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Winzer in Georgien
Fluch und Segen des europäischen Marktes

Mukusani, Zindali, Saperavi – das sind traditionelle Rebsorten aus Georgien. Mit einer geschätzten Keltererfahrung von 8.000 Jahren gilt die kleine Kaukasusrepublik als Wiege der Weinkultur. Seit das Assoziierungsabkommen mit der EU unterschrieben ist, werben georgische Winzer verstärkt um westeuropäische Kunden.

Von Andrea Rehmsmeier | 21.08.2015
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    Die Winzer in Georgien können sich nicht mehr auf den russischen Markt verlassen und werben um westeuropäische Kunden. (picture alliance / dpa)
    Weinberge, soweit das Auge reicht. Kachetinische Weinstraße, so wird die gerade Landstraße genannt, die dem Lauf des Flusses Alazani durch die Bergwelt des Kaukasus folgt. Die fruchtbare Region im Osten Georgiens gilt als die Wiege des Weinanbaus. Von hier aus, heißt es, hat sich die Winzer-Kultur vor Tausenden von Jahren in alle Welt verbreitet.
    "Hier sind wir im Alazani-Tal – das ist die Gegend für gute Trauben! Hier wird der beste Wein Kachetiens angebaut – was sage ich: der beste Wein der ganzen Welt! Hier gibt es keinen Kacheten, der nicht seinen eigenen Weingarten hat – das liegt uns im Blut! Wir haben hier Sonne von allen Seiten, und der Alazani-Fluss bringt die notwendige Feuchtigkeit. Außerdem gibt es fruchtbare Erde, die solche Trauben, solchen Wein hervorbringt."
    Zaza Tschikvaídze ist Winzer. Auf seinem Weingut bauen 13 Mitarbeiter die rote Saperavi-Traube für den Export an. Im September beginnt die Weinlese, das Wetter lässt den gebürtigen Kacheten auf einen guten Ertrag hoffen. Der Verkauf aber bereitet ihm Sorgen. Um auf dem europäischen Markt gegen etablierte Sorten wie Chardonnay, Merlot oder Riesling antreten zu können, hat Zaza einen Kredit aufgenommen. Die EU-Fördergelder und die staatlichen Agrarhilfen für den Kauf eines Traktors und die Modernisierung der Produktionsstätte decken nur einen kleinen Teil der Investitionen ab. Und so fragt er sich, ob das Freihandelsakommen mit Europa wohl genug Umsatz bringen wird, um die Kosten aufzuwiegen?
    "Ich bin viel herumgekommen, auch in Europa. Dort haben doch alle ihre eigenen Weine. Vielleicht probieren die Westeuropäer auch mal ein Gläschen von unseren, wenn sie in Kachetien im Urlaub sind. Aber ich glaube – auch wenn das vielleicht umstritten ist: Der einzige vielversprechende Markt für uns und unsere georgischen Weine - das ist immer noch Russland.
    Georgische Winzer wollen sich nicht mehr auf Russland verlassen müssen
    Russland und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion: Hier sind Weine aus Georgien bekannt und beliebt. Doch für Moskau ist Wein ein Politikum. Im Streit mit dem damaligen Präsidenten Michail Saakaschwili hatte der Kreml zwischen 2006 und 2013 einen Importstopp verhängt. Für Winzer wie Zaza ist das Erschließen neuer Märkte seitdem zur Überlebensfrage geworden. Das weiß auch Juan-Jose Echánove vom Auswärtigen Dienst der Europäischen Union, zuständig für Agrarpolitik zuständig. In den sechs Jahren, die er inzwischen in der georgischen Hauptstadt Tiflis lebt und arbeitet, ist der gebürtige Spanier zum Liebhaber des landestypischen Amphoren-Weins geworden. Bis heute stellen ihn die Georgier nach ihrer Jahrtausende alten Methode her.
    "Dieser Wein ist in jeder erdenklichen Hinsicht besonders. Nicht nur, weil er in Ton-Amphoren reift anstatt wie bei uns in Fässern. Er verhält sich zu unserem europäischen Wein wie der Wolf zum Hund: Er ist eine wilde Version des Weins. Die Beerenhaut, Kerne, alles gärt mit, deswegen enthält er einen hohen Anteil an Gerbstoffen - ein sehr interessanter Wein, sehr frisch. Aber er braucht eine spezielle Art des Marketing."
    Marketing und geprüfte Qualität, das ist die Eintrittskarte für den europäischen Markt. Mit 52 Millionen Euro will die Europäische Union in Georgien landwirtschaftliche Kooperativen fördern. Denn die Umstellung auf europäische Standards bedeutet einen tiefen Eingriff, gibt Echanove zu. Sie betrifft auch den Handel im Inland, wo sich in den ländlichen Regionen Georgiens so gut wie alle Familien mit einer Kuh und ein paar Hühnern, mit einem Garten und einer kleinen Weinplantage durchschlagen. Doch jetzt sollen Hygieneregeln, Kühlketten und Rückverfolgbarkeit auf den regionalen Märkten Einzug halten. Das könnte auch den heimischen Markt für Wein stark verändern.
    "Die Hygieneregeln beim Wein sind sehr leicht umsetzbar – wie bei allen Spirituosen. Ich sehe aber eine andere Gefahr: Werden die großen Fische die kleinen fressen? Die Kleinen verlieren - nicht wegen mangelnder Lebensmittelsicherheit, sondern weil sie weniger investieren können, um mehr und besser zu produzieren."