Stefan Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt den Chef der Ökostromsparte des Energiekonzerns RWE Fritz Vahrenholt, früher Manager bei Shell und Umweltsenator in Hamburg. Guten Morgen Herr Vahrenholt.
Fritz Vahrenholt: Guten Morgen Herr Heinlein.
Heinlein: Ist der Gipfel in der Wüste im Sande verlaufen?
Vahrenholt: Es ist das eingetreten, was wir alle befürchtet haben. Wir wissen, dass alle Staaten der Ölförderländer am Anschlag produzieren. Saudi-Arabien kann noch ein bisschen zulegen, aber das entspricht gerade mal dem, was China in einem Jahr zusätzlich verbraucht. Es ist Fakt: wir finden einen Barrel Öl und verbrauchen drei. Das heißt wir müssen damit rechnen, dass wir bald die maximale Förderung erreichen, und deswegen werden wir schnell was tun müssen, damit nicht die Preise explosiv steigen.
Heinlein: Was kann man denn tun, schnell tun?
Vahrenholt: Schnell ist da nicht so viel zu tun, aber es braucht ein Umdenken in der Politik. Zunächst mal muss die Politik so wie Helmut Schmidt Ende der 70er Jahre angesichts der zweiten Ölkrise nun ein Umstiegsprogramm auf den Tisch legen, denn es gibt natürlich Alternativen, wie wir das ja damals auch gemacht haben. Natürlich könnten wir bei 130, 140, 150 Dollar pro Barrel in Deutschland aus Kohle Benzin machen. Das können wir; das ist eine Technologie, die aus Deutschland kommt. Das wäre sogar wettbewerbsfähig aus deutscher Braunkohle, aber dann müsste man zwei Dinge machen. Dann müsste man Ja zur deutschen Braunkohle sagen und man müsste, da ja dann die Braunkohle nicht mehr für die Stromerzeugung zur Verfügung steht, Ja auch zur Kernenergie sagen. Das heißt hier steht ein fundamentaler Konflikt vor uns, denn wenn man 30 Prozent der Stromversorgung, die die Kernenergie liefert, noch wegbrechen lässt angesichts dieser explodierenden Energiemärkte, dann ist das eine Starrsinnspolitik, und ich glaube mehr und mehr sieht man, dass die Mehrheit im Volke hierfür kein Verständnis hat.
Heinlein: Also die Beschlüsse dieses Gipfels in Saudi-Arabien, die Fördermengen zu steigern, bringen nichts, allenfalls eine kurzfristige Entlastung. Es braucht einen grundlegenden Wandel in der Energiestrategie.
Vahrenholt: Ja, so sehe ich das schon. Denn wir müssten eine Politik "weg vom Öl", übrigens auch "weg vom Gas" betreiben. Gas ist viel zu kostbar, um es in der Grundlast zu verbrennen. Wir brauchen Gas für die Heizungen und wir brauchen Gas für die Mobilität, denn auch aus Gas kann man Benzin machen. Wir können aus Braunkohle Benzin machen. Wir können natürlich auch die Möglichkeiten von Elektroautos weiter untersuchen und fördern. Das tun wir ja auch – als RWE auch. Das bedeutet aber auch wiederum, dass wir wieder zurück kommen zum Kern. Dann muss man wieder zu seinen heimischen Energieträgern Ja sagen. Das sind eigentlich nur drei, die wir haben. Das ist die Braunkohle, das ist die Kernenergie und das sind in der Zukunft die erneuerbaren Energien, aber die brauchen noch zehn Jahre, bis sie wirklich diese Lücke füllen können und natürlich auch wettbewerbsfähig füllen können. Aber was tut die Bundesregierung? – Sie hat gerade beschlossen, die Solarenergie für die nächsten 12 Jahre mit 60 Milliarden zu fördern. Was könnte man davon alles tun?
Heinlein: Ist denn, Herr Vahrenholt, der derzeitige Ölpreis noch mit dem normalen Spiel von Angebot und Nachfrage zu erklären, denn noch haben wir ja nicht die alternativen Energien, die Sie gerade aufgezählt haben?
