Klaus Remme: Das war die nordrhein-westfälische Justizministerin von der CDU. Mitgehört hat Wolfgang Fixson. Er ist Vorsitzender der Bundesvereinigung der Anstaltsleiter im Strafvollzug, gleichzeitig Leiter der JVA Berlin-Moabit. Er äußert sich hier aber in seiner Funktion als Leiter der Bundesvereinigung. Ich grüße Sie Herr Fixson!
Wolfgang Fixson: Ja, schönen guten Morgen!
Remme: Herr Fixson, offenbart dieser Fall in Siegburg Mängel in einer bestimmten Ausnahme-JVA, oder werden hier strukturelle Mängel im Strafvollzug sichtbar?
Fixson: Ich möchte einmal natürlich betonen, dass ich den Fall aus Nordrhein-Westfalen nur aus der Presse kenne und insofern auch ganz bestimmt nichts - da werden Sie Verständnis haben - zu der einzelnen Anstalt sagen kann. Aber - und das ist mir sehr wichtig; ich habe das auch mit vielen Kollegen immer wieder besprochen - wir sehen - und zwar die Gesamtheit glaube ich der deutschen Anstaltsleiter - mit großer Sorge eine sicherlich der Haushaltslage geschuldete ständige Reduzierung des Fachpersonals insbesondere auch im allgemeinen Vollzugsdienst. Wenn über Ursachen gesprochen wird, dann möchte ich ganz entscheidend darauf hinweisen, dass nach meiner, aber auch aller Fachleute fester Überzeugung gerade die Präsenz von ausreichend ausgebildetem Personal die absolute Voraussetzung ist, dass derartige schlimme Vorfälle nicht vorkommen können. Das sehen wir mit großer Sorge, dass immer mehr auf Technik geguckt wird, der Einsatz von Videotechnik gefordert wird und dann der persönliche Kontakt hinten dran bleibt. Tragen Sie es mir nach, wenn ich Ihnen keine Zahlen nenne, wie viele oder beziehungsweise wie wenig Vollzugsbeamte in einer Vollzugsanstalt eingesetzt sind, aber wer diese Zahlen wirklich kennt, der ist in manchen Dingen - und wir sind das - sehr besorgt, wie es weitergeht.
Remme: Es ist ja inzwischen klar, dass in Siegburg zumindest vier Bedienstete die Übersicht über 267 Häftlinge im kritischen Zeitraum hatten. Ist das normal?
Fixson: Ich würde es nicht als unnormal bezeichnen - leider.
Remme: Ist das ausreichend?
Fixson: Auf gar keinen Fall! Insbesondere in den Nacht- und Spätdiensten brauchen wir aus meiner festen Überzeugung eine größere Anzahl - und das möchte ich noch mal betonen - von ausgebildeten Vollzugsbediensteten und nicht etwa - auch das ist ja im Rahmen der Privatisierungsdebatte immer wieder die Forderung - billigeres Wachpersonal einzusetzen. Wir brauchen hoch qualifiziertes, motiviertes Vollzugspersonal, das eben gerade in der Lage ist, derartige Situationen zu erkennen. Ich beispielsweise wehre mich in meiner Anstalt - und da bin ich auch in Übereinstimmung mit Überlegungen meiner politischen Führung in Berlin -, dass wir personelle Präsenz in den Stationen haben und nicht Technik einsetzen wollen, um so im Vorfeld schon Dinge erkennen zu können. Selbstmordverhinderung ist beispielsweise ja auch ein großes Thema.
Remme: Herr Fixson, ich will Sie noch mal kurz, weil Sie die Praxis kennen, fragen. Man kann sich ja diese Stunden der Qual und der Angst dieses Häftlings nicht vorstellen. Was kann ein Gefangener in solcher Lage über Stunden hinweg tun, um das Wachpersonal auf sich aufmerksam zu machen?
