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"Wir brauchen Privatinvestitionen in Griechenland"

Auf der einen Seite werde an Athen gezahlt, in Athen wiederum gespart: Alexander Graf Lambsdorff schlägt stattdessen für Griechenland einen EU-geförderten Wachstumskurs vor, um "Licht am Ende des Tunnels" zu sehen.

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Peter Kapern | 22.06.2011
    Anne Raith: Die griechische Regierung ist nach dieser Nacht, nach der Vertrauensabstimmung im Parlament, einen Schritt näher an der nächsten Tranche, an den nächsten finanziellen Hilfen. Kommende Woche sollen die Abgeordneten über das Sparpaket abstimmen. Dann könnten die zwölf Milliarden Euro fließen. Doch ist das auf Dauer überhaupt der richtige Weg, immer mehr Hilfszahlungen an Griechenland zu überweisen? – Das hat mein Kollege Peter Kapern den FDP-Europaabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff gefragt.

    Alexander Graf Lambsdorff: Ich glaube, wir müssen eines sehen: Für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ist es so, dass wir das Gefühl haben, hier wird immer mehr gezahlt, mehr gezahlt, mehr gezahlt, wir wissen nicht, wo das endet, und in Griechenland haben die Menschen das Gefühl, es wird immer mehr gespart, gespart und gespart, und die wissen auch nicht, wo das endet.

    Peter Kapern: Stellt sich ja die Frage, wo das Geld bleibt!

    Graf Lambsdorff: Genau! Es ist ganz entscheidend, dass wir das Geld in Wachstumsprojekte stecken, denn letztendlich werden die Griechen mindestens einen Teil dieser Krise nur dadurch bewältigen können, dass sie wieder Wirtschaftswachstum erzielen. Wir brauchen Privatinvestitionen in Griechenland, dafür sollte es zum Beispiel Bürgschaften geben der Europäischen Union, wir haben gesagt, es ist nicht einzusehen, dass der IWF Griechenland Geld zu 3,5 Prozent leiht, aber die europäischen Kredite mit 5 Prozent verzinst werden. Wir brauchen – und da hat Herr Barroso schon recht -wir brauchen auch eine Perspektive für Wachstum in dem Land. Ich glaube nämlich, dass wir nur mit Sparen früher oder später auch eine Beteiligung der privaten Gläubiger – das ist gerade für die FDP besonders wichtig – und Wachstum, nur in der Kombination wird sich ein Licht am Ende des Tunnels zeigen, sowohl für die Menschen in den Ländern, die jetzt hier helfen, als auch für die Menschen in Griechenland, die total verunsichert sind. Die Einsparungen, die es dort gegeben hat, würden im deutschen Vergleich ein Drittel des Bundeshaushaltes ausmachen, das wären 120 Milliarden Euro. Das heißt, jeder dritte Euro, den der Bund ausgibt, wäre eingespart worden. So weit haben die Griechen das schon getrieben. Das ist sehr viel, das verlangt der Bevölkerung viel ab, man muss ein Licht am Ende des Tunnels machen.

    Kapern: Sie haben die Beteiligung privater Gläubiger angesprochen, das wird ja mutmaßlich beim EU-Gipfel auch noch mal ein Thema sein. Die Einigung mutmaßlich sieht so aus, dass es sich um eine freiwillige Beteiligung handeln soll. Gleichwohl verlangen die deutschen Banken Garantien, wenn sie sich freiwillig beteiligen, staatliche Garantien, wenn sie neue Staatsanleihen kaufen. Was ist das für eine Freiwilligkeit, die sich der Staat erst erkaufen muss?

    Graf Lambsdorff: Nein. Ich glaube, es handelt sich hier zunächst mal um einen Diskussions- und Verhandlungsprozess. Es ist völlig normal, dass hier die Institute erst mal Positionen aufbauen. Aber ich glaube, es gibt ein gutes Beispiel dafür, und das ist die sogenannte Wiener Initiative. Wir dürfen nicht vergessen: Außerhalb der Euro-Zone gibt es ja auch zwei EU-Mitgliedsländer, die in dem IWF-Programm drin stecken, das sind Ungarn und Lettland, und auch dort war das Problem mit der Refinanzierung von Staatsanleihen. Dort hat man die Finanzinstitute daran beteiligt, man hat Staatsanleihen umgetauscht in gleich denominierte Staatsanleihen, also sie haben nominal den gleichen Wert, mit längeren Laufzeiten. Eine solche Initiative, glaube ich, wird es wieder geben. Dass im Moment noch diskutiert wird, wie es im Detail aussieht, ist klar, aber am Ende des Tages muss die Beteiligung des Privatsektors an der Bewältigung dieser Krise stehen. Wir können nicht alles beim Steuerzahler abladen.

    Kapern: Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück erwartet einen echten Schuldenschnitt für Griechenland. Halten Sie den auch für unvermeidbar und wenn ja, müsste er dann nicht möglichst schnell kommen?

    Graf Lambsdorff: Ich halte eine Streckung der Schulden, eine sanfte Umschuldung für unvermeidbar. Das sehe ich ähnlich wie Peer Steinbrück, was die Substanz angeht. Allerdings im Verfahren bin ich anderer Auffassung. Ein harter Schuldenschnitt würde ungeahnte Konsequenzen haben, und ich sage das mit dem "ungeahnt" ganz bewusst. Wir haben kein historisches Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Land innerhalb einer Währungsunion einen solchen Schuldenschnitt macht, also mit anderen Worten die Zahlungsunfähigkeit erklärt. Das hat Auswirkungen auf Banken in Deutschland, aber besonders in Frankreich und sogar in den USA, wo Präsident Obama ja die Bundeskanzlerin bekniet hat, bloß diese Rettung Griechenlands nicht zu verschleppen, oder gar zu verhindern. Im Gegenteil: das Weltfinanzsystem blickt sehr genau darauf, wie mit Griechenland umgegangen wird. Ein harter, brutaler Schuldenschnitt, der zu einem ungeordneten chaotischen Staatsbankrott führt, der hätte ähnliche Folgen wie der Bankrott der Lehman Brothers-Bank, und die Folgen, die wollen wir alle nicht noch mal haben.

    Raith: Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit meinem Kollegen Peter Kapern.

    In der Nacht hatte der griechische Premier Giorgos Papandreou eine Vertrauensfrage im griechischen Parlament überstanden. Er will noch heute seinen rigiden Sparkurs in Gesetzesform gießen, um weitere Hilfen der EU in Anspruch nehmen zu können.