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"Wir haben eine Einigung"

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat sich zufrieden mit der Einigung über schärfere Regeln für Managergehälter geäußert. Es seien Fortschritte erzielt worden, unter anderem bei den Themen Bankenaufsicht und Börsenumsatzsteuer, sagte Steinbrück. In beiden Fällen habe man sich im Koalitionsausschuss darauf verständigt, dass es Gesetzentwürfe geben werde.

Peer Steinbrück im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Am Telefon begrüße ich nun Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nach einer langen Verhandlungsnacht. Guten Morgen, Herr Steinbrück.

    Peer Steinbrück: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Ein Wort von Ihnen zur Stimmung. Das Ende der Großen Koalition wirft seine Schatten voraus, haben wir gerade gehört. Oder auf welchen Nenner bringen Sie im Augenblick das Klima in der Koalition?

    Steinbrück: Nein, vielleicht haben wir es auch ein bisschen kleiner und nicht so dramatisch, und es macht auch keinen Sinn, den anderen immer vorzuwerfen, dass sie in einer Teilfrage nicht zu einer Lösung beigetragen haben. Herr Kauder und Herr Ramsauer heben darauf ab, dass wir uns in der Tat gestern mit Blick auf die Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende, also Hartz IV, in der Zusammenarbeit von Bund und Ländern bereits haben nicht einigen können, aber man kann auch darauf hinweisen, dass Herr Scholz sich bereits vorher eigentlich mit den Ministerpräsidenten Beck und unter anderem auch von der CDU, Herrn Rüttgers, und seinem Arbeits- und Sozialminister Herrn Laumann hat einigen können. Also es macht keinen Sinn, da Vorwürfe hin- und herzuschieben, sondern man wird sehen müssen, wie man die zu erwartenden Entscheidungen der Bundestagsfraktionen in der nächsten Sitzungswoche so erreichen kann, dass wir eine Lösung finden.

    Klein: Lassen Sie uns auf das blicken, wo man sich zunächst einigen konnte: Regelung von Managergehältern. Aktienoptionen verlängern von zwei auf vier Jahre, um allzu kurzfristig gedachte Entscheidungen, die eine schnelle Rendite bringen, aber nicht nachhaltig wirken, zu vermeiden. Das ist jetzt tatsächlich Gesetz?

    Steinbrück: Ja, mehr als das. Ich finde es erstens erfreulich, dass wir uns nicht nur mit Blick auf die Managergehälter haben einigen können, im Übrigen auch noch mal gucken, ob wir weitere Gemeinsamkeiten finden, die bemerkenswerten Vorschläge von CDU/CSU vielleicht zusätzlich auch mit einzubeziehen, dass Boni erst beim Ausscheiden aus dem Unternehmen gezahlt werden, oder auch eine Verlustbeteiligung von Boni stattfindet. Die SPD macht den Vorschlag, dass wir die steuerliche Absetzbarkeit von Abfindungen und von Vergütungen generell einführen wollen, nur um mal zwei, drei Beispiele zu bringen. Das werden wir vielleicht in diesen Gesetzentwurf noch einarbeiten. Darüber hinaus haben wir uns darauf geeinigt, dass es einen Gesetzentwurf geben wird zur Verbesserung der Bankenaufsicht in Deutschland, und der in der Abstimmung befindliche Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung wird ebenfalls weiter vorangetrieben. Das sind sehr erfreuliche Ergebnisse dieses Koalitionsausschusses.

    Klein: Sie haben jetzt beides genannt, Dinge, bei denen man sich geeinigt hat, und einiges, wo Sie noch versuchen wollen, es auf den Weg zu bringen. Was steht denn jetzt wirklich fest?

    Steinbrück: Es steht fest, dass wir in der Tat bei der Steuerhinterziehungsbekämpfung voran kommen. Da gibt es einen Referentenentwurf, der inzwischen einig ist. Aus dem werde ich jetzt eine Kabinettsvorlage machen. Wir sind uns einig, dass wir in dieser Legislaturperiode auf der Basis von vorgelegten Maßnahmen/Vorschlägen die Bankenaufsicht in Deutschland verbessern wollen, und es gibt fünf oder sechs Prüfungspunkte zusätzlich bei den Managergehältern, die eingearbeitet werden sollen in den Gesetzentwurf oder den Katalog von Maßnahmen, den Fraktionsmitglieder von der CDU/CSU- und SPD-Bundestagsfraktion vorgelegt haben.

