Donnerstag, 28. März 2024

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Wippl: NSA-Spionage "wird jetzt beendet"

Es werde bald eine Regelung kommen, mit der sich die USA und Deutschland verpflichteten, sich nicht abzuhören, sagt Joseph Wippl, ehemaliger Leiter des Geheimdienstes CIA in Deutschland. Wegen der technischen Möglichkeiten der USA werde es aber niemals eine Beziehung zwischen gleichen sein.

Joseph Wippl im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.11.2013
    Tobias Armbrüster: In Deutschland wird seit Wochen über die deutsch-amerikanischen Beziehungen debattiert. Sie scheinen angeschlagen zu sein, diese Beziehungen, vor allem, seitdem bekannt ist, dass die Amerikaner das Handy von Angela Merkel abgehört haben. Wir haben eine Menge entrüsteter Stimmen gehört in den vergangenen Tagen und Wochen, auch hier im Deutschlandfunk. Was aber denkt man eigentlich in den amerikanischen Geheimdiensten über diese deutsche Debatte?

    Ich hatte gestern Gelegenheit, darüber mit Joseph Wippl zu sprechen. Er war seit den 70er-Jahren immer wieder als leitender Mitarbeiter des Geheimdienstes CIA in Deutschland aktiv, zuletzt während des Irak-Krieges. Heute ist er Geheimdienstexperte an der Universität von Boston. Und ich habe ihn gefragt, ob es ihn überrascht hat, als er von Angela Merkels abgehörtem Handy gehört hat.

    Joseph Wippl: Ja, durchaus. Ich wusste nicht, dass sie Zugang zu diesem Telefon hatten. Andererseits hat es mich auch nicht überrascht, dass das Telefon dann abgehört wurde. Es ist ja für amerikanische Staatsbürger nicht rechtswidrig, Nicht-Amerikaner abzuhören. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um einen Büroangestellten oder um die Kanzlerin handelt. Es ist nicht gegen unser Recht.

    Armbrüster: Viele Politiker in Deutschland fühlen sich jetzt allerdings von ihren amerikanischen Freunden hinters Licht geführt. Ist das für die Geheimdienste in den USA ein Problem?

    Wippl: Ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, es war eine fehlgeleitete Maßnahme, die jetzt beendet werden sollte. Ich glaube, es ist der Zeitpunkt gekommen, wo man dieses Five-Eyes-Bündnis über unsere englischsprachigen Partner hinaus erweitern sollte auf Länder, mit denen wir gute Beziehungen haben, wie zum Beispiel Deutschland.

    Armbrüster: Sehen Sie irgendein Anzeichen dafür, dass diese Überwachungen bald aufhören?

    Wippl: Ja, das glaube ich ohne jeden Zweifel. Deutschland wird ja darauf bestehen, dass das aufhört, und ich glaube, dass das auch bei anderen, bei den meisten westeuropäischen Staaten wie etwa Frankreich beendet wird, mit denen wir gute Beziehungen haben.

    Armbrüster: Und ist es nur die Kanzlerin, die verschont wird, und bei Ministern und anderen Politikern geht das munter weiter?

    Wippl: Das glaube ich nicht. Es wird im Wesentlichen so sein, wie die Situation mit Großbritannien, wo eine Übereinkunft getroffen wird, dass man sich nicht gegenseitig abhört, dass man also nicht deutsche, französische, italienische, niederländische und so weiter Staatsbürger abhört. Ich glaube, diese Art Partnerschaft wird sich in der nächsten Zukunft auf diese Art erweitern.

    Armbrüster: Sie meinen also, die Entrüstung in Deutschland, die ist in den USA angekommen und zeigt jetzt Wirkung?

    Wippl: Ja, genau das wird geschehen. Es gibt eben Maßnahmen, die einen Anfang und ein Ende haben, und genau das wird jetzt hier geschehen, wobei ich nicht sagen will, dass Frau Merkel unbedeutend sei. Nein: Gerade weil sie so wichtig ist, wurde das gemacht. Aber wie auch immer: Es wird jetzt beendet werden.

    Armbrüster: Welche Informationen haben sich die NSA-Mitarbeiter denn eigentlich erhofft, als sie sich Zugang zu Angela Merkels Handy verschafft haben?

    Wippl: Nun, darüber kann ich nur spekulieren. Auch Sie können nur darüber spekulieren. Es gibt eine Reihe von Themen, die Gewicht haben, etwa das Thema Iran, wo Deutschland eine wichtige Rolle in den Verhandlungen spielt, die deutsch-russischen Beziehungen sind seit Jahrhunderten höchst faszinierend, was ist die Position der Kanzlerin zu den Freihandelsgesprächen, in welche Richtung möchte sie die EU bewegen. Das sind Ansichten, die in der Öffentlichkeit auch besprochen werden, aber es gibt daneben auch die privaten, persönlichen Ansichten, und zum besseren Verständnis des anderen ist es notwendig, darüber bescheid zu wissen. Allzu oft vergisst man ja, dass Aufklärung nicht dazu dient, etwas zu tun, sondern etwas besser zu verstehen, und das gilt sowohl für führende Kräfte in einem Land, für das Land selbst, für die Gesellschaft. Das ist wirklich wichtig.

