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`Wir brauchen eine Management-Institution für den Arbeitsmarkt`

    Remme: Am Telefon begrüße ich Franz Frick. Er ist Abteilungsleiter für Arbeitsmarkt und Beschäftigung bei der Bertelsmannstiftung. Guten Tag Herr Frick.

    Frick: Ich grüße Sie.

    Remme: Herr Frick, zunächst zur Personalie Gerster: Halten Sie ihn für einen guten Nachfolger Jagodas?

    Frick: Ich halte ihn für eine sehr guten Nachfolger, weil er bisher als Arbeitsminister eine gute Figur gemacht hat. Nicht nur beim Kombilohn, sondern auch unter den Arbeitsministern hat er sich hervorgetan mit guten Vorschlägen zur Reform von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und anderen Bereichen, wie z.B. der Gesundheitspolitik.

    Remme: Intellektuelle Präzision, hat er gesagt, ist ihm wichtig. Ist es das, was die Bundesanstalt für Arbeit derzeit am dringendsten braucht?

    Frick: Sicherlich auch, insbesondere wenn es darum geht, die Ziele der Bundesanstalt für Arbeit neu zu definieren und klar zu vereinbaren, wer für was verantwortlich ist. Bisher geht es da etwas drunter und drüber, wie wir ja an den Diskussionen um die fehlerhaften Vermittlungszahlen gesehen haben, denn Schuld war ja letztendlich niemand.

    Remme: Es hat in den vergangenen Tagen Stimmen gegeben, die stark dafür plädiert haben, keinen Sozialpolitiker, sondern einen erprobten Manager aus der Wirtschaft an die Spitze dieser großen Bundesanstalt zu stellen. Was halten Sie davon?

    Frick: Ich denke, dass das letzte Wort da insofern noch nicht gesprochen ist, da es ja einen dreiköpfigen Vorstand geben wird, und es wird sicherlich nicht schädlich sein, hier noch ein bisschen Führungskompetenz aus der Wirtschaft mit einzubringen, insbesondere von jemandem, der Reorganisationen gemacht hat, der also eine Institution neu aufgestellt hat, wie es jetzt bei der Bundesanstalt für Arbeit angedacht ist.

    Remme: Zum Strukturellen, Herr Frick: Sie haben die Äußerungen von Gerhard Schröder und Walter Riester ja mitgehört. War da etwas dabei, was Sie hat aufhorchen lassen?

    Frick: Da war einiges dabei. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten selten in solcher Konsequenz Politiker sprechen hören, wenn es einen Skandal gab. Wenn wir mal überlegen: Vor einem Jahr hatten wir BSE, wo wir heute sehen, die Maßnahmen haben nicht ausgereicht. Wenn das, was Herr Schröder und Herr Riester gerade angekündigt haben, wirklich umgesetzt wird, dann werden wir in wenigen Jahren eine Bundesanstalt für Arbeit in der Form, wie wir sie heute kennen, nicht mehr haben.

    Remme: Was sehen Sie da an deutlichen qualitativen Fortschritten?

    Frick: Die Entscheidung heute sagt letztendlich eine grundlegende Reform voraus, sowohl personalpolitisch, aber auch was die Organisation und die Kultur anbetrifft, d.h. es wird insgesamt mehr mit Dritten zusammen gearbeitet, insbesondere privaten Vermittlern. Diese bekommen einen klaren Anreiz, schnell, effizient und passgenau zu vermitteln, und der wird dann auch finanziell ausgestaltet sein, vermutlich so, dass es nicht nur den Anreiz gibt, die besten zu vermitteln, sondern dann wird je nach dem, wie hoch die Vermittlungshemmnisse sind, eine etwas höhere Prämie bezahlt. Das wird den Arbeitslosen sicherlich von Vorteil sein, weil sie letztendlich wissen, der Gegenüber hat ein sehr hohes Interesse, dass die Vermittlung passt.