    Klein: Was soll denn noch geprüft werden?

    Steinbrück: Wie ich schon gesagt habe: Kommen wir dazu, dass die steuerliche Absetzbarkeit eingeführt wird. Wir schlagen vor, ab einer Million nur noch eine hälftige Anrechnung. Wir wollen, dass es zu einem verbindlichen Selbstbehalt von Managern bei den so genannten Versicherungen kommt. Und es gibt eine lange Debatte, ob im Aktiengesetz nicht auch auf das Wohl nicht nur der Aktionäre, der Arbeitnehmer, sondern auch der Allgemeinheit und des Unternehmens insgesamt abgehoben werden soll.

    Klein: Um da noch mal nachzufragen: Die SPD schlug ja vor, wie Sie gerade angedeutet haben, dass die Abfindung nur noch bis zu einer Million steuerlich absetzbar sein soll. Da hat die Union bisher gesagt, da macht sie nicht mit. Da gibt es Bewegung?

    Steinbrück: Ja. Das ist Gegenstand dessen, was ich gerade geschildert habe, nämlich der Prüfung in einer Arbeitsgruppe, ob wir das, was wir bereits einig haben mit Blick auf die Managergehälter, noch erweitern können mit einer Reihe von Vorschlägen, die beide Seiten gemacht haben.

    Klein: Gut. Das geht also in die Arbeitsgruppe und da gab es gestern noch keine Einigung, um das noch mal festzuhalten.

    Steinbrück: Sie reiten so herum auf "keine Einigung". Wir haben eine Einigung, wenn Sie so wollen, über eine Art Grundstock, was die Managergehälter betrifft, und die in meinen Augen eher erfreuliche Debatte gestern ist gewesen, dass es zusätzliche Initiativen gibt, wenn ich das mal auf die SPD beziehen darf, zurückgehend auch auf das Papier von Steinmeier und mir, und die CDU hat auch Vorschläge gemacht, so dass wir dabei sind, können wir das noch auffrischen, können wir das noch erweitern über das hinaus, was bereits einig gestellt ist.

    Klein: Einig ist man sich auch darin, dass Managergehälter weiterhin von Aufsichtsräten festgelegt und bestimmt und auch kontrolliert werden?

    Steinbrück: Nein, da ist ein Unterschied. Da gehen wir weiter. Bisher ist es so gewesen, dass Ausschüsse von Aufsichtsräten maßgeblich darüber beschlossen haben, mit dem Effekt einer gewissen Intransparenz. Hier sind wir uns einig, dass es zunehmend die Aufsichtsräte sein sollen, zumal auch die Aufsichtsräte ja haften müssen. Das ist übrigens ein weiterer Aspekt, über den wir uns in der Tendenz einig sind, dass wir die Haftungen von Managern und von Aufsichtsräten erweitern müssen.

    Klein: Wie wird das gesetzlich überprüft werden?

    Steinbrück: Erst mal müssen wir das in Gesetzesform haben und dann ist der Vollzug des Gesetzes so festzulegen, wie alle anderen Gesetze auch.

    Klein: Gut. Das heißt, Sie sind optimistisch, dass darüber das von Ihnen angestrebte Ziel, nämlich bestimmte Begrenzungen einzuführen, dann auch erreicht werden kann?

    Steinbrück: Transparenz, Begrenzungen, insbesondere aber den negativen, in meinen Augen sehr problematischen Anreizeffekt herauszunehmen, dass Manager an sehr kurzfristigen Umsätzen interessiert sind, ohne darauf zu achten, welche Risiken sie sich damit auf die Bilanzen, teilweise auch außerhalb der Bilanzen holen, und dieser ganze Teufelsmechanismus unterbrochen werden kann, der teilweise über falsche Anreizmechanismen aus der Managervergütung zu dieser unsäglichen Finanzmarktkrise geführt hat. Im Übrigen: Wir reden auch über die Einführung eines Finanz-TÜV, auch und gerade aus der Interessenlage des Verbraucherschutzes, und das Thema Börsenumsatzsteuer ist ebenfalls Gegenstand von weiteren Erörterungen in Koalitionskreisen.

    Klein: Genau, darauf wollte ich gerade kommen. Das ist etwas, was die SPD ja gefordert hat, eine Börsenumsatzsteuer. Die Union hielt bisher dagegen. Diesen Streitpunkt haben sie auch in Arbeitsgruppen vertagt?

