Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich nun DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Guten Morgen Frau Buntenbach!
Annelie Buntenbach: Guten Morgen!
Heinlein: Rechnen Sie mit einem Durchbruch heute in Sindelfingen, oder wird es zum Streik kommen?
Buntenbach: Ich hoffe sehr, dass dort heute eine Einigung rauskommt, die heißt, dass man die Altersteilzeit zu vernünftigen Bedingungen, so wie die IG Metall das will, fortsetzen kann.
Heinlein: Was sind denn "vernünftige Bedingungen"? Genügt es, den Anspruch auf Altersteilzeit auf besonders belastete Arbeitnehmer zu beschränken, wie es die Arbeitgeber vorschlagen?
Buntenbach: Die Altersteilzeit ist ja sowieso kein irgendwie flächendeckender Anspruch oder kein flächendeckendes Programm, sondern da geht es darum, dass diejenigen, die nicht mehr können, auch eine Möglichkeit haben, wirklich dann in Rente zu gehen und in Würde ins Alter zu kommen. Aber das was die Arbeitgeber hier wollen, nämlich die Kriterien so eng fassen, dass das letztlich auf überhaupt niemanden mehr zutrifft, das kann natürlich so nicht gehen, sondern der Anspruch muss für alle bestehen und die Wirkung wird dann die sein, dass diejenigen, die gesundheitlich nicht mehr können, dann auch ein Ventil haben, um frühzeitiger in Rente zu gehen.
Heinlein: Also es geht um die Definition des gesundheitlich nicht mehr Könnens?
Buntenbach: Darum geht es und da kann es nicht sein, dass die Arbeitgeber frei nach Kassenlage entscheiden, wer denn aus ihrer Sicht noch kann und wer nicht, sondern da müssen die Kollegen schon einen Anspruch haben, nach dem dann sie auch mit Unterstützung der Gewerkschaften und entsprechenden Betriebsvereinbarungen und tarifvertraglichen Verhandlungen in die Rente gehen können.
Heinlein: Muss es unabhängig von den aktuellen Tarifverhandlungen in der Metallindustrie nicht das gemeinsame Ziel der Tarifparteien sein, ältere Arbeitnehmer möglichst lange zu guten Bedingungen in den Betrieben zu lassen, auch angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels?
Buntenbach: Doch, das muss es durchaus. Es ist ja heute so, dass in vielen Betrieben die 50jährigen mit der Lupe zu suchen sind. Aber wenn die Versuche, die Menschen zum längeren Arbeiten zu bewegen, sich darin erschöpfen, dass man die Rente verschärft und bei der Altersteilzeit kürzt, dann wird das sicher nicht dazu führen, dass die Betroffenen mit Freude und Elan länger im Arbeitsleben bleiben. Im Gegenteil! Ich glaube da müssen die Arbeitgeber endlich davon wegkommen, dass sie meinen, sie können die Lasten immer den anderen aufladen und sich selber davon freihalten, sondern sie müssen da auch investieren in vernünftige Arbeitsbedingungen, damit die Menschen länger auch gesund in Arbeit bleiben können, in Weiterbildung auch für ältere, damit sie qualifiziert und gesund drin bleiben können.
Heinlein: Kann diese Forderung auch Bestandteil von Tarifverhandlungen sein?
Buntenbach: Die Gesundheitsförderung und Weiterbildung ist gerade im Metallbereich von der IG Metall immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden. Dazu gibt es auch schon tarifvertragliche Einigungen, aber dazu braucht es auch wirklich ein Umdenken auf der Arbeitgeberseite, die bis jetzt eine neue Kultur des Alterns immer mit flächendeckenden Daumenschrauben in eins setzen.
Heinlein: Politisch, Frau Buntenbach, hat der DGB, haben die Gewerkschaften ja Rückendeckung. Werden sie denn gemeinsam mit der SPD für eine flächendeckende Fortsetzung der Altersteilzeit kämpfen?
Buntenbach: Ja. Ich bin froh, dass die SPD diese Forderung nach weiterer Förderung, Fortsetzung der Altersteilzeit unterstützt, denn wir brauchen hier dringend dieses Ventil. Ich hoffe, dass das aber auch Koalitionspolitik wird und nicht nur auf dem Papier stehen bleibt.