    Remme: Herr Frick, dieses Verhältnis von staatlichen und privaten Vermittlern, ist das der Kern des Problems?

    Frick: Das ist insofern der Kern des Problems, weil es zur Zeit natürlich eine merkwürdige Konstellation ist, wenn die Bundesanstalt selber vermittelt, dann selber noch die Ausführungsbestimmungen beschreibt, wie Private vermitteln dürfen, mit denen sie ja letztendlich in Konkurrenz steht, d.h. die Bundesanstalt hat eigentlich ein Interesse, den privaten Vermittlern das Leben schwer zu machen oder deren Arbeit schlechter zu reden. So kann das natürlich nicht weiter gehen, denn das ist ein schlechtes Management, eine schlechte Steuerung. Von daher ist es richtig, die Bundesanstalt auf Kernprozesse zu reduzieren. Wir brauchen weniger eine Anstalt, die alles selber macht, als eine die alles effizient steuert. Wir brauchen einen Management-Institution für den Arbeitsmarkt und nicht eine, die vom Kindergeld bis zur Vermittlung, von der Berufsberatung bis zu diversen anderen Fragen alles macht.

    Remme: Und wenn ich nun demnächst arbeitslos bin und ich will mich vermitteln lassen, wird es dann letztendlich so aussehen, dass die schwer Vermittelbaren bei den Arbeitsämtern landen und die leichter zu Vermittelnden, für die es dann auch - ich sag es mal schlaksig - Kohle gibt, bei den privaten landen.

    Frick: Das glaube ich nicht. Wenn man die angekündigten Vermittlungsregeln so aufbaut, dass es für einen Vermittler attraktiv ist, auch Leute zu vermitteln, die beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen haben oder unqualifiziert sind, indem die einfach eine doppelte oder drei mal so hohe Vermittlungsprämie bekommen, dann wird sich der Markt auch so einstellen, dass es Vermittler für die gut vermittelbaren Fachkräfte gibt, aber dann wird es auch ein paar Spezialisten geben, die sich insbesondere mit den Vermittlungshemmnissen auskennen und sich ganz besonders intensiv durch Coaching und Profiling-Maßnahmen mit eben diesen schwierigeren Zielgruppen beschäftigen.

    Remme: Herr Frick, von radikalen Reformen und neuen Wegen war in den letzten Tagen viel die Rede. Jetzt gehen wir mal weg von diesen privaten und staatlichen Vermittlungsproblemen. Was scheint Ihnen noch besonders reformbedürftig?

    Frick: In der Bundesanstalt insbesondere natürlich die gesamten Führungsstrukturen. Wir haben jetzt nur gehört, dass es einen quasi nach privatwirtschaftlichen Führungsgrundsätzen gebildeten Vorstand und einen quasi Aufsichtsrat geben soll. Dieser Reorganisationsprozess muss sich natürlich auch auf allen Führungsebenen wiederspiegeln, und man muss einfach die Frage stellen: Welche Strukturen sind da effizient, brauch man noch neben der Hauptstelle in Nürnberg die Landesarbeitsämter, oder müssen die 181 Arbeitsämter und 600 Nebenstellen nicht direkt aus Nürnberg gesteuert werden. Das sind Fragen, die ebenfalls wichtig sind. Wir dürfen natürlich auch nicht aus den Augen lassen, dass die Bundesanstalt heute auf der Grundlage von Gesetzen arbeitet, die nach meiner Meinung - jetzt kommt die Politik mit ins Spiel - in vielen Fällen viel zu detailliert, viel zu sehr von wahltaktischen Überlegungen geprägt sind. Das Regelwerk ist viel zu dick und viel zu detailliert. Da sollte es klare Ziele geben, aber nicht Detailregelungen.

    Remme: Vielen Dank. Das war Frank Frick, Abteilungsleiter für Arbeitsmarkt und Beschäftigung bei der Bertelsmannstiftung.