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"Wir brauchen eben eine Umgestaltung"

Michail Gorbatschow, einstiger Präsident der Sowjetunion, war der Wegbereiter zur Auflösung des sowjetsozialistischen Systems. Seine Ideen zu einer neuen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung veränderten den einstigen Ostblock nachhaltig. Doch so offenkundig notwendig seine Reformen auch waren - ihre Vollendung lässt auf sich warten.

Von Klaus Kuntze | 28.01.2012
    "Auf dem Weg demokratischer Umgestaltungen wurde ein Durchbruch erzielt. Freie Wahlen, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, demokratische Institutionen und Mehrparteiensystem wurden Wirklichkeit. Menschenrechte wurden als das oberste Prinzip anerkannt. Die Bewegung zu einer Wirtschaft mit verschiedenen Eigentumsformen und deren Verbreitung setzten ein. Das Wettrüsten und die wahnwitzige Militarisierung unseres Landes, die unsere Wirtschaft, das gesellschaftliche Bewusstsein und die Moral verunstaltet hatten, wurden zum Stehen gebracht."

    Ende Dezember 1991 blickte Michail Gorbatschow auf seine Arbeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei und zuletzt auch Präsident der Sowjetunion zurück. Ende des Wettrüstens, Glasnost und Perestroika – das war vordergründig eine Bilanz, die sich hören lassen konnte. Tatsächlich aber war Gorbatschows Rede nichts anderes als ein Requiem auf die zerfallene rote Supermacht und sein eigenes Scheitern:

    "Aufgrund der entstandenen Situation durch die Bildung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten beende ich meine Tätigkeit als Präsident der Republik."

    Knapp sechs Jahre zuvor war Gorbatschow zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt worden. Wie all seinen Vorgängern fiel ihm damit eine fast uneingeschränkte Autorität zu. Der gelernte Mähdreschermechaniker war bei seinem Amtsantritt 1985 vierundfünfzig Jahre alt und hatte in seiner makellosen Parteikarriere die Überzeugung bewahrt, dass die Kommunistische Partei allein die Kraft und Mittel besitze, um den Sozialismus zu verwirklichen. Zugleich aber war Gorbatschow intelligent genug, um zu erkennen, dass es der Sowjetunion vor allem wirtschaftlich immer schwerer fiel, die nach dem Zweiten Weltkrieg errungene Vormachtstellung in Osteuropa zu behaupten und zugleich der zweiten Supermacht, den Vereinigten Staaten von Amerika, im Kampf der Systeme die Stirn zu bieten.

    "Im Prinzip waren sich die oberste Führung und auch der Parteiapparat im weiteren Sinne selbstverständlich darüber im Klaren, woher man kam, und was in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschehen war, bzw. eben nicht geschehen war. Die Vorstellung davon, dass man über viele Jahre die Probleme unter den Teppich gekehrt hatte, die Vorstellung davon, dass viele notwendige Reformschritte versäumt worden waren, war allgemeine Überzeugung. Insofern war Breschnews Erbe der Führung und den Menschen an den Hebeln durchaus gegenwärtig."

    Konstatiert der Ostwissenschaftler Professor Gerhart Simon. Die Katastrophe von Tschernobyl im April 1986 und die ebenso katastrophalen Informationspannen bezüglich ihres Ausmaßes nutzte der Generalsekretär als Mittel zum Zweck, mit einer umfassenden Rede vor dem Zentralkomitee der Partei am 27. Januar 1987 die entscheidende Etappe seiner Reformpolitik einzuleiten. Werbend, fast beschwörend fasste er zum Abschluss seine Botschaft in einem Satz zusammen.

    "Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen."

    Doch war Gorbatschows Ruf nach Demokratie, um genau zu sein: nach "sozialistischer Demokratie" - überhaupt zu verwirklichen?

