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"Wir geben keine Wahlempfehlung"

Die IG Metall unterstützt im Bundestagwahlkampf keine bestimmte Partei. Der Gewerkschaft komme es darauf an, Themen stark zu machen, sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber.

Berthold Huber im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die IG-Metall ruft auf zu einer politischen Großveranstaltung in Frankfurt heute, man erwartet 50.000 Menschen in der Arena dort, in der Sportarena, wo sonst Fußball gespielt wird. Allerdings, bei dieser politischen Großveranstaltung treten keine Politiker auf. Das soll so ne Art Motivation sein für die Ziele der Gewerkschaften. Wahlkampf ist es auf der einen Seite, aber dann auch wieder nicht. Über all das wollen wir reden, und ich freue mich, dass der Vorsitzende, der 1. Vorsitzende der IG Metall am Telefon ist, guten Morgen, Herr Huber!

    Berthold Huber: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Huber, zunächst einmal, warum gibt’s eigentlich dieses Mal bei der IG Metall und bei den Gewerkschaften keine direkte Unterstützung für eine Partei, eher was Sie nicht wollen, nämlich Schwarz-Gelb, wissen Sie nicht mehr, was Sie wollen?

    Huber: Doch, aber wir haben einfach aus vielen Diskussionen und bei unserer geänderten Mitgliedschaft, die sich breit aus den Beschäftigten, vom Bandarbeiter bis zur Ingenieurin, zusammensetzt, dort haben wir eben einfach erfahren in den letzten Jahren, dass die Leute sagen: Macht die Themen stark, die uns berühren, aber wir entscheiden dann schon selber, was wir wählen. Und das ist eben auch Ausdruck einer aufgeklärten Mitgliedschaft.

    Zurheide: Jetzt könnte man sagen, das hat auch damit zu tun, dass Sie durchaus mit der CDU inzwischen anderen Umgang haben, als es in der Vergangenheit gewesen ist. Sie haben sich kürzlich mit der Kanzlerin getroffen als Gewerkschaftsbosse jetzt insgesamt, dann auch mit dem Herausforderer, mit Herrn Steinmeier. Viele in der CDU oder viele Arbeitnehmer wählen durchaus CDU – Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen geriert sich immer als Arbeiterführer –, hat das auch damit zu tun, dass Sie näher an der CDU sind, nicht vielleicht näher als an der SPD, aber näher als früher?

    Huber: Man muss schon sagen, dass in den letzten Jahren sich die Bundeskanzlerin sehr um Gewerkschaften und die gewerkschaftlichen Themen, die uns berühren, die Arbeitnehmerthemen, gekümmert hat, aber wissen Sie, wir haben ja schon immer – ich komme ja aus Baden-Württemberg, das wissen Sie – haben immer weit über 20 Prozent Gewerkschaftsmitglieder die Union gewählt, wir haben in Bayern viele Gewerkschaftsmitglieder, die die CSU wählen. Wir haben sogar bei den letzten Landtagswahlen hier in Hessen sechs Prozent, die FDP gewählt haben. Also wissen Sie, wir sind ja Einheitsgewerkschaften, wir nehmen das ernst, wir machen die Themen der Beschäftigten stark, der Arbeitnehmer stark, aber wir geben keine Wahlempfehlung ab, das ist ja hinreichend von mir mehrfach gesagt worden.

    Zurheide: Jetzt könnte man sich … ich will’s noch einmal andersrum versuchen, dann kommen wir auch auf die Themen zu sprechen. Es gibt auch Beobachter, die sagen, sie konnten sich diesmal nicht entscheiden, ob es die Wahlempfehlung für Die Linke oder die SPD ist. Drehen wir’s mal um: Könnte das der Grund sein, warum Sie sich zurückhalten?

    Huber: Nein, das ist überhaupt nicht der Grund. Wir haben ja in Deutschland jetzt inzwischen ein Fünf-Parteien-System, die letzten Landtagswahlen haben das noch mal deutlich bestätigt, und wir müssen mit dem umgehen. Und wie gesagt, für uns steht oben dran Einheitsgewerkschaft, und das heißt, dass wir uns an den Themen der Menschen orientieren, dass wir aber keine Wahlempfehlung abgeben. Und wissen Sie, natürlich hat die Linkspartei in verschiedenen Regionen hohe Zustimmung, wir haben auch in der Mitgliedschaft welche Kolleginnen und Kollegen, die Linkspartei wählen, und wir wollen uns in diesen Parteienstreit nicht einlassen, jedenfalls nicht innerhalb der IG Metall, darum geht es doch.

    Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, gerade wo wir Linke und SPD ansprechen, eine gespaltene Linke, hat das der Arbeitnehmerschaft eigentlich je wirklich genutzt? Ist das nicht ein Problem, dass im Moment möglicherweise – auch jetzt im Bundestag ist es ja so – eigentlich eine Mehrheit links von CDU und FDP möglich wäre, sie geht aber nicht, weil da bestimmte Parteien nicht miteinander arbeiten. Schwächt das die Arbeiterbewegung?