    Armbrüster: Aber heimliche Überwachung ist nicht unbedingt das, was man sich von einem engen politischen Freund erhofft.

    Wippl: Ja, da bin ich mir nicht ganz so sicher. Wenn man die Positionen eines Partners besser verstehen will, kann man ja mit ihm auch besser umgehen. Das sind doch höchst subjektive Faktoren. Ganz oft glauben ja die Menschen oder die Medien, dass Aufklärung was Feindseliges sei. Das ist aber nicht so. Je besser ich die Position des anderen verstehen, desto mehr kann ich mit ihm umgehen. Das hat nichts mit Feindseligkeit zu tun. Aufklärung spielt darin eine wichtige Rolle.

    Armbrüster: Würden die Amerikaner das auch so sehen, wenn sie erfahren würden, dass die Deutschen das Handy von Barack Obama anzapfen?

    Wippl: Na ja, ich glaube, die Amerikaner – und hier kommen wir zum Teil des Problems, weil die USA eben so viel mehr technische Möglichkeiten als alle anderen haben -, die Amerikaner würden sagen, gut, die Deutschen interessieren sich eben für die Standpunkte Präsident Obamas, sie hören ihn ab, aber das würde keine große Empörung hervorrufen. Man würde sagen, ja, sie sind eben an seinen Meinungen interessiert. Er ist ja schließlich der mächtigste Mann der Welt. Aber es ist Teil des Problems, dass die Amerikaner so viel mehr Möglichkeiten im Bereich Nachrichtendienste, im Bereich militärische Rolle, im Bereich finanzpolitische Rolle haben, dass es eigentlich niemals eine Beziehung zwischen gleichen sein kann. Wer weiß, ob nicht vielleicht die Chinesen oder Russen auch versuchen, Präsident Obama zu belauschen. Ich weiß nicht, ob es ihnen gelingt. Aber wenn es gelingt, dann nur, um Nachrichten zu bekommen.

    Armbrüster: Mr. Wippl, als Sie CIA-Chef in Deutschland waren, war es da schon Praxis, dass die amerikanische Botschaft zum Abhören benutzt wurde?

    Wippl: Soweit ich weiß, glaube ich das nicht. Man muss aber sagen, dass es ja allgemein bekannt ist, dass die meisten Botschaften Einrichtungen zur funktechnischen Aufklärung haben. Ich weiß nicht, ob da irgendetwas Bedeutsames herausgekommen ist in meiner Amtszeit und ob ich da irgendwann etwas Stichhaltiges erfahren habe.

    Armbrüster: Es würde Sie also nicht überraschen, wenn die Briten das jetzt genauso machen?

    Wippl: Na ja, die Briten haben ja doch einen recht kraftvoll ausgebauten Nachrichtendienst, angesichts der Größe ihres Landes zwar nicht annähernd so ausgebaut und so stark wie bei den Amerikanern, aber es ist ja kein Wunder. Auch Länder wie Deutschland und Frankreich haben einen sehr leistungsfähigen Nachrichtendienst, und das ist auch in Ordnung so.

    Armbrüster: Wir haben jetzt die Enthüllungen von Edward Snowden. Er hat für uns herausgefunden, dass das Telefon von Angela Merkel abgehört wurde, und viele Politiker würden ihn jetzt gerne weiter befragen, um weitere interessante Informationen von ihm zu bekommen. Wie würde das in den USA ankommen, wenn Snowden bei uns in Deutschland als eine Art Zeuge befragt werden würde?

    Wippl: Na ja, das würde überhaupt nicht gut ankommen. Snowden würde ja, wenn die Amerikaner ihn zu fassen bekämen, sofort verhaftet und vor Gericht gestellt. Er gilt in den USA als Verräter. Es würde also sehr übel aufgenommen, wenn man ihn in Deutschland vernähme. Wenn jemand nach Moskau reisen will, um mit ihm zu sprechen, dann wird sich da keinerlei Einwand erheben, aber wenn er hier in Deutschland ein Asylverfahren bekäme, dann würde das in den USA wirklich als sehr unfreundlicher Akt aufgenommen.

    Armbrüster: Was wären denn die Konsequenzen?

    Wippl: Na ja, die Konsequenzen wären sehr schwerwiegende Konsequenzen im Bereich der diplomatischen Beziehungen und bei den Nachrichtendiensten.

    Armbrüster: Das heißt, Deutschland würde keine wichtigen Geheimdienstinformationen aus den USA mehr bekommen?

    Wippl: Na ja, so weit würde ich nie gehen. Wenn die US-Nachrichtendienste von einem bevorstehenden Angriff auf Deutschland erführen, dann würden sie auch unter den schlimmsten Umständen da Hinweise an Deutschland liefern. Das gilt übrigens auch für Länder wie etwa Russland, mit dem wir auch nicht annähernd so enge Beziehungen haben.

    Armbrüster: Soweit Joseph Wippl, der ehemalige Chef der CIA in Deutschland. Das Gespräch haben wir gestern Abend aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.