Vahrenholt: Das Problem ist: Wenn Sie sich das mal weltweit anschauen, gibt es kaum einen Staat, der noch steigerungsfähig ist. Die Saudis haben noch ein bisschen, aber bedenken Sie bitte, dass bei den Saudis die größten Ölfunde in den 50er Jahren gemacht worden sind. Das größte Ölfeld der Erde läuft alle. Das ist das arabische Ölfeld Ghawar. Das gleiche gilt für Safaniya und ich will sie gar nicht alle nennen. Die Saudis sind am Anschlag, lassen uns nicht reingucken. Und wenn dann behauptet wird, das sind alles nur Spekulanten, dann muss man einfach sagen: es gibt keine Spekulanten, die nicht einen fundamentalen Trend verstärken. Es mag sein, dass sie den verstärken, aber der fundamentale Trend ist klar. Es ist erkennbar, dass wir kurz vor der maximalen Ölforderung stehen, oder vielleicht haben wir sie auch schon. Das Einzige, was uns noch ein bisschen helfen kann, ist der Irak, der noch mal ein bisschen zulegen kann, aber das dauert auch noch ein, zwei Jahre. Sie müssen bedenken: in China wächst der Ölverbrauch jedes Jahr um zehn Prozent und die überholen in den nächsten Jahren Amerika. Dieser Trend, wenn sich 1,3 Milliarden Menschen in China und 1,3 Milliarden Menschen in Indien mit dem Auto auf den Weg machen, den hält kein saudischer König auf mit zusätzlichen Förderungen. Das hilft uns jetzt vielleicht ein Jahr. Uns hilft wahrscheinlich viel mehr die konjunkturelle Krise in Amerika; dann geht der Ölpreis noch mal auf 100. Aber ich sage voraus: wir werden beim nächsten Aufschwung 250 Dollar sehen. Das sind dann 2,50 € für das Benzin und 150 Euro für den Kubikmeter Heizöl und darauf muss Politik jetzt endlich mal eine Antwort geben.
Heinlein: Herr Vahrenholt, Sie haben kurz die Spekulanten erwähnt. Das war auch ein Thema in Saudi-Arabien. Ist es denn übertrieben, wenn Wirtschaftsminister Glos jetzt sagt, es gebe einen Spekulationssumpf auf den internationalen Ölmärkten, der trockengelegt werden muss? Welchen Anteil haben diese Spekulanten am derzeitigen Preishoch?
Vahrenholt: Sie können nur dann spekulieren – ich sage es noch mal -, wenn die Trends da sind, wenn das Öl knapp ist. Gegen überschüssiges Öl kann niemand spekulieren. Das ist völliger Blödsinn. Und es gibt ja Anzeichen dafür, dass die einzigen die wissen, dass es kein Öl mehr gibt, was in großem Stil ausgebeutet werden kann, die OPEC selbst ist. Sie sind ja am Anschlag! Deswegen gibt es ja durchaus ernst zu nehmende Hinweise, dass diejenigen die wissen, dass in den nächsten Jahren die Ölförderung kippt, auch Teil des Spekulationssystems sind. Dann verschiebt man Förderungen in die Zukunft, weil dann kriegt man nämlich mehr Geld dafür. Insofern da irgendwelche dunklen Gestalten in New York oder in London zu wittern, die jetzt sozusagen spekulieren, das halte ich für einen Ausgang für Helden. Das ist Verschiebung von Problemen. Man muss vielmehr zwei Dinge tun. Wir müssen – da hat der König Recht – unsere Dinge selber in die Hand nehmen. Er sagt jedes Land muss das tun, was es kann, und da hat er wohl Recht.
Heinlein: Was ist die zweite Sache? Sie sagten zwei Dinge muss man tun.
Vahrenholt: Wir müssen etwas tun und das zweite ist natürlich, dass wir in der Politik nicht nur in Deutschland etwas machen müssen, sondern es muss natürlich jedes Land etwas tun. Und wir werden es tun! Es fängt doch schon an, dass die Chinesen anfangen, die Subventionen einzustellen. Diese Preise geben ja auch Signale. Das Problem was wir haben ist das Tempo, in dem jetzt diese Verzerrung oder diese Preisexplosion, diese Krise auf uns herüberschwappt. Das ist übrigens seit Jahren erkennbar, aber man hat sich weggeduckt. Man hat gedacht, wir können das irgendwie wegdiskutieren. Sie kommt und nun ist glaube ich hier wirklich ein Weckruf, der mit Sicherheit dazu führt, dass die Politik sich noch mal überlegen muss, ob die Justierung in der deutschen Energiepolitik wirklich richtig ist.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der Chef der Ökostromsparte des Energiekonzerns RWE Fritz Vahrenholt, früher Manager bei Shell und Umweltsenator in Hamburg. Herr Vahrenholt, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hamburg.
