Jochen Spengler: Heute und morgen trifft sich die CDU zum Parteitag in Hannover, um dort die Grundsätze für die nächsten Jahre festzulegen. Heute Vormittag wird Angela Merkel eine Grundsatzrede halten, und am Abend soll das neue Grundsatzprogramm, das dritte in der CDU-Geschichte, verabschiedet werden. Das Motto des Parteitages: "Die Mitte." Am Telefon ist Friedbert Pflüger, CDU-Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus und Mitglied des Präsidiums, guten Morgen, Herr Pflüger!
Friebert Pflüger: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Pflüger, die SPD ist auf ihrem Parteitag nach links gerückt, sie relativiert die Agenda 2010. Sollte die CDU jetzt nachrücken und ihr Koordinatensystem ebenfalls nach links verschieben, wie es die Kanzlerin empfohlen haben soll, laut "Spiegel"?
Pflüger: Das hat sie nicht empfohlen, und das wäre auch ein großer Fehler. Die Union wird nicht nach links rutschen, sie wird sich vom Lafontainismus anstecken lassen, der offenbar die SPD voll ergriffen hat, die jetzt vor lauter Angst sich immer weiter nach links bewegt, und das gefährdet, was die Große Koalition bei allen Schwierigkeiten in den letzten zwei Jahren geschafft hat, nämlich wirtschaftlichen Aufschwung, eine Million mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, Entlastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern von Lohnzusatzkosten, die sind unter 40 Prozent gesunken. Und allein der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent, das ist eine ungewöhnliche Leistung. Hier haben wir Versprechen gehalten, haben die Finanzen konsolidiert, das sind große Erfolge. Und die dürfen wir nicht durch neue Verteilungsrunden jetzt gefährden. Es muss das, was verteilt wird, erst erarbeitet werden. Wir halten Kurs, wir bleiben die Partei auch der sozialen Gerechtigkeit, das gehört zur Mitte dazu, aber zunächst muss man erarbeiten, was man verteilt. Und das ist die Botschaft, dass die Union Kurs hält und in der Mitte bleibt.
Spengler: Die CDU hat der Verlängerung des Arbeitslosengeldes zugestimmt., der Rückabwicklung der Agenda 2010. Sie hat zugestimmt den Mindestlohn in der Postbranche, sie hält weitere Mindestlöhne für möglich. Vielleicht muss die CDU nicht mehr nach links rücken, weil sie schon längst gerückt ist.
Pflüger: Aber, ich bitte sie, die Union ist immer die Partei auch der breiten Masse der Menschen in unserem Land gewesen. Soziale Gerechtigkeit ist immer ein Markenzeichen gewesen, wir sind nie für Marktwirtschaft, sondern für Soziale Marktwirtschaft eingetreten und...
Spengler: Aber eine Sozialdemokratisierung entnehmen Sie nicht.
Pflüger: Entschuldigung, die sehe ich überhaupt nicht. Darf ich Ihnen nur einfach sagen, bei der ALG-I- und II-Reform, also bei dem, was man als Hartz heute bezeichnet, ein übrigens schrecklicher Begriff, da ist es doch so gewesen, dass wir gesagt haben, wir machen das, wir wollen, dass diejenigen, die länger eingezahlt haben auch länger nachher Bezugsmöglichkeiten von ALG II haben. Aber wir haben gesagt, das muss man aufkommensneutral machen. Das heißt, es darf nicht mehr kosten, weil wir die Konsolidierung des Haushaltes nicht infrage stellen wollen, weil wir klar sagen, wir können jetzt nicht neue Geschenke verteilen, hat doch mit links nichts zu tun, wenn man für soziale Gerechtigkeit ist, wenn man in der Familienpolitik sagt, wir müssen mehr tun für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen mehr Krippenplätze schafft, das ist doch keine linke Politik, sondern das ist Notwendigkeit, wenn wir für Klimaschutz eintreten. Das ist ein urkonservatives Anliegen. Ich bin stolz darauf, dass wir mit Angela Merkel wieder eine Kanzlerin haben, die dieses Thema weltweit vor sich her trägt und die ganze Welt damit bewegt, das hat doch mit links nichts zu tun, Entschuldigung.
Spengler: Wie erklären Sie sich denn die Kritik innerhalb der eigenen Partei an dem Mindestlohnkompromiss mit den Sozialdemokraten?