Heinlein: Auch nach der Absage von Angela Merkel haben Sie Hoffnung?
Buntenbach: Ja. Ich halte das für dringend nötig, dass wir hier eine Lösung finden. Von daher gehe ich davon aus, dass die CDU/CSU sich dem auch nicht verschließen kann.
Heinlein: Wie eng haben sich denn Gewerkschaften und SPD abgestimmt, jetzt gemeinsam für den Erhalt der staatlich geförderten Frühverrentung an den verschiedenen Fronten zu kämpfen?
Buntenbach: Da geht es nicht um eine gemeinsame Abstimmung, sondern da geht es darum, dass das eine Frage ist, die jetzt politisch geklärt werden muss, da die Förderung der Altersteilzeit ja ab nächstem Jahr ausläuft und jetzt die Tarifverträge gemacht werden, die für längere Fristen gelten sollen. Das heißt, diese Frage muss jetzt geklärt werden und da brauchen wir eben die Fortsetzung der Altersteilzeit, damit hier die Menschen nicht in das Loch fallen, was zwischen dem Ende des Erwerbslebens und dem Anfang der Rente ja immer größer wird.
Heinlein: Noch einmal die Frage. Ist es reiner Zufall, dass die SPD sich just für die Verlängerung der Altersteilzeit ausspricht – in einer Phase, wo die IG Metall für dieses Ziel mit den Arbeitgebern kämpft?
Buntenbach: Zufall ist das sicher nicht, weil das ja so ist, dass diese Frage jetzt in diesem Jahr geklärt werden muss und dort eine politische Lösung, auch eine tarifvertragliche Lösung auf den Tisch muss. Von daher setzen sich beide mit dieser Frage "Fortsetzung der Altersteilzeit" auseinander und haben dazu eine klare Position. Die IG Metall hat das in den Betrieben auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben das als DGB auch politisch ja schon seit geraumer Zeit hier im Berliner Raum getan. Von daher ist das kein Zufall, sondern es ist gut, wenn hier die Forderung möglichst breit auch getragen wird.
Heinlein: Ist denn für Sie als DGB eine tarifvertragliche Altersteilzeit in den Betrieben denkbar ohne die bisherigen staatlichen Zuschüsse? Das schlägt ja unter anderem die Union vor.
Buntenbach: Ich glaube, dass diese bisherigen staatlichen Zuschüsse nötig sind, denn es geht ja auch immer darum, wie denn die Lasten verteilt werden, wenn Menschen gesundheitlich nicht mehr können und den Übergang zwischen Arbeitsleben und Rente schaffen müssen. Da geht es ja übrigens auch nicht nur um die Altersteilzeit, sondern für uns auch um eine bessere Absicherung der Erwerbsminderung, denn bis jetzt schafft es ja nur jeder Fünfte aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in die Rente mit 65. Das würde bei einer 67 noch viel schlimmer werden. Aber hier brauchen wir weiter eine Förderung und die ist auch sehr sinnvoll eingesetzt durch die Bundesagentur, weil da wird ja nur gefördert, wenn diese Stelle neu besetzt wird. Das heißt es geht auch um den Übergang von Jugendlichen, die ausgebildet worden sind, in den Betrieb, um hier eine Chance zu finden, oder wenn Arbeitslose neu eingestellt werden. Das sind die beiden Fälle, die bis jetzt durch die Bundesagentur gefördert werden, und da glaube ich ist die Förderung sehr richtig.
Heinlein: Um es knapp zu machen: ohne staatliche Zuschüsse keine Altersteilzeit, keine Frühverrentung?
Buntenbach: Wir haben jetzt schon nur ein Drittel der Fälle von Altersteilzeit, die durch die Bundesagentur gefördert werden, weil es nur diejenigen sind, wo die Stelle wiederbesetzt wird. Aber Altersteilzeit mit Frühverrentung in eins zu setzen, das möchte ich doch zurückweisen, denn das ist nicht ein flächendeckendes Programm, von dem wir hier reden, wo jeder dann mit 60 oder schon früher in Rente gehen kann, sondern da geht es um ein Ventil, was dringend aufgemacht werden muss.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk Annelie Buntenbach vom Vorstand des DGB. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Das ausführliche Gespräch mit Annelie Buntenbach zum Thema Altersteilzeit können Sie bis mindestens 23.11.2008 als Audio-on-demand abrufen
Annelie Buntenbach: Guten Morgen!
