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"Wir brauchen einen UN-Nothilfetopf"

Nach der Hungerkatastrophe im Niger habe die Bundesregierung die Soforthilfe auf 1,5 Millionen Euro aufgestockt, sagte die parlamentarische Staatssekretärin Uschi Eid vom Entwicklungshilfeministerium. Für die Zukunft sei es allerdings wichtig, für ähnliche Situationen einen UN-Nothilfetopf zur Verfügung zu haben. Neben der Soforthilfe gelte es, die strukturellen Ursachen solcher Katastrophen zu beseitigen.

    Birke: Am Telefon begrüße ich Uschi Eid, sie ist die Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Guten Morgen.

    Eid: Guten Morgen.

    Birke: Die Bundesregierung hat reagiert und ihre Soforthilfe einer halben auf 1,5 Millionen aufgestockt für den Niger. Nach Heuschreckenplagen und Trockenheit war die prekäre Lage allerdings vorhersehbar. Weshalb sind die Gelder nicht vorher zur Prävention der Krise geflossen?

    Eid: Es ist natürlich bedauerlich, dass in dem Moment, wo die Heuschreckenplage im letzten Jahr über die Länder hergefallen ist, dass da nicht sofort konzertiert gegengehalten und etwas dagegen getan wurde. Die Bundesregierung ist seit vielen Jahren in der Heuschreckenbekämpfung aktiv, allerdings sind es langfristige Maßnahmen, die wir unterstützten. Nun kam die Heuschreckenplage zu anderen Probleme hinzu wie Dürre, wir müssen aber auch sehen, dass Niger im Prinzip unter struktureller Armut leidet. Es ist das zweitärmste Land mitten im Sahelgebiet und Wasserknappheit ist ein ganz großes Problem, nämlich der Fluss Niger, praktisch die Lebensader des Landes ist vom Austrocknen bedroht, da ist schnelle Hilfe angesagt.

    Wir unterstützen zum Beispiel, dass sich die Anrainerländer des Niger zusammensetzen und auch miteinander beraten, wie man das Nigerwasser miteinander managt, so dass nicht andere Länder bevorteilt werden bei der Entnahme von Wasser aus dem Fluss. Zum anderen gibt es auch zwischen wandernden Viehhaltern und ansässigen Ackerbauern auch Konflikte um knapper werdende Wasserressourcen, so dass wir dort zum Beispiel über deutsche Organisationen wie EIRENE-Neuwied Friedensfachkräfte mit unterstützen und finanzieren, die dort vor Ort versuchen, Menschen auszubilden, in solchen Konflikten zu vermitteln. Sie sehen, da ist ein ganzes Paket, das man zusammendenken muss, wenn man sich dieser Probleme annimmt.

    Birke: Momentan sind aber die Menschen akut am hungern. Wie wollen Sie dieses akute Problem lösen?

    Eid: Wir haben sofort als die Vereinten Nationen einen Notruf losgelassen haben am 18. Mai als Bundesrepublik sofort 500.000 Euro zur Verfügung gestellt, wir haben diese Summe auf 1,5 Millionen aufgestockt, ich hoffe, dass andere Geberländer mitziehen, aber das ist natürlich nicht das Problem. Ich glaube, dass wir einmal für Nothilfesituationen einen UN-Nothilfetopf brauchen, damit man nicht immer, wenn ein Einzelfall, eine furchtbare Katastrophe, wie jetzt in Niger passiert, dass man dann Mittel beschaffen muss für den Einzelfall.

    Birke: Denn es hieß ja im Vorfeld hätte man 30 Millionen Euro oder Dollar investiert, dann hätte man diese ganze Hungersnot im Niger vermeiden können.

