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Wintermantel: Kooperationsverbot ist unmodern

Das geplante Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bereich der Hochschulen könnte nach Ansicht der HRK-Präsidentin Margret Wintermantel zu einer Unterfinanzierung der Lehre führen. Man fürchte, die Länder könnten ihre Verantwortung in den Hochschulen aus finanziellen Gründen nicht wahrnehmen. Gute Studienbedingungen müssten aber gewährleistet werden, betonte Wintermantel.

    Müller: Kooperationsverbot, also nicht miteinander reden, nicht miteinander arbeiten, nichts miteinander beschließen, nichts miteinander machen. Schon etwas ungewöhnlich in demokratischen Systemen, aber in Deutschland an der Tagesordnung, zumindest bei der Reform des Föderalismus. Welche Zuständigkeiten hat der Bund, welche Zuständigkeiten haben die Länder, welche haben beide Seiten gemeinsam? Ziel ist nach wie vor, die politischen Entscheidungen in Deutschland einfacher und schneller zu machen. Union und SPD stehen offenbar nun kurz vor einer Einigung. Bis zuletzt umstritten ist dabei aber vor allem die Bildungspolitik. Die Schulen werden demnach ausschließlich Sache der Länder sein. Bei den Hochschulen, also den Universitäten, ist das wieder komplizierter. Hier wollen die Sozialdemokraten klipp und klar auch finanziellen und politischen Spielraum für den Bund, beispielsweise Geld für mehr Computer oder für mehr junge Wissenschaftler.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit der Präsidentin der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Professorin Margret Wintermantel. Guten Morgen!

    Prof. Wintermantel: Guten Morgen!

    Müller: Frau Wintermantel, hätten Sie etwas übrig für Kooperation?

    Prof. Wintermantel: Ja. Die Hochschulrektorenkonferenz kritisiert an der vorliegenden Konzeption, dass der Bund tatsächlich nicht mehr für mögliche Sonderprogramme in den Hochschulen zuständig sein soll. Der Begriff Kooperationsverbot ist ja ein bisschen ein Kampfbegriff, muss man sagen, aber tatsächlich versteckt sich ja dahinter eine etwas komplizierte Sachlage, nämlich dass man tatsächlich ausschließen möchte, dass der Bund für die Lehre zuständig sein kann, zur Finanzierung der Lehre in den Hochschulen. Dieses wollen wir nicht so gerne realisiert sehen, weil wir fürchten, dass die Länder ihrer Verantwortung in den Hochschulen aus finanziellen Gründen nicht gerecht werden können.

    Müller: Frau Wintermantel, wenn ich Sie unterbrechen darf. Fühlen sich dann aufgrund dessen, wie Sie es jetzt gerade schildern, die Universitäten und gerade auch die Führung der Universitäten von der Union im Stich gelassen?

    Prof. Wintermantel: Ich würde das nicht so schwarz/weiß sehen. Wir appellieren an die Vernunft der Politiker, nun tatsächlich dieses Kooperationsverbot wirklich aufzugeben. Ich meine es ist unmodern, heute ein Kooperationsverbot auszusprechen, wo jeder weiß, dass wir viele Studierende vor den Toren der Hochschulen haben werden, die eine Studienberechtigung haben und die unter besten Bedingungen studieren können sollen. Dazu brauchen wir natürlich eine gewisse Flexibilität und auch die Möglichkeit, dass der Bund beispielsweise durch Sonderprogramme den Ländern und den Hochschulen hilft, gute Studienbedingungen aufrecht zu erhalten.

    Müller: Hatten Sie denn in der Vergangenheit Gelegenheit, beispielsweise mit Roland Koch zu sprechen, der ja der "Erfinder" des Kooperationsverbotes ist?

    Prof. Wintermantel: Wir haben mit verschiedenen Politikern gesprochen, haben uns in der Presse geäußert, waren bei der Anhörung präsent und ich habe den Eindruck – beispielsweise Peter Müller aus dem Saarland hat sich geäußert dazu -, dass er auch meint, dass dieses Kooperationsverbot nicht so bestehen bleiben sollte.

    Müller: Aber dennoch haben sich die Universitäten bislang nicht so richtig durchsetzen können. Das heißt in der Hochschulpolitik sind jetzt die Sozialdemokraten eindeutig Ihre Verbündeten?