Fixson: Wir haben in der Regel glaube ich in jeder deutschen Haftanstalt die bekannten Notrufanlagen: entweder einen Klingelknopf, der nur ein akustisches Signal auslösen kann. Wir haben eigentlich in allen Bundesländern Bauprogramme, dass zusätzlich diese Rufanlage mit Sprechmöglichkeit ausgestattet wird. Das ist beispielsweise ein Technikbereich, den ich unterstütze, den wir auch in Berlin jetzt im Rahmen der Möglichkeiten ausbauen, dass im Notruf auch der Gefangene sich sofort artikulieren kann.
Remme: Im Zusammenleben der Häftlinge entwickeln sich ja vermutlich in einer Haftanstalt Hierarchien, Häftlingshierarchien. Haben Sie als Anstaltsleiter oder Ihr Personal Einfluss auf diese Strukturen?
Fixson: Wir bemühen uns, Einfluss zu bekommen, sei es, dass wir immer wieder gerade bei den Nationalitäten gucken, wie passen Gruppen zusammen. Wir wollen ganz bestimmt gerade keine Ghettobildung haben, sondern wir versuchen gerade durch den Einsatz unserer Sozialarbeiter und Psychologen eben dort Tendenzen zu erkennen. Aber auch dort möchte ich wieder sagen: vor Ort auf der Station ist ständig der Vollzugsbeamte und dieser Vollzugsbeamte ist je nach Größe für 30 bis 50, 70, 80 Gefangene zuständig. Wenn er diese kennt, wenn ständig der gleiche Beamte eingesetzt ist, dann hat der die beste Möglichkeit, diese Entwicklungen zu erkennen. Wenn dann beispielsweise durch Personalmangel ein Beamter zwei Stationen machen muss, dann fehlt es genau an diesen rechtzeitigen Frühindikationen, wenn sich etwas entwickelt.
Remme: Da Sie Zahlen gerade nennen. Diese JVA in Siegburg war mit 117 Prozent ausgelastet. Das heißt knapp 20 Prozent Überbelegung. Auch ein Normalzustand?
Fixson: Leider ja, etwas was die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter immer kritisiert hat, und zwar nicht weil wir alles besser wissen, sondern genau aus der praktischen Erfahrung heraus, wie stark durch Überbelegung die Belastung des Personals steigt. Die Überbelastung hat Auswirkungen auf den Krankenstand und insofern hat die Überbelegung sicherlich einen ganz entscheidenden Anteil daran, wenn es zu Fehlentwicklungen dieser Art kommt.
Remme: Sie sagen zu Recht, dass Sie diesen Fall in Siegburg nur aus der Presse kennen oder aber aus Informationen aus zweiter Hand. Aber von dem was Sie wissen, wäre ein solcher Vorfall in Ihrer Justizvollzugsanstalt möglich oder ausgeschlossen?
Fixson: Wissen Sie es ist immer leicht zu sagen, ich weiß es besser. Ich sage ganz ehrlich, ich bin glücklich, nie einen derartigen Fall gehabt zu haben, aber ich würde nie etwas ausschließen wollen. Ich bin zum Beispiel persönlich sehr betroffen, dass wir in diesem Jahr in Moabit eine nicht erklärliche Anzahl zusätzlicher Selbstmorde hatten. Auch dort hat es Vorkommnisse gegeben, dass in einer doppelbelegten Zelle ein Selbstmord stattgefunden hat. Ich maße mir nicht an, über eine andere Entscheidung zu urteilen. Ich maße mir an einzufordern, dass diese Problematik gesehen wird - und ich glaube das ist eine ganz entscheidende -, dass die Politik dieses sehen muss und auch gerade im Rahmen der Umsetzung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes, nämlich gerade im Erwachsenenvollzug möglichst eine Einzelunterbringung sicherzustellen. Dies sind Forderungen, die wir ganz entscheidend erheben, damit gerade im nächtlichen Bereich - ich lasse mal die Selbstmordproblematik heraus - derartige Dinge nicht passieren können. Insofern machen wir uns sehr stark gegen eine Doppelbelegung, mit Ausnahme von solchen Maßnahmen. Das ist die einzige Möglichkeit, teilweise Selbstmordprophylaxe zu betreiben. In der Regel aber muss nachts ein Gefangener einzeln untergebracht werden.