    Eid: Ich glaube nicht, dass man die ganze Hungersnot hätte vermeiden können, denn es sind langfristige Maßnahmen ebenfalls notwendig und ich bin froh, dass wir jetzt im Rahmen der Konventionen zur Wüstenbekämpfung sehr aktiv sind, auch andere Länder sind aktiv, um beizutragen, Maßnahmen zur Bodenrückgewinnung durchzuführen, wir müssen Erosionsschutzmaßnahmen durchführen und Weideland für die Viehzucht muss rehabilitiert werden. Wir haben im Niger zum Beispiel für solche Maßnahmen als Bundesrepublik allein sechs Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt, waren jetzt gerade dabei, bevor auch diese Katastrophe begann, neue Programme zu entwickeln, zum Beispiel in der Region Tilaberi und Tahua. Man muss auf der einen Seite Nothilfe leisten, auf der anderen ist es dringend erforderlich, strukturelle Ursachen für solche Hungerkatastrophen praktisch an der Wurzel zu bekämpfen.

    Birke: Nun hat auch der G8-Gipfel mit viel Tamtam und den Live 8-Konzerten die Aufmerksamkeit der Welt auf Afrika gelenkt, es wurden auch Versprechungen gemacht, die Entwicklungshilfe soll mittelfristig auf 120 Milliarden Dollar verdoppelt werden, aber das ist doch ein ungedeckter Scheck. Wie soll das finanziert werden?

    Eid: Wenn wir jetzt mal schauen, was damit die Beschlüsse in Gleneagles in Niger zu tun haben - da wurden 18 Länder, die am ärmsten sind und am höchsten verschuldet entschuldet und zwar der multilaterale Anteil ihrer Schulden, das heißt, Schulden, die sie bei der Weltbank, dem internationalen Währungsfond und auch bei der afrikanischen Entwicklungsbank haben. Niger ist insgesamt um 1,2 Milliarden Euro entschuldet worden und jetzt in Gleneagles betraf es 57 Millionen Euro. Also auch hier hat Niger unmittelbar profitiert.

    Birke: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass der Niger in Zukunft die Mittel zur Verfügung haben wird, die er braucht.

    Eid: Das weiß ich nicht. Wir müssen mal, wenn wir insgesamt die Summe vor Augen führen, die zum Beispiel der Niger im Jahre 2003 bekommen hat: das waren 391,5 Millionen Euro, das ist ja nicht sehr wenig. Wichtig ist, dass diese Mittel effizient eingesetzt werden, dass sie auch zielgerecht für die Ernährungssicherung, für die Entwicklung im ländlichen Raum eingesetzt werden und natürlich die nigerische Regierung muss auch vor Ort eine sehr sorgfältige Landwirtschaftspolitik betreiben, ich weiß, dass zum Beispiel im letzten Jahr schon Nahrungsmittelgetreide aufgekauft wurden, die haben jetzt auch durch die Nachfrage der Nachbarländer, denn auch die haben nicht genügend Nahrungsmittel, deshalb sind die Preise unheimlich hochgetrieben worden in dieser Region und es ist natürlich auch notwendig, dass dann die Regierungen entsprechende Vorsorge treffen, dass sie in solchen Situationen auch die Nahrungsmittel ohne Kosten verteilen, dass die Menschen diese Nahrungsmittel auch ausgeliefert bekommen, ohne dass sie dafür überhöhte Preise bezahlen müssen.

    Birke: Das heißt, dass nicht vieles der Hilfe dann in den dunklen Kanälen der Korruption versickert.

    Eid: So ist es. Es gibt zwar Stimmen, die sagen, im Niger gibt es keine Korruption, da bin ich mir nicht so ganz sicher, denn es gibt auch andere Stimmen, die sagen, man muss sehr aufpassen, man habe bereits auch beobachtet, dass auch an politische Freunde prioritär Nahrung verteilt wird. Ich glaube, solche Situationen eignen sich natürlich immer gut, dass man da auch mit Nahrungshilfe missbräuchlich umgeht und deswegen müssen die Organisationen, die vor Ort sind alles tun, um Missbrauch zu verhindern.