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"Wir brauchen Roland Koch weiter in der Politik"

Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hat betont, die Union könne auf einen Mann wie Roland Koch nicht verzichten. Wichtig sei die Einbindung aller Flügel, auch des konservativen und des "demokratisch aufgeklärten patriotischen Flügels". Beckstein räumte ein, dass dies bei der Hessen-Wahl nicht gelungen sei.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Meurer: Die CDU ist am Sonntag in Niedersachsen und Hessen stärkste Partei geblieben. Daran wärmen sich jetzt die Christdemokraten - nach dem ersten Schock, den sie am Sonntagabend empfunden haben. Aber die CDU hat kräftig Federn lassen müssen: mit über zwölf Prozent Minus in Hessen und – das sei nicht vergessen – auch fünf Prozent Minus in Niedersachsen. Außerdem ist mit Roland Koch die Galionsfigur der Konservativen in der CDU angezählt. Seine politische Zukunft gilt als völlig offen. Bleibt er Ministerpräsident von Hessen, geht er vielleicht nach Berlin ins Kabinett, oder wechselt er in die freie Wirtschaft? – In München verfolgt die CSU das Geschehen bei der Schwesterpartei und ich begrüße den Ministerpräsidenten Bayerns Günther Beckstein. Guten Morgen, Herr Beckstein!

    Beckstein: Einen schönen guten Morgen!

    Meurer: Wie sehr war denn das Ergebnis von vorgestern ein Rückschlag für Ihre Schwesterpartei CDU?

    Beckstein: Es war natürlich unerfreulich. Da kann man gar nicht drum herum reden. Allerdings muss man auch wissen, dass die Ergebnisse des Jahres 2003 außergewöhnlich gut gewesen sind. Es war die rot/grüne Koalition, die kurz vorher wiedergewählt worden war, wo die Bürger in hohem Maße unzufrieden waren mit den Beschlüssen, so dass auch eine Menge Protest gegen rot/grün in Berlin dabei gewesen ist. Aber ich rede nicht drum herum: insbesondere das Hessen-Ergebnis ist natürlich etwas, was uns auch in der CSU nicht freuen kann, denn Roland Koch war in der Tat jemand, der ja der CSU auch besonders nahe gestanden ist. Von seinen Positionen her sage ich das auch mit Dankbarkeit. Darum hat es uns auch doppelt weh getan.

    Meurer: In Hessen gab es das schlechteste Ergebnis für die CDU seit 40 Jahren. Lag es am Wahlkampf von Roland Koch?

    Beckstein: Die genauen Gründe muss man natürlich analysieren. Die Problematik ist natürlich, dass hier Frau Ypsilanti auch zunächst deutlich unterschätzt worden war. Dass die SPD Frau Ypsilanti, die ursprünglich ja eine Linke-Flügel-Frau war, in der Zwischenzeit in die Mitte gerückt hat, dass dagegen offensichtlich auch der Wahlkampf kein wirksames Kraut gefunden hat, das muss man im Einzelnen analysieren. Es ist auch nicht die Aufgabe, kluge Ratschläge aus Bayern zu geben, aber das Ergebnis kann uns natürlich auch nicht freuen, gerade auch aus der Sicht, dass die CSU natürlich immer ein großes Gewicht darauf legen muss, dass sie nicht allein der konservative Flügel innerhalb der Union ist.

    Meurer: Also bedeutet das, Herr Beckstein, dass ein CDU-Kandidat nicht zu konservativ auftreten soll, um Wähler zu verprellen?

    Beckstein: Ich glaube das nicht. Wir überlegen uns ja, wie wird das für uns in Bayern. Selbstverständlich glaube ich, dass wir ganz bewusst immer herausstellen müssen, die CSU ist eine Partei der Mitte, aber wir wollen auch die demokratisch Rechte. Wir wollen den konservativen Flügel. Wir wollen den demokratisch aufgeklärten patriotischen Flügel ansprechen. Das ist in Hessen jedenfalls nicht so gelungen, wie wir es uns vorgestellt haben, aber wir werden das in Bayern sicher dennoch unternehmen. Ich bin überzeugt, wir werden das auch erfolgreich schaffen.

    Meurer: Hat sich in Hessen jetzt gezeigt, dass die Konservativen in der CDU eigentlich so langsam keine Rolle mehr spielen?

    Beckstein: Das wäre meines Erachtens sicher ein falscher Schluss, sondern wir müssen unsere Positionen noch deutlicher herüber bringen, vielleicht auch längerfristig. Ich habe den Eindruck, dass bei der Kampagne von Roland Koch nicht deutlich geworden ist, dass es sich wirklich um ein wichtiges Anliegen handelt, das ja bei der Frage Strafschärfung für jugendliche Intensivtäter den Bundesrat schon wiederholt beschäftigt hatte, sondern ich habe den Eindruck, dass manche das nur als Wahlkampf-Gag empfunden haben und dann es als einen nicht sehr glaubwürdigen Versuch verstanden haben, obwohl auch Hessen sich in diesen Fragen immer wieder engagiert hatte. Trotzdem ist es eher als eine kurzfristige Wahlkampfgeschichte verstanden worden und das ist dann weniger glaubwürdig. Wir werden uns zu bemühen haben, diese Positionen deutlich herauszustellen und auch klar zu machen, dass es eine essenzielle Frage der Politik der CSU ist, übrigens auch in der CDU immer großer Wert auf diesen Flügel gelegt wurde. Wenn man das Grundsatzprogramm der CDU anschaut, dann ist dieser Flügel auch ordentlich im Grundsatzprogramm der CDU beteiligt.

