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"Wir haben den Trend umgekehrt"

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Ralf Brauksiepe, hat die neuen Arbeitsmarktzahlen als Erfolg für die Bundesregierung gewertet. Durch eine effizientere Gestaltung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente habe die große Koalition den Trend umgekehrt, sagte der CDU-Politiker. Er hob hervor, im Jahresvergleich sei auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gestiegen.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Herr Brauksiepe, Schwarz-Rot erntet derzeit die Saat von Rot-Grün, haben wir gerade gehört.

    Ralf Brauksiepe: Also das ist ganz sicher nicht der Fall. Natürlich ist unter Rot-Grün nicht alles falsch gemacht worden. Wir haben ja mit unseren Möglichkeiten im Bundesrat auch manches mitgemacht, was die Zusammenführung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe beispielsweise angeht, aber so unsinnige Dinge wie Personalserviceagenturen, die Rot-Grün gegen unseren Widerstand durchgesetzt hat, die haben sich als falsch erwiesen, die haben wir in der großen Koalition abgeschafft. Wir haben jetzt in einem Jahr 2006 das an Zuwachs bei Erwerbstätigkeit etwa, was in drei Jahren vorher unter Rot-Grün abgebaut worden ist, das heißt, unter Rot-Grün ging es mit den Arbeitsplätzen, mit der Beschäftigung abwärts, und es geht jetzt wieder aufwärts. Wir haben den Trend umgekehrt.

    Breker: Dennoch, nimmt man die Daten aus Nürnberg, dann muss man in der Analyse feststellen, im Moment wird die konjunkturelle Arbeitslosigkeit abgebaut.

    Brauksiepe: Na ja, das ist richtig, aber das ist auch schon mal ein Erfolg, dass die konjunkturelle Arbeitslosigkeit zurückgeht. Also wir haben einen Aufschwung, der wirklich auch trägt, wir haben auch durch die Reformmaßnahmen des vergangenen Jahres, durch das zielgenauere Fördern und Fordern es hinbekommen, dass sich wirtschaftliches Wachstum auch stärker in zusätzlichen Arbeitsplätzen niederschlägt, als das vorher der Fall war. Natürlich müssen wir noch weiter an die Strukturen ran, daran arbeiten wir, aber wir haben das auch schon in vielen Bereichen gemacht, wir haben, wie gesagt, das Fördern und Fordern zielgenauer gemacht, wir haben die Selbständigenförderung neu geordnet, wir haben viele andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen schon jetzt effizienter gestaltet, wir haben die Lohnnebenkosten gesenkt, 2,3 Prozent weniger Arbeitslosenversicherungsbeitrag zum neuen Jahr, eine deutliche Überkompensation des gestiegenen Rentenbeitrags. Man muss auch sehen, anders, als das auch in Ihrem Bericht zum Teil angeklungen ist, geht auch die Langzeitarbeitslosigkeit zurück. Wir haben in einer Zeit, wo die Arbeitslosigkeit bundesweit ganz leicht gestiegen ist, 10.000 Langzeitarbeitslose im Dezember 2006 als im November. Wir haben einen Rückgang der Arbeitslosenzahl bei den unter 25-Jährigen, bei den über 55-Jährigen. Also wir haben in einem Dezember, wo es üblich ist, dass die Arbeitslosigkeit steigt, von daher ist das Unsinn, was Herr Niebel da erzählt hat, in jedem Jahr haben wir im Dezember normalerweise eine höhere Arbeitslosigkeit als im November, ganz gleich von welchem Niveau aus, aber wir haben bei vielen Problemgruppen am Arbeitsmarkt, älteren, jüngeren, Langzeitarbeitslosen gegen jeden Trend eine Verbesserung im Dezember, und ich finde, das sind schon positive Zahlen.

    Breker: Dennoch haben Sie ja eingeräumt, bei der strukturellen Arbeitslosigkeit muss noch etwas geschehen. Wir haben es aus Nürnberg gehört, die 1-Euro-Jobs helfen. Dennoch: Da kann noch etwas getan werden, die Vorschläge der Wirtschaftsweisen liegen ja vor.

    Brauksiepe: Also erstmal ist richtig, dass 1-Euro-Jobs für ein bestimmtes Segment auf dem Arbeitsmarkt ein vernünftiges Angebot sind, deswegen habe ich kein Verständnis für die Polemik dagegen, die zum Teil von der Opposition kommt, das ist ja ein diffuses Bild. Die einen sagen, wir haben zu viele 1-Euro-Jobs, die anderen wie Frau Pau behaupten wahrheitswidrigerweise, wir machten zu wenig aktive Arbeitsmarktpolitik. Wir stellen die gleiche Summe im Bundeshaushalt für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung wie letztes Jahr, und da war es mehr, als am Ende wirklich gebraucht wurde. Aber natürlich müssen wir an die Strukturen ran. Wir haben in Deutschland beispielsweise noch ein Potential an Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich zu heben. Es geht nicht darum, alle Arbeitslose im Niedriglohnbereich unterzubringen, aber wir haben da Potentiale, da arbeiten wir auch in der großen Koalition daran, mit einem Gesetzespaket die zu heben.

