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"Wir haben da keine belastenden Hinweise"

Die Polizei hatte keine Hinweise auf Sicherheitsbedenken vor der Duisburger Loveparade, sagt Frank Richter. Die Reaktion des Veranstalters auf das Unglück hält Richter allerdings für "unerträglich".

26.07.2010
    Frank Richter: Die Zahl der Polizei, die ja die Aufgabe hat, vor allen Dingen den Zufluss und Abfluss – so war es ja auch in der Konzeption beschrieben –, reichen diese Kräfte aus, der Kräfteeinsatz von 4000, 1200 von der Bundespolizei und 2800 der Landespolizei, ist eine Größenordnung, die für diese Veranstaltung ein realistischer Ansatz sind.

    Zurheide: Jetzt haben Sie es gerade schon gesagt, es gibt ja unterschiedliche Aufgaben. Auf dem Gelände selbst hat der Veranstalter die Hoheit, Sie, die Polizei, sind praktisch nur bis zum Veranstaltungsgelände verantwortlich, und Veranstaltungsgelände war übrigens auch dieser Tunnel. Ist diese Trennung so sinnvoll?

    Richter: Diese Diskussion läuft ja schon seit geraumer Zeit, wir haben das ähnlich wie bei Fußballeinsätzen auch – es ist nicht immer sinnvoll, wir haben es auch in der Vergangenheit beklagt. Da muss man sich auch die Frage stellen, ob dann 1000 Ordner bei dem Konzept ausgereicht haben. Aber das ist von der Genehmigungsbehörde so durchgewunken worden, das heißt, dass hier 1000 Ordner, die vor Ort nicht augenscheinlich zu sehen waren, da ausgereicht hätten, da will ich mal ein großes Fragezeichen hinter machen.

    Zurheide: Jetzt haben Sie gerade gesagt, das hat der Veranstalter respektive die Genehmigungsbehörde so durchgewunken – um das klar zu sagen, das ist die Stadt Duisburg. Oder spricht da sonst noch jemand mit?

    Richter: Nein, die Genehmigungsbehörde ist auf Antrag des Veranstalters die Stadt Duisburg, da gibt es dann insgesamt Kooperationsgespräche. Eines muss klar sein – und das bei dieser, aber auch bei anderen Veranstaltungen: Die Sicherheit muss an erster Stelle stehen. Und wenn das nicht der Fall ist, dann muss es andere Konzepte geben oder beziehungsweise eine Veranstaltung muss in dieser Form abgesagt werden.

    Zurheide: Jetzt gibt es erste Meldungen, die lauten, in der Stadt war man natürlich sehr stolz, dass dieses Ereignis in Duisburg stattfindet, dann auch noch im Kulturhauptstadtjahr insgesamt. Wenn man das jetzt alles auf sich wirken lässt, drängt sich doch der Eindruck auf, der ein oder andere wollte die Veranstaltung um jeden Preis und hat Sicherheitshinweise nicht ganz ernst genommen. Haben Sie solche Hinweise auch bekommen?

    Richter: Also wir haben da keine belastenden Hinweise. Also es ist natürlich klar, dass die Loveparade ein Event ist, wo sich jede Stadt mit schmückt, das ist ja auch im Vorfeld hat man ja einige Bemühungen gehabt, um die Loveparade dann nach Duisburg zu bringen. Nur gestatten Sie mir zwei, drei Anmerkungen dazu: Es ist also natürlich unerträglich, wir dürfen nicht vergessen, 19 Menschen sind umgekommen, und wenn Vermutungen da sind, dass es also da Sicherheitsmängel gegeben hätte, und es wird dann auch nicht ganz konkret der Name genannt, wer hat das vorgetragen, wer hat es nicht vorgetragen, es muss etwas Belastbares sein. Es geht hier um 19 Menschen, es geht also um den Tod von 19 Menschen, und da reichen Vermutungen nicht aus. Und es reicht weiterhin nicht aus, und das halte ich genauso für unerträglich, dass Menschen, die dafür verantwortlich sind wie der Veranstalter, in der Pressekonferenz einfach nur sagen, also es wird keine Loveparade mehr geben, und ich zumindest sehr stark das Gefühl habe, als wenn er mit dieser ganzen Sache sonst überhaupt nichts zu tun hätte. Es gibt ja neben der Frage, wie man das strafrechtlich zu bewerten hat, auch eine moralische Verantwortung außerhalb des Strafgesetzbuches, und da muss man natürlich so einige Fragezeichen machen.

    Zurheide: Es gibt Hinweise, dass ja die beratende Feuerwehr aus Dortmund, eben nicht die Duisburger Feuerwehr, sondern die beratende Feuerwehr aus Dortmund, die ja Erfahrung mit einer Loveparade hat, dass von dort genau die Hinweise gekommen sind, dass das möglicherweise ein Engpass ist, weil nämlich Eingang und Ausgang an einer Stelle wie ein Nadelöhr sind – die Bilder haben wir ja alle gesehen. Ich meine, muss man Fachmann sein, um zu erkennen, dass das vielleicht ein Problem geben könnte?

    Richter: Also, dass grundsätzlich der Zugang und Abgang immer ein Problem ist, gleich bei welcher Veranstaltung, die in einem begrenzten Gebiet ist, das ist klar. Ich kann das momentan weder bestätigen noch widerlegen, dass es diese Sachen gegeben hat. Nur wenn das so ist, hätte man sagen müssen, wir haben Sicherheitsbedenken und es findet nicht statt. Also es gab ja durchaus in dem letzten Jahr auch in Bochum, es ging um den Umbau des Bahnhofes – und wir haben auch schon der Polizei (unverständlich) gesagt, wir können hier die Sicherheit nicht gewährleisten –, dann muss man hier ganz klar einen Schlussstrich ziehen. Noch mal: Die Sicherheit geht vor in dieser Frage, vor jeder Frage eines Kommerzes. Aber es sind momentan keine belastenden Faktoren, die uns zumindest vorliegen. Wenn das der Fall ist, dann muss das geprüft werden und dann muss es auch Konsequenzen geben.

    <u>Zum Loveparade-Unglück auf dradio.de: </u>

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