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"Wir brauchen dringend fairen Wettbewerb zwischen den Häfen"

Der CDU-Europapolitiker Georg Jarzembowski hat die geplante Liberalisierung der Hafendienste verteidigt. In einigen Häfen herrschten monopolartige Strukturen, sagte Jarzembowski. Mehr Wettbewerb sei deshalb dringend nötig. Befürchtungen, die entsprechende Richtlinie der Europäischen Kommission werde zu Massenentlassungen und Lohndumping führen, bezeichnete er als völlig übertrieben.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Tausende Hafenarbeiter demonstrierten in den letzten Tagen europaweit, zum Teil auch gewaltsam. Ihr Protest hat einen Anlass: die geplante Hafenrichtlinie der EU, das so genannte "Port Package II". Dieses EU-Gesetz steht heute zur Abstimmung im Strassburger Europaparlament.

    Wir sind nun telefonisch verbunden mit dem christdemokratischen Europaabgeordneten Georg Jarzembowski, einem einsamen Kämpfer für die Richtlinie. Er ist der Berichterstatter für die Richtlinie. Das heißt er hat sich federführend für das Parlament mit dem Vorschlag der EU-Kommission befasst. Er hat Verbesserungsvorschläge eingefügt und ins Parlament eingebracht. Guten Morgen Herr Jarzembowski!

    Georg Jarzembowski: Guten Morgen! - Einsam bin ich keineswegs. Die Mehrheit der Christdemokraten wird meinen Vorschlägen folgen. Wir brauchen dringend fairen Wettbewerb zwischen den Häfen. Da sind einige Häfen dabei, die unzulässigerweise mit staatlichen Subventionen den Wettbewerb verzerren. Und wir brauchen den Marktzugang für neue Unternehmer, denn es gibt einige Häfen in den 20 Staaten der 25 Staaten der EU, die Küstenstreifen haben, wo monopolartige Strukturen sind, wo die Reeder schlechte Leistung für teures Geld bezahlen müssen. Hier brauchen wir also neuen Wettbewerb.

    Spengler: Das ist schlecht heute? Es gibt zu hohe Preise? Es gibt wenig Wettbewerb? Es gibt schlechte Leistungen?

    Jarzembowski: Man muss das ganz differenziert sehen. In den meisten Häfen in Nordeuropa ist die Situation sehr effizient, aber es gibt in Nordeuropa, aber auch in Südeuropa einige Häfen, die geschlossen sind durch monopolartige Strukturen, wo die Reeder auf eine Schwierigkeit stoßen, dass sie schlechte Leistung für teures Geld einkaufen müssen.

    Außerdem wollen wir in Europa ja, dass jeder Unternehmer tätig werden kann. Dazu muss man ihm die Chance geben, überhaupt in den Markt einzutreten. Deshalb sind wir dafür, dass öffentliche Hafenflächen alle 30 oder 40 Jahre ausgeschrieben werden müssen, so dass das effizienteste Unternehmen, was bereit ist, zu Gunsten der Steuerzahler die höchste Pacht zu zahlen, die Chance bekommt, in den Markt einzutreten.

    Spengler: Wie ist es denn heute? Wird heute nicht ausgeschrieben?

    Jarzembowski: Heutzutage ist es so, dass meistens die Hafenverwaltungen mit dem Bestehenden oder einzelnen Neuen hinter verschlossenen Türen entscheiden, wer in dem Hafen tätig werden kann. Es gibt keine Transparenz, keine Öffentlichkeit und das führt dazu, dass viele Unternehmer, die einsteigen wollen, entweder indem sie Schlepperleistungen, Festmacherleistungen oder Containerumschlag anbieten wollen, überhaupt keine Chance haben, im Hafen ihre Tätigkeit ausüben zu können.

    Spengler: Was hätten wir denn davon, wenn dort viele neue Unternehmer einstiegen?

    Jarzembowski: Die deutsche Wirtschaft, zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie, ist heftig für diese Marktöffnungsrichtlinie, weil die deutsche Wirtschaft zurecht sagt, wir müssen unsere Rohstoffe importieren, wir müssen unsere Produkte exportieren, wir brauchen effiziente Häfen, die kostengünstig arbeiten. Deshalb muss es auch Wettbewerb im einzelnen Hafen geben und der Wettbewerb zwischen den Häfen muss fair sein.

    Spengler: Es heißt ja immer, wenn künftig ausgeschrieben werden sollte, wenn dann auch befristet ausgeschrieben werden sollte, dass der Preiswerteste den Zuschlag bekommt. Da befürchten die Arbeiter und die Gewerkschaften nicht zu Unrecht Sozialdumping. Das heißt Tausende sichere und ganz gut bezahlte Jobs könnte dann wegfallen und durch Niedriglöhne ersetzt werden. Das lehrt doch die Erfahrung auch anderswo, dass das genauso kommen kann.

    Jarzembowski: Das ist überhaupt nicht der Fall. Diese Richtlinie greift nicht in die Tarifautonomie ein. Sie greift nicht in die Arbeitsschutzvorschriften ein. Wir haben Beispiele, wo Firmen mit asiatischem Hintergrund groß eingestiegen sind in Rotterdam und Antwerpen und das hat zu keinen Massenentlassungen geführt, zu keinem Lohndumping geführt. Diese Befürchtungen sind völlig übertrieben, zumal wir, alle Fraktionen im Europäischen Parlament und ich als Berichterstatter, die Selbstabfertigung, die vorgesehen war von der Kommission, ablehnen.