Heinlein: Rechnen Sie mit einem Durchbruch heute in Sindelfingen, oder wird es zum Streik kommen?
Buntenbach: Ich hoffe sehr, dass dort heute eine Einigung rauskommt, die heißt, dass man die Altersteilzeit zu vernünftigen Bedingungen, so wie die IG Metall das will, fortsetzen kann.
Heinlein: Was sind denn "vernünftige Bedingungen"? Genügt es, den Anspruch auf Altersteilzeit auf besonders belastete Arbeitnehmer zu beschränken, wie es die Arbeitgeber vorschlagen?
Buntenbach: Die Altersteilzeit ist ja sowieso kein irgendwie flächendeckender Anspruch oder kein flächendeckendes Programm, sondern da geht es darum, dass diejenigen, die nicht mehr können, auch eine Möglichkeit haben, wirklich dann in Rente zu gehen und in Würde ins Alter zu kommen. Aber das was die Arbeitgeber hier wollen, nämlich die Kriterien so eng fassen, dass das letztlich auf überhaupt niemanden mehr zutrifft, das kann natürlich so nicht gehen, sondern der Anspruch muss für alle bestehen und die Wirkung wird dann die sein, dass diejenigen, die gesundheitlich nicht mehr können, dann auch ein Ventil haben, um frühzeitiger in Rente zu gehen.
Heinlein: Also es geht um die Definition des gesundheitlich nicht mehr Könnens?
Buntenbach: Darum geht es und da kann es nicht sein, dass die Arbeitgeber frei nach Kassenlage entscheiden, wer denn aus ihrer Sicht noch kann und wer nicht, sondern da müssen die Kollegen schon einen Anspruch haben, nach dem dann sie auch mit Unterstützung der Gewerkschaften und entsprechenden Betriebsvereinbarungen und tarifvertraglichen Verhandlungen in die Rente gehen können.
Heinlein: Muss es unabhängig von den aktuellen Tarifverhandlungen in der Metallindustrie nicht das gemeinsame Ziel der Tarifparteien sein, ältere Arbeitnehmer möglichst lange zu guten Bedingungen in den Betrieben zu lassen, auch angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels?
Buntenbach: Doch, das muss es durchaus. Es ist ja heute so, dass in vielen Betrieben die 50jährigen mit der Lupe zu suchen sind. Aber wenn die Versuche, die Menschen zum längeren Arbeiten zu bewegen, sich darin erschöpfen, dass man die Rente verschärft und bei der Altersteilzeit kürzt, dann wird das sicher nicht dazu führen, dass die Betroffenen mit Freude und Elan länger im Arbeitsleben bleiben. Im Gegenteil! Ich glaube da müssen die Arbeitgeber endlich davon wegkommen, dass sie meinen, sie können die Lasten immer den anderen aufladen und sich selber davon freihalten, sondern sie müssen da auch investieren in vernünftige Arbeitsbedingungen, damit die Menschen länger auch gesund in Arbeit bleiben können, in Weiterbildung auch für ältere, damit sie qualifiziert und gesund drin bleiben können.
Heinlein: Kann diese Forderung auch Bestandteil von Tarifverhandlungen sein?
Buntenbach: Die Gesundheitsförderung und Weiterbildung ist gerade im Metallbereich von der IG Metall immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden. Dazu gibt es auch schon tarifvertragliche Einigungen, aber dazu braucht es auch wirklich ein Umdenken auf der Arbeitgeberseite, die bis jetzt eine neue Kultur des Alterns immer mit flächendeckenden Daumenschrauben in eins setzen.
Heinlein: Politisch, Frau Buntenbach, hat der DGB, haben die Gewerkschaften ja Rückendeckung. Werden sie denn gemeinsam mit der SPD für eine flächendeckende Fortsetzung der Altersteilzeit kämpfen?
Buntenbach: Ja. Ich bin froh, dass die SPD diese Forderung nach weiterer Förderung, Fortsetzung der Altersteilzeit unterstützt, denn wir brauchen hier dringend dieses Ventil. Ich hoffe, dass das aber auch Koalitionspolitik wird und nicht nur auf dem Papier stehen bleibt.
Heinlein: Auch nach der Absage von Angela Merkel haben Sie Hoffnung?
