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"Wir erwarten Aufklärung"

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers muss sich einen neuen Wahlkampf-Manager suchen. Gestern hat der wegen der Werbeaffäre unter Druck geratene NRW-CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst seinen Rücktritt erklärt. Für Sylvia Löhrmann, Fraktionschefin der Grünen im Landtag, ist die Sache damit aber noch nicht vorbei.

Sylvia Löhrmann im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jochen Spengler: Mein Kollege Jürgen Liminski hat gestern Abend Sylvia Löhrmann, die Fraktionschefin der Grünen im Düsseldorfer Landtag, gefragt, ob nun die Blütenträume von einer schwarz-grünen Koalition durch die Affäre und den Rücktritt ausgeträumt sind?

    Sylvia Löhrmann: Es gab keine Blütenträume, sondern es gibt eine Aufstellung der Grünen in Nordrhein-Westfalen mit einem Kurs der Eigenständigkeit und der klaren Zielsetzung für einen Zukunftsplan von Nordrhein-Westfalen, für den wir größtmögliche Unterstützung bei den Bürgerinnen und Bürgern wünschen und dafür kämpfen, und wir haben gesagt, wir möchten am liebsten eine Koalition mit der SPD eingehen. Daneben haben wir uns weitere Optionen offen gehalten für den Fall, dass das nicht reicht. Aber je mehr hier sozusagen alles drunter und drüber geht bei CDU und FDP, umso wahrscheinlicher wird es ja, dass wir uns mit einer Wunschkonstellation auch beschäftigen können und dafür politische Mehrheiten entstehen.

    Jürgen Liminski: Glauben Sie, dass der Rücktritt Bedeutung hat für die Wahlen? Werden Sie daraus ein Wahlkampfthema machen?

    Löhrmann: Wir haben sowieso als Grüne das Thema demokratische Kultur in Nordrhein-Westfalen schon länger formuliert, weil wir es hier in Nordrhein-Westfalen ja im Grunde mit einer Art Sittengemälde zu tun haben des Ministerpräsidenten und der schwarz-gelben Koalition. Ich will das an drei Beispielen noch mal sagen, und da reiht sich dieser Brief und diese vermeintliche Käuflichkeit ein. Als es um den Verfassungsgerichtsspruch ging zur Europawahl und zur Zusammenlegung der Wahltermine, ist durch Äußerung des Innenministers Wolf (FDP) das Verfassungsgericht diskreditiert worden. Als es um kritische Berichte zur Haushaltssituation ging, hat der Finanzminister Linssen den Landesrechnungshof kritisiert. Und jetzt wird eben und steht im Raum, dass die Landes-CDU die Amtsträger, Minister, Ministerinnen und Ministerpräsident benutzt, um Sponsorengelder für die CDU einzutreiben. Das zeigt, dass hier die politischen Sitten verlottern, und die Grünen stehen für Transparenz und für eine demokratische Kultur, die positiv ist für Nordrhein-Westfalen.

    Liminski: Sie sprechen von einer Verlotterung der Sitten. Offenbar hat aber der Ministerpräsident seinen General zum Rücktritt gedrängt. Ist er damit aus der Schusslinie?

    Löhrmann: Herr Wüst ist zurückgetreten – das ist richtig, das war überfällig -, aber die Fragen an den Ministerpräsidenten und die Staatskanzlei bleiben natürlich. Herr Rüttgers hat gestern erklärt, er habe das nicht gekannt und nicht gewusst und habe das sozusagen storniert. Es hat davor ja einen weiteren Fall gegeben, wo Herr Rüttgers offenbar nicht wusste, was da los ist in seiner CDU-Zentrale, nämlich die Überwachung von Frau Kraft im Wahlkampf. Das ist auch damals storniert worden. Also Herr Rüttgers wusste da nicht mehr, was los war. Das ist jetzt durch den Rücktritt erledigt und aus der Welt. Aber die Frage, ob wirklich in der Vergangenheit der Ministerpräsident benutzt wurde als Lockvogel für Sponsoren, der ist nicht aus der Welt und das möchten wir im Hauptausschuss aufgeklärt wissen.

    Liminski: Denken Sie an einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Affäre, oder der Affären?

    Löhrmann: Wir möchten jetzt am Donnerstag Klarheit im Hauptausschuss haben. Wir haben danach noch parlamentarische Möglichkeiten, was das Plenum betrifft, und wir sind zwei Monate vor der Landtagswahl. Danach hat der Souverän die Abstimmungsmöglichkeit und da ist es dann auch am besten aufgehoben.

    Liminski: Halten Sie solche Machenschaften wie jetzt diese Sponsoren-Briefe auch bei anderen Parteien und im Bund für denkbar?

    Löhrmann: Es ist im Grunde ja so, dass es durch das Parteiengesetz geregelte Verfahren gibt, an die sich tunlichst alle halten sollten und die, wenn sie angewandt werden, auch meistens tragfähig sind. Es ist völlig legitim, dass Firmen sich auf Parteitagen auch präsentieren, dass man da Rundgänge macht und dass man sich informiert über die Arbeit. Das ist ein beiderseitiger positiver Zustand und wenn das gemeinnützige Organisationen sind, haben die meistens unentgeltlich die Möglichkeit, sich da zu präsentieren. Die Frage ist eben, ob ein Amtsbonus missbraucht wird, und ob Verfassungsorgane, in dem Fall das Amt des Ministerpräsidenten, zu Markte getragen werden. Da ist die Grenzlinie und die ist auch sichtbar und das muss dann auch aufgeklärt werden und so etwas darf es nicht geben.

    Liminski: Missbrauch des Amtsbonus – wer zu solchen Mitteln greift, dessen Kasse muss schon ziemlich leer sein. Haben die Parteien zu wenig Geld für Wahlkämpfe und Informationsveranstaltungen?

    Löhrmann: Das muss jede Partei für sich entscheiden. Wir Grüne rekrutieren unsere Arbeit im Wesentlichen durch die Mitgliedsbeiträge, durch Spenden auch von Mandatsträgern, auch vereinzelt Spenden von Firmen und Unternehmen, und insofern muss nicht immer ein teuerer Wahlkampf ein guter Wahlkampf sein, sondern ich glaube, das hängt sehr stark davon ab, ob die Politik, die Inhalte und die Personen glaubwürdig sind, und da hat die CDU doch den einen oder anderen Riss bekommen in den letzten Monaten.

    Liminski: Um ein Resümee zu ziehen: für Sie ist die Affäre noch nicht beendet?

    Löhrmann: Nein! Wir erwarten Aufklärung, wir erwarten, dass das Wort des Ministerpräsidenten bekräftigt wird jetzt in dieser Woche, dass da nichts in der Vergangenheit war. Da hat die kritische Öffentlichkeit ein Anrecht drauf und dann müssen wir nach den Ausschuss-Sitzungen weiter sehen.

    Spengler: Sylvia Löhrmann, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, im Gespräch mit meinem Kollegen Jürgen Liminski.