    "Was sollte man darunter verstehen? Doch offenbar eine Mischung von einerseits hergebrachten Sozialismus-Vorstellungen, auf der anderen Seite gemischt aber mit demokratischen Einsprengseln. Im Grunde genommen konnte das nicht funktionieren. Was Gorbatschow erreicht hat, ist aber nicht sozialistische Demokratie, sondern der Zusammenbruch des sowjetischen Systems."

    Doch dieser Zusammenbruch vollzog sich endgültig erst im Dezember 1991. Bis dahin sollte Gorbatschow sechs Jahre lang versuchen, die Übel der Breschnewschen Stagnationszeit zu überwinden, die das Land in eine bleierne Lethargie gestürzt hatten: mangelnde Produktivität, Rohstoffverschwendung, die zugunsten der Aufrüstung vernachlässigte Modernisierung der zivilen Wirtschaft – und die gesellschaftlichen Symptome dieser Stagnation: sinkender Lebensstandard, mangelnde Arbeitsdisziplin, Flucht in Alkohol, politisches Desinteresse, Verfolgung Andersdenkender, Zensur, Gängelung der Künstler – und all dies begleitet von einer ebenso dröhnenden wie verlogenen Propaganda. Ende der 70er-Jahre hatte sich die Lage durch den eskalierenden Rüstungswettlauf, den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan und das immer kostspieligere Engagement der Sowjetunion in der Dritten Welt weiter verschärft. Gorbatschow versuchte erstmals 1986 in Reykjavik, mit den USA in ernsthafte Abrüstungsverhandlungen zu treten, um sein Land zu entlasten. Auch innenpolitisch entfaltete er erste Aktivitäten.

    "Unmittelbar nach seinem Machtantritt versuchten Gorbatschow und seine Mannschaft, sich genauen Überblick zu verschaffen über die ökonomische Situation und machten Vorschläge darüber, wie man die Sowjetwirtschaft wieder in Gang kriegen könnte. Das waren zunächst einmal Vorschläge, die weit ab von revolutionären Veränderungen standen, sondern das waren Vorschläge sozusagen inner-systemare Versuche, die Sowjetwirtschaft wieder in Gang zu bringen mit administrativen Maßnahmen, Neuorganisation von Ministerien, Neuschaffung von Bürokratien, stärkere Kontrolle der Produktion und dergleichen administrative Maßnahmen mehr. Sie fingen an, ja, so wie es
    hergebracht war, so wie es auch in früheren Jahren und Jahrzehnten immer versucht worden ist, die sowjetische Wirtschaft wieder unter Dampf zu setzen."

    Doch schon knapp zwei Jahre nach seinem Amtsantritt musste Gorbatschow erkennen, dass technokratische Mittel, dass Beschleunigen und Rationalisieren wenig bewirkt hatten.

    "Dann war der nächste Schritt, zu sagen: Okay - also mit den alten Kadern geht das offenbar nicht, wir können die alten Kader nicht dazu bringen, dass sie die Ärmel raufkrempeln. Und das ist wohl der entscheidende Grund dafür, dass Gorbatschow dann bei dem ZK-Plenum, über das wir heute sprechen, so starken Nachdruck darauf gelegt hat, in der sicherlich zutreffenden Erkenntnis, dass man neue Leute braucht, um eine neue Politik zu machen. "

    Wenn er glaubwürdig sein wollte und ernsthaft an der Durchsetzung von Reformen interessiert war, so musste Gorbatschow dieses Plenum, das an Befehlsempfang und Routine gewöhnt war, überzeugen und motivieren. Aber zuerst hatte die geplante Rede Gorbatschows über "Die Umgestaltung/Perestroika und die Kaderpolitik der Partei" eine letzte Hürde zu nehmen: Das Politbüro mit seinen 14 Vollmitgliedern, darunter der ehemalige Außenminister, Andrej Gromyko, der Gorbatschow nach dem Tod Konstantin Tschernenkos zum Generalsekretär vorgeschlagen hatte – und den sechs Kandidaten, darunter auch Boris Jelzin. Vadim Medwedjew, ein Mitarbeiter aus dem engeren Kreis Gorbatschows, erinnert sich.

