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"Wir haben da Gott sei Dank keine Probleme mit Nachwuchskräften"

Ingo Friedrich, Mitglied des Präsidiums im Europäischen Parlament und stellvertretender CSU-Vorsitzender, hat den Anspruch auf die Benennung des nächsten Bundesagrarministers nach dem Weggang von Horst Seehofer bekräftigt. "Jünger, weiblicher, aber auch regional ausgewogen" werde die Neubesetzung nach Vorstellungen von Horst Seehofer sein. Friedrich betonte, man werde am Donnerstag erstaunt sein, wie gut dies möglich sei.

Ingo Friedrich im Gespräch mit Jochen Fischer |
    Fischer: Mit der Wahl von Horst Seehofer zum bayerischen Ministerpräsidenten ist in Berlin ein Stuhl am Kabinettstisch von Kanzlerin Merkel frei geworden. Der Posten des Ministers für Landwirtschaft und Verbraucherschutz muss also neu besetzt werden. Lange wird sich die Kanzlerin damit nicht Zeit lassen können oder wollen. Allerdings kommt es bei der Entscheidung nicht nur auf sie an, sondern auf die CSU, deren Parteichef wiederum Seehofer heißt, denn die Bayern haben das Vorschlagsrecht für den Ministerposten. Keine leichte Aufgabe, so hat es den Anschein, und vielleicht kann uns Ingo Friedrich die Lage erklären. Er sitzt für die CSU im Europaparlament und er ist ihr stellvertretender Vorsitzender. Guten Morgen, Herr Friedrich.

    Friedrich: Guten Morgen! - Ja selbstverständlich wird die CSU die Rechtslage und den Anspruch nutzen, diesen Minister zu stellen. Agrar bedeutet nach wie vor für Bayern eine ganz wichtige wirtschaftliche Entwicklung. Wir haben die meiste Milchproduktion. Also wir sind an dieser Position natürlich existenziell interessiert und werden sie sicher auch wahrnehmen.

    Fischer: Was wird denn von dem Neuen, von der Neuen konkret verlangt?

    Friedrich: Die Agrarpolitik ist ja die einzige Politik, die voll europäisiert ist. Das heißt, wir brauchen dort jemand, der auch die europäische Erfahrung oder die europäische Dimension kennt. Wir brauchen jemand, der die Sensibilität hat auch für die schwierige Situation etwa im Bereich der Milch, wo wir einen Art kleinen zweiten neuen Bauernverband im Rahmen des BDM haben. Also es ist eine sehr schwierige Aufgabe, weil sie die Psychologie der Landwirte und die sehr komplexe Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene kombinieren muss. Aber wir haben das bisher geschafft und dann werden wir es auch in Zukunft schaffen.

    Fischer: Sie haben die Milchstreitigkeiten angesprochen. Da hat der vergangene Minister Seehofer ja keine gute Figur in Brüssel gemacht.

    Friedrich: Er hat immerhin damals - und das war sehr, sehr wichtig in der damaligen Situation - diesen Milchgipfel einberufen, wo damals zwei sehr zerstrittene Partner, nämlich der Bauernverband und der BDM, sich an einen Tisch gesetzt haben und die Zielrichtung definiert haben. Unstrittig ist, dass zum Beispiel der sogenannte Milchfonds kommen wird. Wir hoffen auf die europäische Zustimmung. Dies wäre natürlich ein ganz, ganz wichtiger Schritt. Dass der Milchpreis sich für unsere Landwirte nicht so positiv entwickelt hat, wie damals erwartet und erhofft, liegt natürlich an der Marktlage und liegt daran, dass Milch heute sehr leicht produziert werden kann, und es gilt nach wie vor (man kann es bedauern oder nicht) die alte Erfahrung, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

    Fischer: Kommen wir mal zurück nach Berlin an den Kabinettstisch, dort wo der Stuhl des Landwirtschaftsministers frei geworden ist, den die CSU zu besetzen hat. Es gibt noch einen anderen CSU-Minister im Kabinett, Michael Glos. Der ist Franke. Ist damit ausgeschlossen, dass der neue, die neue ebenfalls aus Franken kommen?

    Friedrich: Ich würde das nicht so apodiktisch sehen. Entscheidend ist die Kompetenz und entscheidend ist, dass die Aufgaben, die erfüllt werden müssen, gut gemacht werden. Wir sind in einer außerordentlich schwierigen Situation. Die Finanzkrise, die Autoabsatzkrise stehen am Himmel und entscheidend ist, dass die Persönlichkeiten, die diese Aufgaben wahrnehmen, Ideen haben und dazu beitragen, dass diese Krise reduziert wird. Ich persönlich sehe zum Beispiel das Konzept der Steuersenkungen von Michael Glos als wirklich adäquate Antwort auf die derzeitige Situation, fast auf den Stau der Nachfrage. Wir haben ja fast so was wie einen Nachfragestreik, gerade bei den Autos, so dass also hier mehr Geld in den Taschen der Bürger aus meiner Sicht durchaus von Michael Glos als richtiges Konzept vorgeschlagen wurde.