    Prof. Wintermantel: Wir versuchen sozusagen an allen Stellschrauben zu drehen und unsere Position deutlich zu machen. Wir appellieren an die Vernunft der Politiker, tatsächlich diese Möglichkeit zu eröffnen, durch Sonderprogramme in die Hochschulen zu investieren. Wir sehen einfach gerade jetzt für die Zukunft die Notwendigkeit. Der Wissenschaftsrat hat Zahlen vorgelegt; die Hochschulrektorenkonferenz schließt sich diesen Zahlen an. Wir werden mehr studierfähige junge Leute haben in den nächsten Jahren und wir brauchen gute Studienbedingungen für diese Studierenden. Das heißt wir brauchen Ressourcen für die Lehre und natürlich auch für die Forschung, aber eben auch für die Lehre und die Länder sollten da nicht alleine gelassen werden.

    Müller: Frau Wintermantel, Sie brauchen mehr Geld. Die deutschen Universitäten brauchen mehr Geld. Muss das der Staat leisten, oder kann man das beispielsweise auch durch Studiengebühren finanzieren?

    Prof. Wintermantel: Wir haben ja jetzt in vielen Ländern die Möglichkeit, Studienbeiträge zu erheben. Die Hochschulrektorenkonferenz hat sich hier vor langer Zeit schon positioniert. Wir denken, dass wir diese Studienbeiträge brauchen, aber sie werden nicht die gesamte finanzielle Last ausgleichen können.

    Müller: Haben Sie finanzielle Vorstellungen, was Sie in den nächsten Jahren benötigen?

    Prof. Wintermantel: Es gibt ja Zahlen, die derzeit kursieren. Es gibt Wissenschaftsratszahlen. Ich möchte jetzt keine konkreten Zahlen nennen, weil wir tatsächlich dort noch von einigen Annahmen ausgehen müssen. Wir müssen Berechnungen haben. Wir haben diese Berechnungen. Wir brauchen in den nächsten Jahren mehr Geld. Ich möchte jetzt aber keine konkreten Zahlen dazu nennen.

    Müller: Was spricht dagegen? Sind die Zahlen öffentlich noch nicht bekannt?

    Prof. Wintermantel: Es gibt Zahlenspiele, aber die Frage ist, wie viel Prozent eines Jahrgangs werden studieren. Wie viele zusätzliche Ressourcen brauchen wir für die zweistufigen Studiengänge? Da kann man sich unterschiedliche Berechnungsmodalitäten überlegen und da sind wir noch dabei, uns klar zu werden, mit welchen Zahlen wir in die Verhandlungen gehen können.

    Müller: Frau Wintermantel, wenn wir auf die Qualitätssicherung an deutschen Hochschulen blicken, vielleicht auch Qualitätsverbesserung, sind da die geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren ja auf die Universitäten kommen, das Hauptproblem?

    Prof. Wintermantel: Wir haben zwei Einflussgrößen. Wir haben einfach die demographische Entwicklung und dann haben wir die Notwendigkeit im Bologna-Prozess. Sie wissen: wir sind in einer großen Studienreform an den deutschen Hochschulen. Wir führen dieses zweistufige Bachelor-Master-System ein und wir sehen, dass wir hier zusätzliche Ressourcen brauchen, um diese Ausbildung auf höchstem Niveau durchführen zu können.

    Müller: Das heißt ohne Bundeshilfe, wenn ich Sie richtig verstanden habe, geht das ja gar nicht?

    Prof. Wintermantel: Dieser Meinung sind wir, ja. Das ist aus meiner Sicht vollkommen klar und das sieht die Hochschulrektorenkonferenz so, dass wir die Bundeshilfe brauchen, dass wir Sonderprogramme brauchen. Wir wissen nicht, wie und ob die Länder die Verantwortung für diese zusätzlichen Ressourcen übernehmen können, die bereitgestellt werden müssen.

    Müller: Noch einmal auf die Lehre blickend. Es geht ja darum, die Wissenschaft zu fördern. Das ist das, was auch die Sozialdemokraten sagen, auch die Unionspolitiker anerkennen. Aber kann man heutzutage in der modernen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft noch unterscheiden zwischen Wissenschaft, Lehre und Forschung?

    Prof. Wintermantel: Das ist jetzt eine große Frage. Ich will das mal so beantworten: Wir haben in Deutschland die Ausbildung in den Hochschulen, in den Fachhochschulen und in den Universitäten, wissenschaftsbasiert an neuesten Erkenntnissen orientiert. Wir müssen Wissen schaffen und Wissen vermitteln. Das müssen wir auf einem hohen Niveau tun. Das heißt wir brauchen Forschung und Lehre und es ist schwierig, die beiden Dinge sozusagen in eine Überordnung oder Unterordnung zu bringen. Das wollen wir nicht. Wir brauchen Forschung und wir brauchen forschungsintegrierte Lehre.

    Müller: Professorin Margret Wintermantel war das, Präsidentin der deutschen Hochschulrektorenkonferenz. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Prof. Wintermantel: Bitte sehr. Auf Wiederhören!