    "Alle äußerten nicht nur zustimmende, sondern auch tief greifende Beurteilungen der Rede, wenngleich die Motive, denke ich, unterschiedlich waren: die einen – ehrlich, während die anderen – nach alter und unguter Tradition - die Führung in Allem unterstützten."

    Medwedjew erinnert sich auch daran, dass Boris Jelzin schon damals aus dem Kreis der Abnicker ausbrach.

    "Auf vielen Ebenen findet weder eine Gesundung noch eine Umgestaltung statt. Wir arbeiten eben immer noch mit dem Druck, der vom ZK ausgeübt wird. Kritik verläuft im Wesentlichen von oben nach unten."

    Weil er sich angegriffen fühlte, antwortete Gorbatschow.

    "Wir brauchen eben eine Umgestaltung, die Perestroika, und nicht irgendeine Herumrüttelei.""

    Das Plenum des Zentralkomitees wurde schließlich für Ende Januar 1987 einberufen. Als Gorbatschow sprach, trauten viele ZK-Mitglieder ihren Ohren nicht. Zwar eröffnete der Generalsekretär seine Rede mit den üblichen Elogen auf Staat, Partei und Volk:

    "Unsere Leistungen sind gewaltig und unbestreitbar, und die sowjetischen Menschen sind zu Recht stolz auf ihre Erfolge."

    Doch nach einigen weiteren Lagen Zucker auf das Brot folgte die Peitsche. Wie hatte Gorbatschows Mentor, Andrej Gromyko, notiert?

    "Die seltene Gabe der Überzeugungskraft ist ihm geradezu in die Wiege gelegt worden. Ist er von der Richtigkeit seiner Meinung überzeugt, so versteht er es, sie mit zahllosen Argumenten zu belegen, die er nacheinander in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit entfaltet."

    Das erfuhren alsbald auch die Genossen im ZK-Plenum. Denn da äußerte der Generalsekretär in dieser Weise nie gehörte Sätze.

    "Die Wirtschaft ist der entscheidende Lebensbereich der Gesellschaft. Aus diesem Grunde ist die Weiterentwicklung der Demokratie in der Produktion die wichtigste Richtung bei der Vertiefung und Erweiterung der sozialistischen Demokratie insgesamt. Es ist dies der Hebel, der die breite und engagierte Mitwirkung der Werktätigen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sichern hilft und es ermöglichen wird, viele Fehler und Irrtümer zu vermeiden."

    Vordergründig war dies noch nichts Neues, war doch der Begriff der "sozialistischen Demokratie" jahrzehntelang als Deckmäntelchen für die Diktatur von oben nach unten missbraucht worden. Doch Gorbatschow nahm den Begriff beim Wort – ebenso wie das Stalin-Zitat "Die Kader entscheiden alles".

    "Wenn das Wohl und Wehe eines Kollektivs von den Fähigkeiten der leitenden Kader abhängig gemacht wird, dann müssen die Werktätigen auch die reale Möglichkeit besitzen, auf ihre Wahl Einfluss zu nehmen. Wie alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Institutionen kann das Wahlsystem nicht in erstarrtem Zustand verharren. Konkret geht es in den meisten Vorschlägen darum, dass auf den Wählerversammlungen in den Arbeitskollektiven und Wohngebieten sowie auf Wählerforen in der Regel über mehrere Kandidatenvorschläge beraten werden sollte. Es wird vorgeschlagen, die Wahlkreise zu vergrößern und in jedem mehrere Abgeordnete zu wählen. Die Wahlhandlung muss vom Formalismus befreit werden. Es ist völlig natürlich, dass im Zuge der weiteren Demokratisierung der sowjetischen Gesellschaft auch Fragen der Erweiterung der innerparteilichen Demokratie erörtert werden müssen."