Pflüger: Wissen Sie, bei dem Mindestlohnkompromiss kann man ja gerne unterschiedlicher Meinung sein, aber klar ist, dass wir eindeutig sagen, wir sind und bleiben gegen flächendeckende und gesetzlich festgelegte Mindestlöhne. Das ist auch eine populistische Forderung, weil sie zu mehr Arbeitslosigkeit in Deutschland führen wird, weil sie viele Betriebe in den Konkurs treibt. Man kann nicht Betriebe verpflichten, mehr Geld zu bezahlen, als sie einnehmen. Und deshalb sagen wir, Vorfahrt für die Tarifautonomie. Das ist unser Kennzeichen, das haben wir, nur wir in Deutschland, nicht die anderen in Europa haben das, und deswegen sollten wir sagen, faire Einkommen ja, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände, die müssen entscheiden, und das ist hier passiert, hier haben bei der Post, die Mehrheit der Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert, in dem Verband, der hier einen Tarifvertrag abgeschlossen hat und dann haben die den Antrag gestellt, zu Allgemeinverbindlichkeitserklärung, dem hat die Bundesregierung zugestimmt. Da kann man auch anderer Meinung sein, aber das hat mit links wenig zu tun, wenn man sagt, Vorfahrt für Tarifautonomie und nicht gesetzliche Festschreibung von Löhnen.
Spengler: Früher hieß es bei der CDU: Sozial ist das, was Arbeit schafft. Und heute heißt es, man muss von der Arbeit auch leben können. Das ist was Anderes. Vernichtet die CDU nicht Arbeitsplätze, indem sie den Mindestlohn mit einführt?
Pflüger: Ich darf es noch mal sagen, wir sind im Gegensatz zur Sozialdemokratie, und werden dafür ja auch geprügelt, das ist ja nicht sehr populär, dass wir sagen, wir sind dagegen, dass man vom Staat festschreibt, jeder in Deutschland, gleich wo er lebt in Ost und West, in Nord oder Süd, gleich welcher Branche er arbeitet, kriegt gleich viel Mindestlohn, sondern wir sagen, lasst uns das doch branchenspezifisch alles diskutieren. Dafür haben wir doch die Tarifautonomie als Instrument. Das heißt nicht Sozialdemokratisierung. Wissen Sie, auch die anderen Themen, wir reden in dem Grundsatzprogramm von einer Leitkultur, wir sagen, dass jeder, der in Deutschland lebt, willkommen ist, wenn er bereit ist, die deutsche Sprache zu lernen und unser Grundgesetz und die Werte unseres Landes anerkennt und nicht hier das Grundgesetz durch die Scharia ersetzen will, das hat doch mit Sozialdemokratisierung oder Verschiebung des Wertesystems nichts zu tun.
Spengler: Braucht das Land jetzt eine Reformpause, Herr Pflüger?
Pflüger: Nein, sondern, das können wir uns gar nicht leisten, weil: Wir leben in einem globalen Wettbewerb. Wir stehen wahrscheinlich kurz vor neuen, konjunkturellen Schwierigkeiten aus Amerika kommend.
Moderator: Welche Reform will die CDU noch durchsetzen?
Pflüger: Nun, wir haben zwei Jahre Große Koalition vor uns, und ich hoffe sehr, dass wir mit den Sozialdemokraten...
Spengler: zwei noch...
Pflüger: ...zwei Jahre große Koalition noch vor uns, und ich glaube, dass es darauf ankommt, jetzt nach diesen Aufgeregtheiten der Wahlkämpfe in Hessen und Niedersachsen vor allen Dingen, die ganz natürlich sind, wieder ganz normal weiterarbeiten. Und dann ist noch viel vor uns: Pflegeversicherung, die ganzen Erbschaftsfragen, dann ganz wichtig die ganze Frage des Länderfinanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Wir haben eine Riesenagenda vor uns, und ich hoffe sehr, dass die SPD nicht wackelt, dass sie ein verlässlicher Partner bleibt. Wir bleiben in der Mitte. Und ich kann nur sagen, wer dem Lafontainschen Sozialpopulismus hinterherläuft, der schadet dem Land, der schadet aber auch den Interessen seiner Partei und deswegen die Aufforderung an die SPD, zur Ruhe und Sachlichkeit zurückzukehren. Die Union jedenfalls wird Kurs halten, das wird dieser Parteitag der Mitte ganz klar unterstreichen.
