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"Wir haben den Verfassungsschutz verstärkt"

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann ist der Ansicht, der Fall der "Kölner Kofferbomber" habe gezeigt, dass Staats- und Verfassungsschutz personell verstärkt und mit modernsten Technologien ausgestattet werden müssten. Der CDU-Politiker bekräftigte zudem die Forderung seiner Partei nach der Online-Durchsuchung. Sonst könnten solche Anschläge künftig kaum verhindert werden.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Ein junger Libanese wird beschuldigt, Mittäter der beiden versuchten Anschläge vom Sommer 2006 auf Regionalzüge hier in Deutschland gewesen zu sein. Die Züge fuhren vom Kölner Hauptbahnhof ins Land und hatten zwei Bomben an Bord, die Gott sei Dank nicht explodierten. Der Komplize des in Düsseldorf angeklagten ist übrigens am Vormittag bereits zu 12 Jahren Haft verurteilt worden, in Beirut allerdings. - Wir hatten großes Glück gehabt im Sommer 2006, denn wären die Bomben explodiert, hätte es mit Sicherheit viele Opfer gegeben. Deutschland wäre danach wahrscheinlich ein anderes Land geworden. Ist Deutschland gut gerüstet für den Anti-Terror-Kampf? Diese Frage stellt sich ja jedes Mal erneut, wenn es versuchte Anschläge bei uns gegeben hat oder anderswo Menschen Opfer von Terroranschlägen geworden sind. Der Bundesinnenminister bemüht sich ja seit geraumer Zeit, mit immer mal wieder neuen Vorschlägen auf die sich verändernde Sicherheitslage einzugehen. Meist handelt es sich auch um versuchte Verschärfungen bestehender Gesetze. Was brauchen wir, was brauchen die Behörden, um uns wirklich zu schützen? Ich will jetzt darüber mit dem Innenminister von Niedersachsen Uwe Schünemann sprechen. Schönen guten Tag Herr Schünemann.

    Uwe Schünemann: Ich grüße Sie. Guten Tag!

    Durak: Ich bitte Sie mal, sich zu erinnern. Welche Schlussfolgerungen haben Sie aus den Ereignissen des Sommers 2006 gezogen?

    Schünemann: Für uns war ganz wichtig, dass wir zunächst einmal personell uns verstärkt haben. Wir haben über 30 Mitarbeiter im Staatsschutz zusätzlich. Wir haben den Verfassungsschutz verstärkt. Denn das wichtigste ist, dass wir rechtzeitig und umfassend an Informationen kommen, und da ist es notwendig, dass wir gerade im Kampf gegen den Extremismus und gegen den Terrorismus auch gerade personell gut aufgestellt sind. Das war die Sofortmaßnahme, die wir in Niedersachsen getroffen haben.

    Durak: Und hat sich diese Sofortmaßnahme gelohnt?

    Schünemann: Dieses war absolut richtig, denn wir haben ja ein weiteres Ereignis jetzt in diesem Sommer gehabt: die so genannten Sauerland-Attentäter. Das ist ja auch vereitelt worden. Da war Niedersachsen auch mit betroffen. Hätten wir diese Verstärkung nicht vorgenommen, dann wäre es sehr, sehr schwierig gewesen, diesen ganzen Komplex mit abzuarbeiten.

    Durak: Sie haben die Sauerland-Gruppe erwähnt, auch Ihre Erfolge im Zusammenhang mit den Ermittlungen und Festnahmen. Dabei haben die Sicherheitsbehörden ja selbst davon gesprochen und ziemlich rasch und ziemlich offen auch, dass sie durch diese monatelangen Ermittlungen und Durchsuchungen, ausgedehnten Ermittlungen personell, finanziell und auch technisch an den Rand der Möglichkeiten geraten waren. Brauchen die Behörden, ob nun in Niedersachsen oder auch anderswo, noch mehr Unterstützung, finanziell, vor allem personell und auch technisch?

    Schünemann: Gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung brauchen wir natürlich modernste Kommunikationsmöglichkeiten. Insofern haben wir in Niedersachsen gerade in der letzten Woche noch einmal 1,6 Millionen zusätzlich für die Terrorismusbekämpfung zur Verfügung gestellt. Wir werden 40 zusätzliche Mitarbeiter im Bereich der mobilen Einsatzkommandos einstellen. Wir müssen uns aufgrund der doch sehr konkreten Bedrohungslage personell verstärken, aber wir brauchen auch rechtlich andere Möglichkeiten und da ist das BKA-Gesetz zwingend notwendig und längst überfällig.

    Durak: Welche neuen rechtlichen Möglichkeiten wollen Sie haben?