    Der Atomphysiker und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow, ein unbeirrbarer Kämpfer für die Menschenrechte, dessen Verbannung Gorbatschow im Dezember 1986 beendet hatte, zeigte sich indes skeptisch über die Chancen einer Demokratisierung a la Gorbatschow:

    "Die Hauptursache scheint mir in der allgemeinen Trägheit des gigantischen Systems zu liegen, in dem passiven und aktiven Widerstand einer kaum zu zählenden Armee von bürokratischen und ideologischen Schwätzern, denn bei einer unverfälschten Perestroika würden die meisten von ihnen arbeitslos werden. Zudem ist nicht völlig auszuschließen, dass sich Gorbatschow und seine engsten Mitarbeiter noch nicht völlig von den Vorurteilen und Dogmen des Systems, das sie umgestalten wollen, freigemacht haben."

    Die Bevölkerung der Sowjetunion wiederum maß Gorbatschows Reformen in erster Linie daran, wie sich der Lebensstandard veränderte. Raissa Orlowa, die Frau des Dissidenten Lew Kopelew, beobachtete 1987:

    "Es gibt Widerstand auf allen Ebenen, es ist Gewohnheit, es ist Sumpf. Es ist auch: Viele Menschen haben verloren die Hoffnungen. Zu viele Enttäuschungen. Auch das alltägliche Leben ist nicht geändert bis heute. In Schlangen stehen bis heute, es gibt zum Beispiel keinen Kaffee in Moskau bis heute. Man muss sehr viel Zeit verlieren, um einfach das Alltagsleben zu schaffen."

    Der zweite Schlüsselbegriff der Reformen hieß Glasnost, also soviel wie: Offenheit, Redefreiheit, Informationsfreiheit. Glasnost sollte ursprünglich als Korrektiv, als Stütze für den Umbau dienen.

    "Auf einmal fingen die Menschen an, die Zeitungen, die sie vorher in den Papierkorb geworfen haben, zu lesen, nicht nur zu lesen, die Menschen bestellten zu Millionen diese Zeitschriften, in denen auf einmal wahnsinnig interessante Dinge standen - und lasen das wirklich. Das war Glasnost. Da war davon die Rede, wie steht es wirklich mit unserem Bildungssystem, wie steht es wirklich mit unserer medizinischen Versorgung, wie sieht es wirklich in unseren Krankenhäusern aus. Das, was früher alles die Propaganda zugeschüttet hatte mit irgendwelchen süßlichen, rosaroten Selbstbeweihräucherungen, das war auf einmal weggeblasen und jetzt konnte man in der Zeitung lesen, wie es in diesem oder jenem Krankenhaus aussieht, und dass es da an den elementarsten Dingen fehlt. Auf einmal lasen die Menschen das und dies ist der Beweis dafür, dass Gorbatschow recht hatte, wenn er sagt, die Menschen wollten von uns Perestroika, sie haben das geradezu von uns gefordert."

    Ein Satiriker meinte damals, man kriege nun zwar etwas zu lesen, zu hören und zu sehen, aber zum Fressen und zum Anziehen gebe es nichts. Und so begriffen große Teile der ungeduldigen Bevölkerung Gorbatschows Einladung zur Demokratisierung nicht mehr als auf das bestehende System bezogen, sondern als generelle Öffnung der Gesellschaft. Weniger orthodoxe Kräfte bildeten innerhalb der Partei Fraktionen, andere – wie Jelzin oder Sacharow - opponierten. Sowjetische Teilrepubliken stellten ihre lammfromme Unterordnung unter die Moskauer Zentrale infrage. Völlig verunsichert reagierten hingegen die meisten "sozialistischen Bruderländer" auf den frischen Wind aus Moskau.

    "Auf einmal hat sich das Verhältnis umgedreht. Die sowjetische Führung ging voran, hat Reformen gefordert. Und das hat gewaltigen Eindruck gemacht in vielen Ländern Ost-Mitteleuropas. Und Gorbatschow hat dann auch sehr rasch und zwar öffentlich die Breschnew-Doktrin aufgegeben; sehr bald war klar: Mit den sowjetischen Panzern zur Sicherung der kommunistischen Herrschaft war da nichts mehr. Die Zeit war vorbei. Er hat das nicht nur gesagt, sondern auch durchgesetzt, dass die Länder Ost-Mitteleuropas selbst entscheiden, wohin sie wollen, welche Reformen sie wollen und wie sie auch ihre Außenpolitik in der Zukunft organisieren."