Spengler: Friedbert Pflüger, CDU-Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, herzlichen Dank für das Gespräch.
Pflüger: Sehr gern.
Friebert Pflüger: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Pflüger, die SPD ist auf ihrem Parteitag nach links gerückt, sie relativiert die Agenda 2010. Sollte die CDU jetzt nachrücken und ihr Koordinatensystem ebenfalls nach links verschieben, wie es die Kanzlerin empfohlen haben soll, laut "Spiegel"?
Pflüger: Das hat sie nicht empfohlen, und das wäre auch ein großer Fehler. Die Union wird nicht nach links rutschen, sie wird sich vom Lafontainismus anstecken lassen, der offenbar die SPD voll ergriffen hat, die jetzt vor lauter Angst sich immer weiter nach links bewegt, und das gefährdet, was die Große Koalition bei allen Schwierigkeiten in den letzten zwei Jahren geschafft hat, nämlich wirtschaftlichen Aufschwung, eine Million mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, Entlastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern von Lohnzusatzkosten, die sind unter 40 Prozent gesunken. Und allein der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent, das ist eine ungewöhnliche Leistung. Hier haben wir Versprechen gehalten, haben die Finanzen konsolidiert, das sind große Erfolge. Und die dürfen wir nicht durch neue Verteilungsrunden jetzt gefährden. Es muss das, was verteilt wird, erst erarbeitet werden. Wir halten Kurs, wir bleiben die Partei auch der sozialen Gerechtigkeit, das gehört zur Mitte dazu, aber zunächst muss man erarbeiten, was man verteilt. Und das ist die Botschaft, dass die Union Kurs hält und in der Mitte bleibt.
Spengler: Die CDU hat der Verlängerung des Arbeitslosengeldes zugestimmt., der Rückabwicklung der Agenda 2010. Sie hat zugestimmt den Mindestlohn in der Postbranche, sie hält weitere Mindestlöhne für möglich. Vielleicht muss die CDU nicht mehr nach links rücken, weil sie schon längst gerückt ist.
Pflüger: Aber, ich bitte sie, die Union ist immer die Partei auch der breiten Masse der Menschen in unserem Land gewesen. Soziale Gerechtigkeit ist immer ein Markenzeichen gewesen, wir sind nie für Marktwirtschaft, sondern für Soziale Marktwirtschaft eingetreten und...
Spengler: Aber eine Sozialdemokratisierung entnehmen Sie nicht.
Pflüger: Entschuldigung, die sehe ich überhaupt nicht. Darf ich Ihnen nur einfach sagen, bei der ALG-I- und II-Reform, also bei dem, was man als Hartz heute bezeichnet, ein übrigens schrecklicher Begriff, da ist es doch so gewesen, dass wir gesagt haben, wir machen das, wir wollen, dass diejenigen, die länger eingezahlt haben auch länger nachher Bezugsmöglichkeiten von ALG II haben. Aber wir haben gesagt, das muss man aufkommensneutral machen. Das heißt, es darf nicht mehr kosten, weil wir die Konsolidierung des Haushaltes nicht infrage stellen wollen, weil wir klar sagen, wir können jetzt nicht neue Geschenke verteilen, hat doch mit links nichts zu tun, wenn man für soziale Gerechtigkeit ist, wenn man in der Familienpolitik sagt, wir müssen mehr tun für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen mehr Krippenplätze schafft, das ist doch keine linke Politik, sondern das ist Notwendigkeit, wenn wir für Klimaschutz eintreten. Das ist ein urkonservatives Anliegen. Ich bin stolz darauf, dass wir mit Angela Merkel wieder eine Kanzlerin haben, die dieses Thema weltweit vor sich her trägt und die ganze Welt damit bewegt, das hat doch mit links nichts zu tun, Entschuldigung.
Spengler: Wie erklären Sie sich denn die Kritik innerhalb der eigenen Partei an dem Mindestlohnkompromiss mit den Sozialdemokraten?