    Steinbrück: Ja, richtig. Wir haben es nicht vom Tisch genommen und fairerweise ist darauf hinzuweisen, dass die Union da massive Bedenken hat. Aber die Frage ist, warum wir uns nicht mindestens der Prüfung, der Beleuchtung einer solchen Maßnahme nähern sollen, zumal es ein Instrument ist, das sowohl in London wie an der Wall Street ja gilt.

    Klein: Sie klingen sehr optimistisch, Herr Steinbrück. Rechnen Sie damit, dass diese Themen, zum Beispiel Börsenumsatzsteuer, was in Arbeitsgruppen verlagert wurde, jetzt tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode wird umgesetzt werden können? Rechnen Sie damit?

    Steinbrück: Ja, gut, teilweise. Ich kann ja mit Ihnen acht oder neun dieser Punkte - einige haben wir beim Namen genannt - durchgehen und natürlich wird es nicht so sein, dass man sich über alle einig wird. Aber immerhin empfinde ich es durchaus als Fortschritt, dass wir mit Blick auf die Finanzmärkte doch einen sehr breiten Konsens haben erzielen können.

    Klein: Bei der Börsenumsatzsteuer hält die Union dagegen, das ist ein schlechter Zeitpunkt, um die Börsen weiter mit Kosten zu belasten. Man fürchtet, dass Umsätze eben an andere europäische Standorte, wo auch mit Euro gehandelt wird, ausweichen würden. Das ist in der Substanz inhaltlich aber immer noch nicht Konsens?

    Steinbrück: Nein. Im Übrigen aber gilt der Hinweis, mein Gott, diese Börsenumsatzsteuer in London, die es übrigens seit 1694 gibt, hat den Börsenplatz London ja auch nicht in die Luft geblasen. Auch da bitte ich gelegentlich in der Beurteilung mit den Füßen auf dem Teppich zu bleiben.

    Klein: Ein letzter Punkt, den ich gerne ansprechen würde, Stichwort Staatshilfen für Opel, für welche Unternehmen auch immer. Da hat es weiterhin keine Einigung darüber gegeben, obwohl Sie sagen, die Unternehmen sollen bei der Sicherung von Arbeitsplätzen unterstützt werden. Was genau haben sie da vereinbart?

    Steinbrück: Von "keiner Einigung" kann keine Rede sein, sondern wir haben dieses Problem gemeinsam beleuchtet, insbesondere vor dem Hintergrund der Informationen, die wir am Montag bekommen haben, von dem Unternehmen selber. Da Sie immer auf dem Begriff der Einigung und des Konsenses so herumreiten, es gibt die Einigung, dass das, was wir dort bisher von dem Unternehmen bekommen haben, für die Politik, für die Bundesregierung keine belastbare Grundlage für eine Entscheidung ist. Es gibt darüber hinaus einen breiten Konsens nach den Einlassungen von Steinmeier und der Bundeskanzlerin Frau Merkel, dass wir eine politische Verantwortung haben und diese politische Verantwortung, wenn es irgend geht, auch wahrnehmen wollen, aber dabei natürlich auch nicht auf völlig unzureichender Basis Entscheidungen treffen können, die nicht zu verantworten sind. Deshalb wird es darum gehen, eine ganze Reihe von Fragen einer Klärung zuzuführen, damit wir auf ein sicheres Terrain kommen, um dann gegebenenfalls entscheiden zu können, ob und wie man diesem Unternehmen hilft.

    Klein: Um einen Blick zu werfen auf die kommenden Monate noch bis zur parlamentarischen Sommerpause. Was denken Sie können sie noch auf den Weg bringen bis dahin?

    Steinbrück: Ich habe von einigen Gesetzesinitiativen in diesem Zusammenhang gesprochen.

    Klein: Aber auch von Arbeitsgruppen, die sich noch einigen müssen.

    Steinbrück: Ja, gut. Aber ich meine, das ändert doch nichts an der Tatsache, dass diese Koalition so lange wie möglich ihren Job machen wird, um es modernistisch auszudrücken, oder ihre Pflicht tun wird, und dann wird es irgendwann einen demokratischen Wettbewerb geben. Der gehört dazu und der muss auch heftig sein. Das sind hoffentlich dann sechs bis acht Wochen Bundestagswahl. Und dann werden wir sehen, wie die Regierungsbildung aussieht im Lichte konkreter Wahlergebnisse.

    Klein: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zum gestrigen Koalitionstreffen in Berlin. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Steinbrück.