Buntenbach: Ja. Ich halte das für dringend nötig, dass wir hier eine Lösung finden. Von daher gehe ich davon aus, dass die CDU/CSU sich dem auch nicht verschließen kann.
Heinlein: Wie eng haben sich denn Gewerkschaften und SPD abgestimmt, jetzt gemeinsam für den Erhalt der staatlich geförderten Frühverrentung an den verschiedenen Fronten zu kämpfen?
Buntenbach: Da geht es nicht um eine gemeinsame Abstimmung, sondern da geht es darum, dass das eine Frage ist, die jetzt politisch geklärt werden muss, da die Förderung der Altersteilzeit ja ab nächstem Jahr ausläuft und jetzt die Tarifverträge gemacht werden, die für längere Fristen gelten sollen. Das heißt, diese Frage muss jetzt geklärt werden und da brauchen wir eben die Fortsetzung der Altersteilzeit, damit hier die Menschen nicht in das Loch fallen, was zwischen dem Ende des Erwerbslebens und dem Anfang der Rente ja immer größer wird.
Heinlein: Noch einmal die Frage. Ist es reiner Zufall, dass die SPD sich just für die Verlängerung der Altersteilzeit ausspricht – in einer Phase, wo die IG Metall für dieses Ziel mit den Arbeitgebern kämpft?
Buntenbach: Zufall ist das sicher nicht, weil das ja so ist, dass diese Frage jetzt in diesem Jahr geklärt werden muss und dort eine politische Lösung, auch eine tarifvertragliche Lösung auf den Tisch muss. Von daher setzen sich beide mit dieser Frage "Fortsetzung der Altersteilzeit" auseinander und haben dazu eine klare Position. Die IG Metall hat das in den Betrieben auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben das als DGB auch politisch ja schon seit geraumer Zeit hier im Berliner Raum getan. Von daher ist das kein Zufall, sondern es ist gut, wenn hier die Forderung möglichst breit auch getragen wird.
Heinlein: Ist denn für Sie als DGB eine tarifvertragliche Altersteilzeit in den Betrieben denkbar ohne die bisherigen staatlichen Zuschüsse? Das schlägt ja unter anderem die Union vor.
Buntenbach: Ich glaube, dass diese bisherigen staatlichen Zuschüsse nötig sind, denn es geht ja auch immer darum, wie denn die Lasten verteilt werden, wenn Menschen gesundheitlich nicht mehr können und den Übergang zwischen Arbeitsleben und Rente schaffen müssen. Da geht es ja übrigens auch nicht nur um die Altersteilzeit, sondern für uns auch um eine bessere Absicherung der Erwerbsminderung, denn bis jetzt schafft es ja nur jeder Fünfte aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in die Rente mit 65. Das würde bei einer 67 noch viel schlimmer werden. Aber hier brauchen wir weiter eine Förderung und die ist auch sehr sinnvoll eingesetzt durch die Bundesagentur, weil da wird ja nur gefördert, wenn diese Stelle neu besetzt wird. Das heißt es geht auch um den Übergang von Jugendlichen, die ausgebildet worden sind, in den Betrieb, um hier eine Chance zu finden, oder wenn Arbeitslose neu eingestellt werden. Das sind die beiden Fälle, die bis jetzt durch die Bundesagentur gefördert werden, und da glaube ich ist die Förderung sehr richtig.
Heinlein: Um es knapp zu machen: ohne staatliche Zuschüsse keine Altersteilzeit, keine Frühverrentung?
Buntenbach: Wir haben jetzt schon nur ein Drittel der Fälle von Altersteilzeit, die durch die Bundesagentur gefördert werden, weil es nur diejenigen sind, wo die Stelle wiederbesetzt wird. Aber Altersteilzeit mit Frühverrentung in eins zu setzen, das möchte ich doch zurückweisen, denn das ist nicht ein flächendeckendes Programm, von dem wir hier reden, wo jeder dann mit 60 oder schon früher in Rente gehen kann, sondern da geht es um ein Ventil, was dringend aufgemacht werden muss.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk Annelie Buntenbach vom Vorstand des DGB. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Das ausführliche Gespräch mit Annelie Buntenbach zum Thema Altersteilzeit können Sie bis mindestens 23.11.2008 als Audio-on-demand abrufen