    Fischer: Sie sprechen Michael Glos an. Mit seiner Forderung steht er ja im Kontrast zum Bundesfinanzminister, zu Peer Steinbrück. Der hält nicht so sehr viel - im Moment jedenfalls - davon, Steuern zu senken. Braucht man jetzt nicht eigentlich einen im Wirtschaftsministerium, der im Fach Wirtschaft Peer Steinbrück sozusagen das Wasser reichen kann?

    Friedrich: Na ja, jetzt tun wir mal Herrn Steinbrück nicht überhöhen. Entscheidend ist, was zum Beispiel die Autoindustrie betrifft, im Augenblick heute der Autogipfel in Brüssel, wo hier in Brüssel darüber diskutiert wird, welche Hilfen jetzt adäquat sind, um die Autohalden, die ja leider entstanden sind, wieder abzubauen. Ich sehe überhaupt keine Problematik, die Sie andeuten. Michael Glos macht seine Arbeit sehr gut. Wir haben eine hervorragende wirtschaftliche Entwicklung bisher hingelegt mit hervorragenden Zahlen. Wir werden jetzt alle von der Finanzkrise erwischt und da müssen alle zusammenhelfen, dass diese wirklich immense Geißel - und wir müssen sie wirklich leider toternst nehmen - nicht brutal auf die Realwirtschaft durchschlägt.

    Fischer: In Bayern ist vom neuen Ministerpräsidenten Seehofer ein ganz neues Kabinett zu bilden. Hat denn die CSU jetzt überhaupt genügend Personal dafür und auch für die Ministerposten in Berlin?

    Friedrich: Ja. Wir haben da eine gut aufgestellte Ebene.

    Fischer: An wen denken Sie denn da?

    Friedrich: Eine kluge Zeitung hat mal geschrieben, vielleicht ist es im Bereich 50 bis 60 ein bisschen dünner, aber unterhalb von 50 haben wir eine Reihe von wirklich hervorragend aufgestellten Kollegen und Kolleginnen und ich gehe davon aus, dass Horst Seehofer seine Vorstellungen "jünger, weiblicher, aber auch regional ausgewogen" - das ist natürlich für die Franken in der jetzigen Situation wichtig - durchaus hinbringen kann. Wir werden am Donnerstag, wie ich meine, alle ein bisschen staunen, wie gut dies möglich ist. Wir haben da Gott sei Dank keine Probleme mit Nachwuchskräften.

    Fischer: Sie sprechen jung und weiblich an. Da fällt oft der Name zu Guttenberg, auch Eigner.

    Friedrich: Ja. Das sind alles Namen, die alle ministrabel sind und die hohe Aufgaben wahrnehmen können, vom Generalsekretär bis zum Staatssekretär und bis zum Minister. Also da mache ich mir die allerwenigsten Sorgen, dass nicht dieses neue Kabinett eine Kompetenz darstellt, die diese gigantischen Aufgaben, die vor uns liegen (Landesbank, Finanzkrise, Bildung, Haushalt, Auto, wir haben ja auch große Autofirmen in Bayern), packt und wirklich zukunftsorientiert löst.

    Fischer: Bleiben wir mal bei den Sorgen, die Sie angesprochen haben. Ein großes Thema ist die Erbschaftssteuer. Da hat die CSU ja eine ganz harte Haltung eingenommen. Wird sie nun reformiert oder abgeschafft?

    Friedrich: Es geht darum, dass Essentials eingehalten werden. Ein Essential Nummer 1 ist: Wenn ein selbst genutztes Haus, sagen wir durch den Todesfall eines Partners der weiter bewohnt, der bisher drin ist, dann Erbschaftssteuer in hohem Ausmaß zu verlangen, ist einfach nicht nur unsozial, das ist unmenschlich. Ähnliches gilt für die Weiterbeschäftigung eines Betriebes, wovon Hunderte, beim Mittelstand manchmal 50 Arbeitsplätze abhängen. Das heißt, die Essentials bedeuten, dort wo selbst genutzte Häuser vererbt werden, dort wo ein Betrieb weiterläuft, darf die Erbschaftssteuer nicht anfallen. Innerhalb dieser Essentials ist wenig zu diskutieren. Sobald diese Essentials, diese wesentlichen Aspekte akzeptiert und eingehalten werden, kann man über vieles reden. Wir wollen eine Lösung der Erbschaftssteuerfrage, aber unter Beibehaltung der aus meiner Sicht logischen, für jeden einzelnen Menschen nachvollziehbaren Grundlagen. Selbst genutztes Haus und Weiterführung des Betriebes darf durch die Erbschaftssteuer nicht in unmenschlicher Weise sozusagen abgeschnürt werden.

    Fischer: Vielen Dank. - Ingo Friedrich, der CSU-Abgeordnete im Europaparlament, mit Überlegungen zur Nachfolge von Horst Seehofer als Bundeslandwirtschaftsminister.

    Friedrich: Danke schön.