    Spengler: Das müssten Sie noch mal genau erklären. Was lehnen Sie ab, die Selbstabfertigung? Was ist damit gemeint?

    Jarzembowski: Die Selbstabfertigung bedeutet, dass der Reeder sein Schiff mit eigenem Gerät und eigenem Personal ent- und beladen kann und auf die Hafenarbeiter gar nicht angewiesen ist.

    Spengler: Das hatte die EU-Kommission ursprünglich vor?

    Jarzembowski: Ja. Das habe ich aber als Berichterstatter schon letzten Sommer vorgeschlagen, rauszunehmen, und alle Fraktionen sind sich einig, zumal es so ist, dass in dem wichtigsten Bereich der Häfen, in der Container-Schifffahrt, Selbstabfertigung gar nicht möglich ist, denn kein Schiff der modernen Container-Kategorie hat überhaupt Ladegeschirr. Das heißt die Selbstabfertigung ist für den entscheidenden Bereich überhaupt faktisch nicht möglich. Deshalb waren wir uns alle einig, dass wir die Selbstabfertigung streichen würden. Insofern haben auch die Gewerkschaften bei ihren Streiks mit falschen Argumenten gearbeitet, denn das Parlament war völlig einig, dass wir die Selbstabfertigung aus den europäischen Vorschriften streichen würden.

    Spengler: Lassen Sie uns trotzdem einen Moment bei den Arbeitsplätzen bleiben beziehungsweise dahin zurückkehren. Es ist doch völlig klar, wenn es neue Firmen gibt, die aufgrund von Ausschreibungen neue Aufträge bekommen, dass es keine Beschäftigungsgarantie für die jetzt im Hafen Beschäftigten gibt?

    Jarzembowski: Erstens habe ich Übergangsvorschriften bis zu 46 Jahren vorgeschlagen. Das heißt, dass die bestehenden Betriebe überhaupt nicht in ihrer Existenz gefährdet sind und kein einziger Arbeitsplatz gefährdet ist. Wenn man aber öffentliche Hafenflächen hat, dann ist es logisch, dass der Staat diese Flächen nicht auf 100 oder 200 Jahre vergibt, sondern immer auf 30 oder 40 Jahre vergibt und dass natürlich bei einer Verpachtung eines öffentlichen Geländes die Stadt die Möglichkeit haben muss zu sagen, ich verlängere einen Vertrag nicht, sondern da kommt ein anderes Hafenunternehmen, was für meine Stadt bessere Dienstleistungen zu höheren Pachtsätzen bereit ist anzubieten. Da muss die Freiheit der Stadt und Region natürlich bestehen bleiben!

    Spengler: Warum wollen die das denn nicht, die Städte zum Beispiel?

    Jarzembowski: Na ja, es gibt in manchen Bereichen so eine Art Kumpanei zwischen den Stadtverwaltungen und den ansässigen Hafenunternehmen nach dem Motto, wir regeln das alles hinter verschlossenen Türen, wir wollen keine europaweite Ausschreibungen.

    Spengler: Man könnte aber auch positiv sagen, das ist ein eingespieltes Team, das funktioniert alles und das wollen Sie nun zerschlagen?

    Jarzembowski: Ja, aber sehen Sie mal, es ist ein eingespieltes Team zu Lasten der Verbraucher, denn wir haben in einigen Häfen Monopolsituationen, wo zu überhöhten Kosten für den Verbraucher die Situation so ist, dass die Reeder im Grunde genommen zu hohe Entgelte zahlen müssen, die sie natürlich an den Verbraucher weitergeben müssen. Hier gibt es ein verstecktes Zusammenarbeiten zu Lasten des Verbrauchers, weil die Häfen eben nicht so kostengünstig sind, wie sie sein könnten.

    Spengler: Herr Jarzembowski, nun sagen die Unternehmer und die Gewerkschaften unisono, wir haben genügend Wettbewerb zwischen den Häfen, zwischen Bremen, Antwerpen und Rotterdam, und das merken wir daran, dass die Preise in den europäischen Häfen halb so hoch sind wie in Amerika und nur ein Drittel so hoch wie in China. Wo fehlt es da an Wettbewerb?

    Jarzembowski: Ihre Grundaussage stimmt nicht. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Europäische Verband der Industrie haben sich gerade dahingehend geäußert. Sie sagen, es gibt nicht genügend Marktzugangsmöglichkeiten und nicht genügend Wettbewerb. Wir wollen eine Marktöffnungsregelung durch eine europäische Gesetzgebung.

    Spengler: Aber dass die Preise niedriger sind, das bestreiten Sie nicht?

    Jarzembowski: Das ist ja kein Vergleich. Sie können ja Äpfel mit Birnen nicht vergleichen. Es geht hier um die Frage, ob in Europa unsere Häfen noch effizienter sein könnten als sie sind. Es ist ganz eindeutig, dass in einigen Teilen der Europäischen Union durch Monopole, die in den Häfen bestehen, die Kosten zu hoch und die Leistungen zu schlecht sind. Wenn die Hafenunternehmer so mutig sind, wie sie normalerweise sind, dann müssen sie doch keine Angst haben, sich dem Wettbewerb in einer Ausschreibung zu stellen.

    Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch! – Das war Georg Jarzembowski, der christdemokratische Europaabgeordnete und Berichterstatter für die Hafenrichtlinie.a