungen und Unterstützungen braucht. Jedes Jahr wächst das um 500 Millionen an. Da muss man sich schon die Frage stellen, ist das die richtige Antwort, Solarenergie anstatt Kernenergie in einem Land, in dem die Sonne nicht so häufig scheint wie vielleicht in der Sahara. Das muss realistisch auf den Tisch, weil wir müssen den die Trias einhalten, den Dreiklang einhalten. Wir brauchen wettbewerbsfähige Industriestrompreise. Wir dürfen beim Klimaschutz nicht locker lassen. Und wir dürfen eins nicht machen: Wir dürfen uns nicht in die Abhängigkeit begeben, auch nicht von Russland, denn wenn weiter Gaskraftwerke hier gebaut werden, dann kann ich versprechen, dann geht der Preis für Gas durch die Decke und wir werden diesen Strom in zehn Jahren nicht mehr bezahlen können.

    Birke: Sie haben die Abhängigkeit angesprochen. 83 Prozent des Erdgases und 96 Prozent unseres Erdöls werden importiert, nicht immer von den zuverlässigsten Lieferanten. Welche Rolle kann denn da die erneuerbare Energie hierzulande spielen, um diese zu ersetzen?

    Vahrenholt: Die erneuerbaren Energien sind ja heimische Energieträger. Den Wind müssen sie nicht importieren. Das ist schon ganz wichtig. Nur man darf nicht die Erneuerbaren überfordern. Wir können nicht alles machen. Es ist doch wunderbar, wenn wir 20 Prozent des Stroms in etwa zwölf Jahren aus Erneuerbaren hinbekommen. Das ist eine Riesenleistung. Was wir aber darüber hinaus tun müssen, ist natürlich: Wir müssen die Anstrengungen auf der Forschungsseite erhöhen. Die Energieforschung ist heruntergefahren worden. Man hat die Energieforschungszentren mehr oder weniger auf kleine Flamme gebracht. Da brauchen wir heute auch ein Signal. Wir brauchen mehr Forschung, mehr Innovation, um zum Beispiel CO2-freie Kohlekraftwerke zu entwickeln. Die kommen aber auch erst in zehn Jahren. Die Ingenieure können nicht sozusagen mit einem Fingerschnippen das hinkriegen.

    Ein weiteres Argument ist, dass man bitte schön jetzt nicht alles mit Kohlekraftwerken zupflastern soll, sondern noch warten sollte, bis wir endlich das klimafreundliche Kohlekraftwerk haben. Das brauchen wir.

    Birke: Zusammengefasst also, Plädoyer für mehr Forschung und längere Laufzeiten der AKW, für heute Abend ?

    Vahrenholt: So ungefähr ist das!

    Birke: Fritz Vahrenholt war das, früher Umweltsenator der Hansestadt Hamburg und zurzeit Vorstandsvorsitzender des Windkraftherstellers REpower Systems, hier in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Vahrenholt: Auf Wiederhören.