Wolfgang Fixson: Ja, schönen guten Morgen!
Remme: Herr Fixson, offenbart dieser Fall in Siegburg Mängel in einer bestimmten Ausnahme-JVA, oder werden hier strukturelle Mängel im Strafvollzug sichtbar?
Fixson: Ich möchte einmal natürlich betonen, dass ich den Fall aus Nordrhein-Westfalen nur aus der Presse kenne und insofern auch ganz bestimmt nichts - da werden Sie Verständnis haben - zu der einzelnen Anstalt sagen kann. Aber - und das ist mir sehr wichtig; ich habe das auch mit vielen Kollegen immer wieder besprochen - wir sehen - und zwar die Gesamtheit glaube ich der deutschen Anstaltsleiter - mit großer Sorge eine sicherlich der Haushaltslage geschuldete ständige Reduzierung des Fachpersonals insbesondere auch im allgemeinen Vollzugsdienst. Wenn über Ursachen gesprochen wird, dann möchte ich ganz entscheidend darauf hinweisen, dass nach meiner, aber auch aller Fachleute fester Überzeugung gerade die Präsenz von ausreichend ausgebildetem Personal die absolute Voraussetzung ist, dass derartige schlimme Vorfälle nicht vorkommen können. Das sehen wir mit großer Sorge, dass immer mehr auf Technik geguckt wird, der Einsatz von Videotechnik gefordert wird und dann der persönliche Kontakt hinten dran bleibt. Tragen Sie es mir nach, wenn ich Ihnen keine Zahlen nenne, wie viele oder beziehungsweise wie wenig Vollzugsbeamte in einer Vollzugsanstalt eingesetzt sind, aber wer diese Zahlen wirklich kennt, der ist in manchen Dingen - und wir sind das - sehr besorgt, wie es weitergeht.
Remme: Es ist ja inzwischen klar, dass in Siegburg zumindest vier Bedienstete die Übersicht über 267 Häftlinge im kritischen Zeitraum hatten. Ist das normal?
Fixson: Ich würde es nicht als unnormal bezeichnen - leider.
Remme: Ist das ausreichend?
Fixson: Auf gar keinen Fall! Insbesondere in den Nacht- und Spätdiensten brauchen wir aus meiner festen Überzeugung eine größere Anzahl - und das möchte ich noch mal betonen - von ausgebildeten Vollzugsbediensteten und nicht etwa - auch das ist ja im Rahmen der Privatisierungsdebatte immer wieder die Forderung - billigeres Wachpersonal einzusetzen. Wir brauchen hoch qualifiziertes, motiviertes Vollzugspersonal, das eben gerade in der Lage ist, derartige Situationen zu erkennen. Ich beispielsweise wehre mich in meiner Anstalt - und da bin ich auch in Übereinstimmung mit Überlegungen meiner politischen Führung in Berlin -, dass wir personelle Präsenz in den Stationen haben und nicht Technik einsetzen wollen, um so im Vorfeld schon Dinge erkennen zu können. Selbstmordverhinderung ist beispielsweise ja auch ein großes Thema.
Remme: Herr Fixson, ich will Sie noch mal kurz, weil Sie die Praxis kennen, fragen. Man kann sich ja diese Stunden der Qual und der Angst dieses Häftlings nicht vorstellen. Was kann ein Gefangener in solcher Lage über Stunden hinweg tun, um das Wachpersonal auf sich aufmerksam zu machen?
Fixson: Wir haben in der Regel glaube ich in jeder deutschen Haftanstalt die bekannten Notrufanlagen: entweder einen Klingelknopf, der nur ein akustisches Signal auslösen kann. Wir haben eigentlich in allen Bundesländern Bauprogramme, dass zusätzlich diese Rufanlage mit Sprechmöglichkeit ausgestattet wird. Das ist beispielsweise ein Technikbereich, den ich unterstütze, den wir auch in Berlin jetzt im Rahmen der Möglichkeiten ausbauen, dass im Notruf auch der Gefangene sich sofort artikulieren kann.