Pflüger: Wissen Sie, bei dem Mindestlohnkompromiss kann man ja gerne unterschiedlicher Meinung sein, aber klar ist, dass wir eindeutig sagen, wir sind und bleiben gegen flächendeckende und gesetzlich festgelegte Mindestlöhne. Das ist auch eine populistische Forderung, weil sie zu mehr Arbeitslosigkeit in Deutschland führen wird, weil sie viele Betriebe in den Konkurs treibt. Man kann nicht Betriebe verpflichten, mehr Geld zu bezahlen, als sie einnehmen. Und deshalb sagen wir, Vorfahrt für die Tarifautonomie. Das ist unser Kennzeichen, das haben wir, nur wir in Deutschland, nicht die anderen in Europa haben das, und deswegen sollten wir sagen, faire Einkommen ja, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände, die müssen entscheiden, und das ist hier passiert, hier haben bei der Post, die Mehrheit der Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert, in dem Verband, der hier einen Tarifvertrag abgeschlossen hat und dann haben die den Antrag gestellt, zu Allgemeinverbindlichkeitserklärung, dem hat die Bundesregierung zugestimmt. Da kann man auch anderer Meinung sein, aber das hat mit links wenig zu tun, wenn man sagt, Vorfahrt für Tarifautonomie und nicht gesetzliche Festschreibung von Löhnen.
Spengler: Früher hieß es bei der CDU: Sozial ist das, was Arbeit schafft. Und heute heißt es, man muss von der Arbeit auch leben können. Das ist was Anderes. Vernichtet die CDU nicht Arbeitsplätze, indem sie den Mindestlohn mit einführt?
Pflüger: Ich darf es noch mal sagen, wir sind im Gegensatz zur Sozialdemokratie, und werden dafür ja auch geprügelt, das ist ja nicht sehr populär, dass wir sagen, wir sind dagegen, dass man vom Staat festschreibt, jeder in Deutschland, gleich wo er lebt in Ost und West, in Nord oder Süd, gleich welcher Branche er arbeitet, kriegt gleich viel Mindestlohn, sondern wir sagen, lasst uns das doch branchenspezifisch alles diskutieren. Dafür haben wir doch die Tarifautonomie als Instrument. Das heißt nicht Sozialdemokratisierung. Wissen Sie, auch die anderen Themen, wir reden in dem Grundsatzprogramm von einer Leitkultur, wir sagen, dass jeder, der in Deutschland lebt, willkommen ist, wenn er bereit ist, die deutsche Sprache zu lernen und unser Grundgesetz und die Werte unseres Landes anerkennt und nicht hier das Grundgesetz durch die Scharia ersetzen will, das hat doch mit Sozialdemokratisierung oder Verschiebung des Wertesystems nichts zu tun.
Spengler: Braucht das Land jetzt eine Reformpause, Herr Pflüger?
Pflüger: Nein, sondern, das können wir uns gar nicht leisten, weil: Wir leben in einem globalen Wettbewerb. Wir stehen wahrscheinlich kurz vor neuen, konjunkturellen Schwierigkeiten aus Amerika kommend.
Moderator: Welche Reform will die CDU noch durchsetzen?
Pflüger: Nun, wir haben zwei Jahre Große Koalition vor uns, und ich hoffe sehr, dass wir mit den Sozialdemokraten...
Spengler: zwei noch...
Pflüger: ...zwei Jahre große Koalition noch vor uns, und ich glaube, dass es darauf ankommt, jetzt nach diesen Aufgeregtheiten der Wahlkämpfe in Hessen und Niedersachsen vor allen Dingen, die ganz natürlich sind, wieder ganz normal weiterarbeiten. Und dann ist noch viel vor uns: Pflegeversicherung, die ganzen Erbschaftsfragen, dann ganz wichtig die ganze Frage des Länderfinanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Wir haben eine Riesenagenda vor uns, und ich hoffe sehr, dass die SPD nicht wackelt, dass sie ein verlässlicher Partner bleibt. Wir bleiben in der Mitte. Und ich kann nur sagen, wer dem Lafontainschen Sozialpopulismus hinterherläuft, der schadet dem Land, der schadet aber auch den Interessen seiner Partei und deswegen die Aufforderung an die SPD, zur Ruhe und Sachlichkeit zurückzukehren. Die Union jedenfalls wird Kurs halten, das wird dieser Parteitag der Mitte ganz klar unterstreichen.
Spengler: Friedbert Pflüger, CDU-Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, herzlichen Dank für das Gespräch.
Pflüger: Sehr gern.