    Schünemann: Ganz zwingend ist die Online-Durchsuchung bei Terrorismusverdacht. Der Präsident des Bundeskriminalamts hat uns direkt nach den vereitelten Anschlägen mitgeteilt, dass es sehr viel Glück gewesen ist, dass wir vielleicht zehn Prozent der Telefongespräche abhören konnten, denn hier ist mit Verschlüsselung gearbeitet worden. Hier hat man Internet-Telefonie benutzt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Hier muss man, bevor die Verschlüsselung stattfindet, schon auf den Rechner zugreifen können, damit man überhaupt etwas erfährt. Wenn wir das nicht schnell bekommen, dann werden wir bald taub sein und dann können wir solche Anschläge definitiv nicht verhindern. Weiterhin haben wir gesehen, dass es durchaus schwierig ist, vielleicht schon Durchsuchungen von Wohnungen vorzunehmen und insofern dann auch die Extremisten und Terroristen schon vorzuwarnen. Deshalb muss man ernsthaft darüber nachdenken, ob man bei Terrorismusverdacht nicht auch Wohnungsdurchsuchungen ohne dass man es den Betroffenen dann mitteilt durchführen kann.

    Durak: Wer bremst Sie aus und diejenigen, die Sie unterstützen?

    Schünemann: Wir haben auf jeden Fall auf der Innenministerkonferenz eine breite Zustimmung aller Unionsinnenminister und auch der Fraktion. Der Bundesinnenminister ist dafür. Bei der SPD sehe ich, dass die langsam einschwenken bei der Online-Durchsuchung, und wir haben uns verabredet, bei der nächsten Innenministerkonferenz auch die Konsequenzen aus dem letzten Fall ganz intensiv noch mal zu beraten. Da bin ich sicher, dass wir ein neues Paket auch schnüren werden.

    Durak: Sie hatten vorher gesagt, wer sich dem entgegensetzt, trägt Mitschuld oder zumindest sei nicht auszuschließen, dass es bei uns zu Anschlägen kommt, die wirklich Erfolg haben. Heißt das zugespitzt: all jene, die sich gegen dieses wehren, was Sie da wollen, machen sich mitschuldig?

    Schünemann: Zumindest bei der Online-Durchsuchung war bei der Ad-Hoc-Innenministerkonferenz und nach dem Bericht des Bundeskriminalamtes klar, dass Online-Durchsuchungen zwingend notwendig sind und dass es auch eilt. Wir waren uns auch eigentlich mit fast allen SPD-Innenministern einig und es hat nur der Kollege Stegner dann die parteipolitische Schiene gefahren. Das war sehr schädlich und aus meiner Sicht ist das unverantwortlich gerade als Innenminister, wenn man die Bedrohungslage genau kennt.

    Durak: Machen Sie den Anti-Terror-Kampf und das, was dann noch aus Ihrer Sicht fehlt, zum Wahlkampfthema? Es wird ja auch gewählt bei Ihnen.

    Schünemann: Es ist nicht unbedingt das Wahlkampfthema und das eignet sich auch nicht, sondern man will ja auch keine Verunsicherung vornehmen. Nur es ist so: Wenn wir Berichte von den Fachleuten haben und die Politik darauf nicht reagiert, das ist etwas, was einen dann auch schon selber verärgert, aber ebenso nervös macht. Aus dem Grunde müssen wir zu jeder Zeit dann wieder thematisieren, dass wir diese zusätzlichen rechtlichen Möglichkeiten auf jeden Fall brauchen.

    Durak: Herr Schünemann, Taten, auch missglückte, mit islamistischem, mit möglichem islamistischem Hintergrund brauchen auch politische Antworten. Welche?

    Schünemann: Es ist ja nicht so, dass jeder unter Generalverdacht ist. Ganz im Gegenteil! Es ist ja nur eine ganz geringe Gruppe. Aber wir brauchen auf jeden Fall die Mithilfe der muslimischen Bürgerinnen und Bürger bei uns, wenn sie Hinweise haben, dass dieses auch weitergeleitet wird. Das war in der Vergangenheit doch so, dass man da sehr, sehr zurückhaltend gewesen ist. Da kann man nur sagen: das ist notwendig und wir hoffen, dass da im Dialog mit den muslimischen Gemeinden und auch mit den Verbänden es möglich ist, mehr Vertrauen auch aufzubauen. Dieses ist wichtig. Ansonsten müssen wir die Integrationsarbeit insgesamt auch verstärken.

    Durak: Wie läuft denn dies in Niedersachsen, in Ihrem Heimatland?

    Schünemann: Wir fahren dort zweigleisig. Es ist auf der einen Seite so, dass wir durchaus verdachtsunabhängige Kontrollen unter anderem auch vor Moscheen durchführen, um hier neue Erkenntnisse zu bekommen. Auf der anderen Seite führen wir aber auch Gespräche mit den Gemeinden, um hier Vertrauen aufzubauen. Das ist beides notwendig. Auf der anderen Seite sind wir durchaus führend im Bereich zum Beispiel muslimischer Religionsunterricht an Schulen. Wir haben an den Grundschulen schon 1.100 Schülerinnen und Schüler, die muslimischen Religionsunterricht erteilt bekommen. Das ist freiwillig und an den Schulen, wo wir das anbieten, nehmen 95 Prozent auch daran teil. Hier wird der Dialog auf jeden Fall sehr ausgiebig geführt.

    Durak: Uwe Schünemann (CDU), Niedersachsens Innenminister. Herr Schünemann, danke für das Gespräch und auf Wiederhören!