Das Gespräch mit Fritz Vahrenholt zum Ausgang des Ölkrisen-Gipfels können Sie bis mindestens 23.11.2008 als Audio-on-demand abrufen.
Fritz Vahrenholt: Guten Morgen Herr Heinlein.
Heinlein: Ist der Gipfel in der Wüste im Sande verlaufen?
Vahrenholt: Es ist das eingetreten, was wir alle befürchtet haben. Wir wissen, dass alle Staaten der Ölförderländer am Anschlag produzieren. Saudi-Arabien kann noch ein bisschen zulegen, aber das entspricht gerade mal dem, was China in einem Jahr zusätzlich verbraucht. Es ist Fakt: wir finden einen Barrel Öl und verbrauchen drei. Das heißt wir müssen damit rechnen, dass wir bald die maximale Förderung erreichen, und deswegen werden wir schnell was tun müssen, damit nicht die Preise explosiv steigen.
Heinlein: Was kann man denn tun, schnell tun?
Vahrenholt: Schnell ist da nicht so viel zu tun, aber es braucht ein Umdenken in der Politik. Zunächst mal muss die Politik so wie Helmut Schmidt Ende der 70er Jahre angesichts der zweiten Ölkrise nun ein Umstiegsprogramm auf den Tisch legen, denn es gibt natürlich Alternativen, wie wir das ja damals auch gemacht haben. Natürlich könnten wir bei 130, 140, 150 Dollar pro Barrel in Deutschland aus Kohle Benzin machen. Das können wir; das ist eine Technologie, die aus Deutschland kommt. Das wäre sogar wettbewerbsfähig aus deutscher Braunkohle, aber dann müsste man zwei Dinge machen. Dann müsste man Ja zur deutschen Braunkohle sagen und man müsste, da ja dann die Braunkohle nicht mehr für die Stromerzeugung zur Verfügung steht, Ja auch zur Kernenergie sagen. Das heißt hier steht ein fundamentaler Konflikt vor uns, denn wenn man 30 Prozent der Stromversorgung, die die Kernenergie liefert, noch wegbrechen lässt angesichts dieser explodierenden Energiemärkte, dann ist das eine Starrsinnspolitik, und ich glaube mehr und mehr sieht man, dass die Mehrheit im Volke hierfür kein Verständnis hat.
Heinlein: Also die Beschlüsse dieses Gipfels in Saudi-Arabien, die Fördermengen zu steigern, bringen nichts, allenfalls eine kurzfristige Entlastung. Es braucht einen grundlegenden Wandel in der Energiestrategie.
Vahrenholt: Ja, so sehe ich das schon. Denn wir müssten eine Politik "weg vom Öl", übrigens auch "weg vom Gas" betreiben. Gas ist viel zu kostbar, um es in der Grundlast zu verbrennen. Wir brauchen Gas für die Heizungen und wir brauchen Gas für die Mobilität, denn auch aus Gas kann man Benzin machen. Wir können aus Braunkohle Benzin machen. Wir können natürlich auch die Möglichkeiten von Elektroautos weiter untersuchen und fördern. Das tun wir ja auch – als RWE auch. Das bedeutet aber auch wiederum, dass wir wieder zurück kommen zum Kern. Dann muss man wieder zu seinen heimischen Energieträgern Ja sagen. Das sind eigentlich nur drei, die wir haben. Das ist die Braunkohle, das ist die Kernenergie und das sind in der Zukunft die erneuerbaren Energien, aber die brauchen noch zehn Jahre, bis sie wirklich diese Lücke füllen können und natürlich auch wettbewerbsfähig füllen können. Aber was tut die Bundesregierung? – Sie hat gerade beschlossen, die Solarenergie für die nächsten 12 Jahre mit 60 Milliarden zu fördern. Was könnte man davon alles tun?
Heinlein: Ist denn, Herr Vahrenholt, der derzeitige Ölpreis noch mit dem normalen Spiel von Angebot und Nachfrage zu erklären, denn noch haben wir ja nicht die alternativen Energien, die Sie gerade aufgezählt haben?