    Außer Polen und Ungarn quittierten alle anderen Ostblockstaaten den neuen sowjetischen Kurs mit kaum verhohlener Ablehnung. DDR-Chefideologe Kurt Hager etwa sah sich nicht gefordert zu tapezieren, nur weil der Nachbar seine Wohnung neu tapeziere. 1988 flog die sowjetische Zeitschrift "Sputnik", die sich nun mit kritischen Artikeln etwa zur stalinistischen Vergangenheit hervortat, aus dem Postzeitungsvertrieb der DDR – ein Proteststurm der Leser war die Folge. Und das Ostberliner Kabarett "Die Distel" verspottete die Bockigkeit der SED-Führung, indem sie die Reformdebatte in eine Gaststätte transponierte, in der sich
    Chefkoch und Küchenhilfe über neue Rezepte streiten. Der Sketch, "Buletten mit Glasnost" betitelt, wurde prompt verboten:

    Koch "Seit Jahrzehnten wurde das Vertrauen, das ich ständig in mich selber gesetzt habe, niemals von mir angezweifelt! Die Magen- und Darmbeschwerden der Gäste haben sich immer in sozialistischen Grenzen gehalten! Und bloß weil ein Herr Gorbatschow davon redet, alles im Staat muss offen gelegt und durchschaubar gemacht werden, lass ich mir doch nicht von einer Küchenhilfe in die Töpfe gucken! "

    Küchenhilfe "Warum probierst du denn nicht mal mein Rezept?"

    Koch "Das fehlte noch! Alles ummodeln, woran sich die Gäste so schön gewöhnt haben: meine unergründlichen Buletten! Meine bewährte Einheitssoße! Mein allumfassender Gulasch! Meine unerschöpfliche Brühe – alles ummodeln? Dann sagt es doch gleich auf Deutsch: Perestroika!"

    Vier Jahre und 243 Tage nach Gorbatschows Machtantritt fiel die Mauer in Berlin, zwei Jahre danach war auch die Sowjetunion Geschichte. Doch auf eine Demokratie westlicher Prägung warten noch heute viele Russen:
    Im Dezember 2011 protestierten in Moskau und anderen Städten Russlands Zehntausende Menschen gegen die manipulierten Wahlen zur Duma. Der Gedanke, dass diese Demonstranten Kinder der über Gorbatschow hinausgewachsenen Perestroika – Generation sind, liegt nahe. Auch Gorbatschow äußerte sich erst jüngst zum "System Putin" in äußerst ablehnender Weise. Gerhart Simon zitiert die Sätze des einstigen Generalsekretärs, der inzwischen – 80-jährig – ein pessimistisches Urteil fällt:

    "Gorbatschow hat vor wenigen Tagen ein Interview gegeben und in dem hat er gesagt: Wir haben leider die Perestroika damals nicht zu Ende gebracht. Die Aufgabe, die wir uns damals gestellt haben, sind nach wie vor vorhanden. Gorbatschow, der als Kritiker des sowjetischen politischen Systems angetreten ist, ist heute zu einem der schärfsten Kritiker des Putin-Regimes geworden. Das war er auch nicht von Anfang an. Aber heute sagt er, so geht es bei uns nicht weiter, wir brauchen eine neue Perestroika, und er protestiert in diesem Interview gegen die Wahlfälschungen nach dem 4. Dezember und sagt, auf dem Weg zur Demokratie ist es von zentraler Bedeutung, dass wir diese Wahlfälschungen beim Namen nennen und dass wir dafür sorgen, dass bei uns in Zukunft in Russland nicht mehr geben darf."