    Huber: Ja, auf jeden Fall ist es für unsere Position nicht hilfreich, und ich sage ja auch an der Stelle, in einer Demokratie muss man die Realitäten zur Kenntnis nehmen. Wir haben inzwischen die Linkspartei, wir haben ein Fünf-Parteien-System, und es ist Pflicht der Parteien, nach den Lösungen zu suchen, die der Wähler präferiert. Und das sehen wir dann ja am 27. Ich weiß schon, dass es im Moment wahrscheinlich nicht möglich ist, auf Bundesebene an eine Koalition zwischen SPD und Linke zu denken. Da gibt es viele auch persönliche Animositäten, die im Laufe der letzten Jahre einfach gewachsen sind. Trotzdem, es hilft auch nicht weiter, wenn man irgendeine Position stigmatisiert, und es ist falsch, Die Linke zu stigmatisieren.

    Zurheide: Ist es falsch, dass die SPD Die Linke so stark stigmatisiert, aus Ihrer Sicht?

    Huber: Ja, das ist falsch.

    Zurheide: Lassen wir das mal so stehen. Die Knackpunkte für die neue Regierung, Herr Huber, was ist das: Mitbestimmung, Kündigungsschutz nicht antasten, das ist das eine, aber das ist eher Verteidigung von Rechten. Gehen Sie davon aus, dass das keine Regierung tun wird?

    Huber: Bei der Mitbestimmung sind wir für eine Ausweitung der Mitbestimmung. Wir haben doch gesehen, diese ganzen Verlagerungen – nehmen Sie Nokia Bochum, nehmen Sie AEG in Nürnberg, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wenn dort die Arbeitnehmer etwas mehr zu sagen gehabt hätten, hätte es diese Verlagerungen, die nur nach der Suche nach noch mehr Profit stattgefunden haben – das war ja die Basis, weshalb die Verlagerung stattgefunden hat – mit den erweiterten Mitbestimmungsrechten, zum Beispiel dass das nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat entschieden werden kann, wären diese Verlagerungen nicht passiert. Und wir glauben, dass die Arbeitnehmer ein Recht darauf haben, nicht einfach verlagert zu werden wie irgendwas weiß ich, ein Stück Vieh. Und deswegen verlangen wir an der Stelle eine Erweiterung der Mitbestimmung. Ich hoffe sehr, dass das bei den Parteien inzwischen ankommt. Die Sozialdemokratie, die SPD, hat ja gute Teile unserer Vorstellungen in ihre Programmatik übernommen bzw. in diesen Deutschlandplan von Steinmeier.

    Zurheide: Kommen wir zu den Managergehältern, das ist ein Thema, über das wir auch gleich in dieser Sendung noch weiterreden wollen, auch die Gewerkschaften sind da natürlich nicht ganz unwichtig, sie sitzen auch in vielen Aufsichtsräten. Dass das in der Vergangenheit möglich war, zum Teil auch mit Ihrer Zustimmung, wäre das in der Zukunft so nicht mehr möglich oder ist das schon jetzt nicht möglich? Sind Sie da auch kritischer geworden, als Sie es waren?

    Huber: Ja, es ist … In den letzten Jahren hat die Kritik massiv zugenommen an diesen überhöhten Managergehältern, die in keinem Verhältnis mehr zur – wie soll ich sagen – zur tatsächlichen Entwicklung stehen. Ich meine, nehmen Sie den jüngsten Fall, Porsche, das ist doch vollkommen jenseits von Gut und Böse, wenn man jemand 80 oder noch mehr Millionen vom Ergebnis bekommt und als Bonus bekommt, das steht doch in keiner Relation mehr.

    Zurheide: Das sieht Herr Hück, Ihr Mitglied bei Porsche, allerdings manchmal anders, oder?

    Huber: Das sieht er inzwischen nicht mehr anders.

    Zurheide: Dann hat er da einen Lernprozess durchgemacht. Was verlangen Sie konkret, wie sollten Managergehälter definiert werden? Braucht es da eine gesetzliche Regelung oder reichen die Regelungen, die wir jetzt haben?

    Huber: Wenn es nicht anders geht und wenn Manager nicht zur Einsicht kommen, dann muss das vom Gesetzgeber geklärt werden. Dann brauchen wir von mir aus Obergrenzen, und die müssen immer in Relation zum Geschäftsergebnis stehen. Es ist doch nicht zu akzeptieren, dass Boni ausgeschüttet werden an Leute, die das Unternehmen oder ein Unternehmen an die Wand gefahren haben, in die Krise getrieben haben. Es geht doch darum, dass hier eine nachhaltige Entwicklung von Unternehmen bewertet wird, und daran kann sich dann der Bonus ausrichten und nicht ein Bonus noch dafür, dass man ein Unternehmen in die Krise geführt hat.

    Zurheide: Danke schön. Das war der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber vor einer Veranstaltung der IG Metall heute in Frankfurt. Herr Huber, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Huber: Ich danke Ihnen!