Vahrenholt: Das Problem ist: Wenn Sie sich das mal weltweit anschauen, gibt es kaum einen Staat, der noch steigerungsfähig ist. Die Saudis haben noch ein bisschen, aber bedenken Sie bitte, dass bei den Saudis die größten Ölfunde in den 50er Jahren gemacht worden sind. Das größte Ölfeld der Erde läuft alle. Das ist das arabische Ölfeld Ghawar. Das gleiche gilt für Safaniya und ich will sie gar nicht alle nennen. Die Saudis sind am Anschlag, lassen uns nicht reingucken. Und wenn dann behauptet wird, das sind alles nur Spekulanten, dann muss man einfach sagen: es gibt keine Spekulanten, die nicht einen fundamentalen Trend verstärken. Es mag sein, dass sie den verstärken, aber der fundamentale Trend ist klar. Es ist erkennbar, dass wir kurz vor der maximalen Ölforderung stehen, oder vielleicht haben wir sie auch schon. Das Einzige, was uns noch ein bisschen helfen kann, ist der Irak, der noch mal ein bisschen zulegen kann, aber das dauert auch noch ein, zwei Jahre. Sie müssen bedenken: in China wächst der Ölverbrauch jedes Jahr um zehn Prozent und die überholen in den nächsten Jahren Amerika. Dieser Trend, wenn sich 1,3 Milliarden Menschen in China und 1,3 Milliarden Menschen in Indien mit dem Auto auf den Weg machen, den hält kein saudischer König auf mit zusätzlichen Förderungen. Das hilft uns jetzt vielleicht ein Jahr. Uns hilft wahrscheinlich viel mehr die konjunkturelle Krise in Amerika; dann geht der Ölpreis noch mal auf 100. Aber ich sage voraus: wir werden beim nächsten Aufschwung 250 Dollar sehen. Das sind dann 2,50 € für das Benzin und 150 Euro für den Kubikmeter Heizöl und darauf muss Politik jetzt endlich mal eine Antwort geben.
Heinlein: Herr Vahrenholt, Sie haben kurz die Spekulanten erwähnt. Das war auch ein Thema in Saudi-Arabien. Ist es denn übertrieben, wenn Wirtschaftsminister Glos jetzt sagt, es gebe einen Spekulationssumpf auf den internationalen Ölmärkten, der trockengelegt werden muss? Welchen Anteil haben diese Spekulanten am derzeitigen Preishoch?
Vahrenholt: Sie können nur dann spekulieren – ich sage es noch mal -, wenn die Trends da sind, wenn das Öl knapp ist. Gegen überschüssiges Öl kann niemand spekulieren. Das ist völliger Blödsinn. Und es gibt ja Anzeichen dafür, dass die einzigen die wissen, dass es kein Öl mehr gibt, was in großem Stil ausgebeutet werden kann, die OPEC selbst ist. Sie sind ja am Anschlag! Deswegen gibt es ja durchaus ernst zu nehmende Hinweise, dass diejenigen die wissen, dass in den nächsten Jahren die Ölförderung kippt, auch Teil des Spekulationssystems sind. Dann verschiebt man Förderungen in die Zukunft, weil dann kriegt man nämlich mehr Geld dafür. Insofern da irgendwelche dunklen Gestalten in New York oder in London zu wittern, die jetzt sozusagen spekulieren, das halte ich für einen Ausgang für Helden. Das ist Verschiebung von Problemen. Man muss vielmehr zwei Dinge tun. Wir müssen – da hat der König Recht – unsere Dinge selber in die Hand nehmen. Er sagt jedes Land muss das tun, was es kann, und da hat er wohl Recht.
Heinlein: Was ist die zweite Sache? Sie sagten zwei Dinge muss man tun.
Vahrenholt: Wir müssen etwas tun und das zweite ist natürlich, dass wir in der Politik nicht nur in Deutschland etwas machen müssen, sondern es muss natürlich jedes Land etwas tun. Und wir werden es tun! Es fängt doch schon an, dass die Chinesen anfangen, die Subventionen einzustellen. Diese Preise geben ja auch Signale. Das Problem was wir haben ist das Tempo, in dem jetzt diese Verzerrung oder diese Preisexplosion, diese Krise auf uns herüberschwappt. Das ist übrigens seit Jahren erkennbar, aber man hat sich weggeduckt. Man hat gedacht, wir können das irgendwie wegdiskutieren. Sie kommt und nun ist glaube ich hier wirklich ein Weckruf, der mit Sicherheit dazu führt, dass die Politik sich noch mal überlegen muss, ob die Justierung in der deutschen Energiepolitik wirklich richtig ist.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der Chef der Ökostromsparte des Energiekonzerns RWE Fritz Vahrenholt, früher Manager bei Shell und Umweltsenator in Hamburg. Herr Vahrenholt, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hamburg.
Das Gespräch mit Fritz Vahrenholt zum Ausgang des Ölkrisen-Gipfels können Sie bis mindestens 23.11.2008 als Audio-on-demand abrufen.