Remme: Im Zusammenleben der Häftlinge entwickeln sich ja vermutlich in einer Haftanstalt Hierarchien, Häftlingshierarchien. Haben Sie als Anstaltsleiter oder Ihr Personal Einfluss auf diese Strukturen?
Fixson: Wir bemühen uns, Einfluss zu bekommen, sei es, dass wir immer wieder gerade bei den Nationalitäten gucken, wie passen Gruppen zusammen. Wir wollen ganz bestimmt gerade keine Ghettobildung haben, sondern wir versuchen gerade durch den Einsatz unserer Sozialarbeiter und Psychologen eben dort Tendenzen zu erkennen. Aber auch dort möchte ich wieder sagen: vor Ort auf der Station ist ständig der Vollzugsbeamte und dieser Vollzugsbeamte ist je nach Größe für 30 bis 50, 70, 80 Gefangene zuständig. Wenn er diese kennt, wenn ständig der gleiche Beamte eingesetzt ist, dann hat der die beste Möglichkeit, diese Entwicklungen zu erkennen. Wenn dann beispielsweise durch Personalmangel ein Beamter zwei Stationen machen muss, dann fehlt es genau an diesen rechtzeitigen Frühindikationen, wenn sich etwas entwickelt.
Remme: Da Sie Zahlen gerade nennen. Diese JVA in Siegburg war mit 117 Prozent ausgelastet. Das heißt knapp 20 Prozent Überbelegung. Auch ein Normalzustand?
Fixson: Leider ja, etwas was die Bundesvereinigung der Anstaltsleiter immer kritisiert hat, und zwar nicht weil wir alles besser wissen, sondern genau aus der praktischen Erfahrung heraus, wie stark durch Überbelegung die Belastung des Personals steigt. Die Überbelastung hat Auswirkungen auf den Krankenstand und insofern hat die Überbelegung sicherlich einen ganz entscheidenden Anteil daran, wenn es zu Fehlentwicklungen dieser Art kommt.
Remme: Sie sagen zu Recht, dass Sie diesen Fall in Siegburg nur aus der Presse kennen oder aber aus Informationen aus zweiter Hand. Aber von dem was Sie wissen, wäre ein solcher Vorfall in Ihrer Justizvollzugsanstalt möglich oder ausgeschlossen?
Fixson: Wissen Sie es ist immer leicht zu sagen, ich weiß es besser. Ich sage ganz ehrlich, ich bin glücklich, nie einen derartigen Fall gehabt zu haben, aber ich würde nie etwas ausschließen wollen. Ich bin zum Beispiel persönlich sehr betroffen, dass wir in diesem Jahr in Moabit eine nicht erklärliche Anzahl zusätzlicher Selbstmorde hatten. Auch dort hat es Vorkommnisse gegeben, dass in einer doppelbelegten Zelle ein Selbstmord stattgefunden hat. Ich maße mir nicht an, über eine andere Entscheidung zu urteilen. Ich maße mir an einzufordern, dass diese Problematik gesehen wird - und ich glaube das ist eine ganz entscheidende -, dass die Politik dieses sehen muss und auch gerade im Rahmen der Umsetzung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes, nämlich gerade im Erwachsenenvollzug möglichst eine Einzelunterbringung sicherzustellen. Dies sind Forderungen, die wir ganz entscheidend erheben, damit gerade im nächtlichen Bereich - ich lasse mal die Selbstmordproblematik heraus - derartige Dinge nicht passieren können. Insofern machen wir uns sehr stark gegen eine Doppelbelegung, mit Ausnahme von solchen Maßnahmen. Das ist die einzige Möglichkeit, teilweise Selbstmordprophylaxe zu betreiben. In der Regel aber muss nachts ein Gefangener einzeln untergebracht werden.