    Breker: Und dieses Gesetzespaket kann man mit der Überschrift "Kombilohn" bezeichnen?

    Brauksiepe: Da geht es auch um Kombilohn. Wir hatten in der Gesetzesinitiative 50 plus eine Verbesserung des bisherigen Kombilohnmodells für Arbeitslosengeld-I-Bezieher, wenn Sie so wollen, Kurzzeitarbeitslose. Wir als Union streben an, dass wir auch für ältere Langzeitarbeitslose ein Kombilohnmodell machen, das ist ein Aspekt unter mehreren. Es wird auch diskutiert über einen so genannten sozialen Arbeitsmarkt. Also man muss sehen, dass der wirtschaftliche Aufschwung allein besonders benachteiligte Arbeitslose auch nicht in Beschäftigung bringen wird, da ist der Staat auch gefordert, und dieser Herausforderung stellen wir uns.

    Breker: Und einem zweiten Arbeitsmarkt, dem könnte die Union zustimmen?

    Brauksiepe: Wir reden hier über Maßnahmen für besonders schwer vermittelbare Menschen, die, ich sage es nochmal, durch den Markt allein nicht in Beschäftigung kommen. Das haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, da geht es nicht um bestimmte Begriffe, zweiter Arbeitsmarkt ist eine Bezeichnung vor allem für ABM, das hat nicht die Erfolge gebracht in der Vergangenheit wie erhofft. Früher wurde auch vom dritten Arbeitsmarkt geredet oder auch vom sozialen Arbeitsmarkt geredet. Mir geht es nicht um Begriffe, sondern mir geht es darum, dass wir eine wirtschaftliche Lage haben, wo erfreulicherweise durch die Marktkräfte, durch den wirtschaftlichen Aufschwung viele Menschen in Arbeit gebracht werden, 400.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse haben wir mehr als vor einem Jahr. Also wir haben da nicht nur mehr 1-Euro-Jobs, auch mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, aber der Staat wird bei bestimmten Problemgruppen noch helfen müssen, dieser Aufgabe stellen wir uns.

    Breker: Und so wie die Konjunkturdaten sind, könnte man auch von Seiten der Union einem Mindestlohn zustimmen?

    Brauksiepe: Sie wissen, dass das Thema Mindestlohn sehr umstritten ist. Es ist ja auch etwas, was letztlich die Unternehmen zu bezahlen haben, also der Staat kann sich da scheinbar bequem zurücklehnen und sagen, sollen die Unternehmen mal bezahlen. Es geht darum, dass wir den wirtschaftlichen Aufschwung nicht durch kontraproduktive Maßnahmen derart gefährden, dass wir Mindestlöhne festsetzen, die dann letztlich von der Wirtschaft nicht zu erbringen sind. Aber wir reden über dieses Thema, wir sind bei diesem Thema noch nicht zu Ergebnissen gekommen jetzt abschließend, aber Sie wissen, dass wir die Gebäudereiniger in das Entsendegesetz aufnehmen werden, die gesetzlichen Beratungen laufen zur Zeit, so ist es auch in der großen Koalition verabredet. Das ist ein Schritt hin zu einem tariflichen Mindestlohn für diesen Bereich. Was darüber hinaus noch zu tun ist, darüber werden wir in der großen Koalition zu sprechen haben, aber Sie wissen, wir als Union lehnen einen gesetzlichen, einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ab, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass die SPD eine solche Forderung ernsthaft verfolgt.

    Breker: Herr Brauksiepe, auffällig bei den Zahlen ist ja, dass die Zeitarbeit, die Zeitarbeitsfirmen auch helfen, die Daten so schön zu machen, wie sie derzeit sind aus Nürnberg. Sagt das nicht, dass man vielleicht doch in Sachen Kündigungsschutz irgendetwas machen muss, irgendetwas verändern muss, denn das entlastet ja die Zeitarbeitsfirmen?

    Brauksiepe: Zeitarbeit ist ein Element, das Flexibilität in den Arbeitsmarkt bringt, da haben Sie Recht, es gibt eine Nachfrage nach einer solchen Flexibilität. Ich glaube, das Thema Kündigungsschutz ist in der Vergangenheit häufig überbewertet worden. Es gibt keine Kündigungsschutzregelung, die per se geeignet wäre, Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Ich glaube, das muss man klar sehen. Es hat im Koalitionsvertrag eine Vereinbarung zum Kündigungsschutz gegeben, so wie es aussieht, kommt die nicht zustande. Volker Kauder hat heute angekündigt, dass er davon ausgeht, dass in dieser Legislaturperiode beim Kündigungsschutz nichts passiert, ich glaube, das ist eine realistische Einschätzung.