    Meurer: Aber in der Politik von Angela Merkel findet sich das kaum. Wenn man die Familienpolitik beispielsweise anschaut – Friedrich Merz ist gegangen -, scheint die Reise doch ziemlich eindeutig zu sein, in welche Richtung es bei der CDU geht.

    Beckstein: In den Beschlüssen einer Großen Koalition ist klar, dass immer nur das sich wieder finden kann, was auch der Koalitionspartner mitmacht. Aber in den Beschlüssen der CDU sind wir sehr wohl auch zum Beispiel mit der Frage Betreuungsgeld im Grundsatzprogramm, das sogar weiter geht als bei der CSU. Im Grundsatzprogramm der CDU ist ganz klar gesagt, dass sich Ausländer integrieren müssen in die deutsche Leitkultur. Diesen Begriff hatten wir zunächst nicht in unserem CSU-Programm drin. Von daher glaube ich, dass auch die CDU weiß, dass sie einerseits die Mitte ist, andererseits aber auch den konservativen Flügel nicht vernachlässigen darf. Und ich hoffe ja auch sehr, dass Roland Koch nach wie vor eine wichtige Rolle in der Politik spielen wird – sei es nun als Ministerpräsident, oder sei es in sonstigen Funktionen. Da bin ich wirklich auch überzeugt. Man kann auf so einen brillanten Mann nicht ohne weiteres verzichten.

    Meurer: Was könnten denn die sonstigen Funktionen sein für Roland Koch?

    Beckstein: Das muss sich Koch selber überlegen. Er kann in der Landespolitik eine wichtige Rolle spielen, je nachdem wie sich das entwickelt. Als stärkste Partei ist ja zunächst mal der Regierungsauftrag für Roland Koch und die CDU in Hessen gegeben. Es wird sicher schwierig sein, aber auch für die SPD ist es genauso schwierig, eine Koalition zu Stande zu bringen, wenn sie nicht mit der Linkspartei zusammenarbeiten will. Es gibt ja wohl da auch gar keine andere Möglichkeit.

    Meurer: Aber es spricht ja viel dafür, wenn es eine Große Koalition in Hessen gibt, dann ohne den Ministerpräsidenten Koch. Sie würden es also befürworten, wenn Koch nach Berlin ginge, um eben weiter ein wichtiger Politiker in der Union zu bleiben?

    Beckstein: Ob in Hessen oder in Berlin, ich sage wir brauchen jedenfalls Roland Koch weiter in der Politik. Er ist ein brillanter Kopf. Er hat im Bereich Wirtschafts- und Steuerpolitik eine wirklich herausragende Leistung. Er hat übrigens auch in Hessen herausragende Leistungen für das Land Hessen auf den Weg gebracht. Ich habe im Wahlkampf mehrfach gesagt, wir wünschen schon deswegen Roland Koch ein gutes Ergebnis in Hessen, damit in Hessen die Wirtschaftspolitik gut gemacht wird, so dass Bayern nicht der einzige Zahler in den Finanzausgleich ist. Der Wähler hat das aber wie gesagt etwas anders und nicht so positiv gesehen.

    Meurer: Da wäre ja Roland Koch genau der richtige Mann als Wirtschaftsminister, als der er in Berlin gehandelt wird?

    Beckstein: Wirtschaftsminister ist Glos und wird das sicher auch bleiben. Die Fragen was in Berlin wäre wenn muss die CDU sich überlegen. Ich denke die erste Priorität heißt, dass jemand, der stärkste Partei in Hessen ist, dann die Regierung zu bilden hat. Diese Frage ist für mich aber sekundär; primär ist für mich die Frage, dass in jedem Fall Roland Koch weiter benötigt wird. Ich als CSU-Mann halte das jedenfalls für ganz eindeutig.

    Meurer: Dass Roland Koch fast untergegangen wäre am Sonntag, dazu soll beigetragen haben Christian Wulff, der Ministerpräsident von Niedersachsen, weil er nämlich den Vorstoß von Koch, auch unter 14jährige ins Strafrecht einzubeziehen, kommentiert hat mit "Kinder bleiben Kinder". War das unfair von Christian Wulff?

    Beckstein: Der Vorstoß von Roland Koch ist aus meiner Sicht ja völlig überzeichnet worden. Es hat ja Roland Koch nicht etwa verlangt, dass man meinetwegen 10- oder 12jährige Kinder generell einsperrt. Dieser Vorschlag ist zunächst völlig verzerrt in der Öffentlichkeit dargestellt worden, um ihn dann abzulehnen. Aber ich glaube nicht, dass es die Absicht von Christian Wulff gewesen ist, das in irgendeiner Weise gegen Roland Koch zu verwenden. Ich habe mehrfach ja in Niedersachsen Wahlkampf gemacht und habe dort gesehen, dass Christian Wulff die Vorschläge, die vorher von Koch im CDU-Präsidium eingebracht worden waren, auch alle dargelegt hat – natürlich nicht in der ersten Priorität, aber er hat diese Beschlüsse, die Politik insgesamt mitgetragen. Sein Innenminister Schünemann ist jemand, der eine ganz klare Sicherheitspolitik betreibt, die sich nicht von meiner damaligen als Innenminister wesentlich unterschieden hat. Also von daher glaube ich nicht, dass es sinnvoll ist, große Gegensätze da hineinzuinterpretieren.

    Meurer: Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein heute Morgen im Deutschlandfunk. Schönen Dank Herr Beckstein und auf Wiederhören!

    Beckstein: Auf Wiederhören!