Christian Schütte: Nach dem Foltermord war sehr schnell die Frage aufgekommen, wer dafür verantwortlich ist. Die Mitarbeiter der JVA Siegburg gerieten in die Kritik, aber auch die Justizministerin Nordrhein-Westfalens, Roswitha Müller-Piepenkötter, ist unter Beschuss gekommen. Damals forderte die Opposition im Landtag ihren Rücktritt. Das hat sie abgelehnt, aber angekündigt, Konsequenzen zu ziehen.
Sie ist nun am Telefon. Guten Tag, Frau Müller-Piepenkötter!
Roswitha Müller-Piepenkötter: Guten Tag, Herr Schütte!
Schütte: Der JVA-Leiter wurde versetzt, Sie haben eine Kommission eingesetzt, um die Situation im Haftvollzug in NRW zu beleuchten. Viel Aufklärungsarbeit, viele gute Absichten, aber sind dann auch wirklich konkrete Taten gefolgt, um die Situation in den Haftanstalten zu verbessern?
Müller-Piepenkötter: Herr Schütte, wir haben nach der schrecklichen Tat in Siegburg unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Situation im Strafvollzug ganz stark intensiviert. Wir hatten bereits vorher entschieden, 250 neue Haftplätze in Heinsberg zu bauen, um den Jugendstrafvollzug zu entlasten. Wir haben nach Siegburg entschieden, eine ganz neue Jugendstrafvollzugsanstalt mit 500 Haftplätzen zu schaffen. Wir haben bereits in diesem Jahr zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und zwar sowohl im allgemeinen Vollzugsdienst, als auch Pädagogen. Insbesondere für jede Jugendstrafanstalt haben wir zwei zusätzliche Pädagogen eingestellt. Und wir haben in diesem Jahr und werden zusätzlich im nächsten Jahr insgesamt 330 neue Mitarbeiter einstellen und 120 Stellen wiederbesetzen, die nach den Plänen der Vorgängerregierung in diesen Jahren hätten gestrichen werden sollen. Wir haben ein Jugendstrafvollzugsgesetz auf den Weg gebracht, der Regierungsentwurf liegt vor, das auch inhaltlich bestimmte Dinge festlegt, die eine intensivere Betreuung, bessere Freizeitgestaltung für die Jugendlichen festschreiben. Das heißt Wohngruppenvollzug, Anspruch auf Einzelunterbringung gesetzlich festgelegt, mehr Sport- und Freizeitangebote auch am Wochenende, klare Vollzugsplanung vom ersten Tag an, um nur einige Punkte zu nennen.
Schütte: Zumindest die Nacht über, Sie haben es gerade erwähnt, sollen die Jugendlichen in Einzelzellen verbringen. Das will das Land NRW gesetzlich verankern. Andere Länder ziehen da nicht mit. In Bayern etwa soll es weiter die problematischen Mehrfachunterbringungen geben können. Halten Sie das für verantwortbar?
Müller-Piepenkötter: Wir haben in Nordrhein-Westfalen gelernt aus langen Erfahrungen und insbesondere aus der schrecklichen Tat in Siegburg und haben entschieden, dass Mehrfachunterbringungen nur in Ausnahmefällen, wenn es aus vollzuglichen Gründen erforderlich ist etwa bei Suizidgefahr, möglich sein soll, aber nicht aus Platznot.
Schütte: Warum ziehen da Ihre Kollegen nicht mit?
Müller-Piepenkötter: Ich bin nicht dazu da, das Handeln meiner Kollegen in den anderen Bundesländern zu kommentieren.
Schütte: Gehen wir noch mal auf den Fall Siegburg ein: Die Aufsichtsbehörde in Wuppertal, das Landesjustizvollzugsamt, hat in Siegburg seine Aufgabe nicht erfüllt. Es wurde kaum kontrolliert, es gab wenig Betreuungsangebote. All das habe das Gewaltpotenzial unter den Häftlingen noch verstärkt, so jedenfalls die Bilanz der Kommission, die Sie eingesetzt haben. Welche personellen Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Müller-Piepenkötter: Ich habe bereits Anfang 2006, also lange vor der schrecklichen Tat in Siegburg, entschieden, das Landesjustizvollzugsamt aufzulösen, und zwar deshalb aufzulösen, weil ich es für richtig halte, dass für die Entscheidungen des Ministeriums, auch für die weitere Planung der direkte Kontakt mit den Anstalten, mit den Anstaltsleitern wichtig ist und so sowohl vor Ort verantwortlicher gehandelt werden kann, als auch eine Beratung und Kontrolle der Anstalten und eine Beratung des Ministeriums bei strategischen Entscheidungen deutlich besser ist, als wenn ein Justizvollzugsamt dazwischen geschaltet ist.
Schütte: Einer der Gründe für Gewalt hinter Gittern sind Drogen. Knapp ein Drittel der Häftlinge soll abhängig sein. Auch beim Vorfall im November sollen Drogen eine Rolle gespielt haben. Sie fordern nun strengere Kontrollen, um den Konsum in den Haftanstalten stärker zu unterbinden. Mit anderen Worten: Auch nachdem durch Siegburg die Misere in den Haftanstalten offenbar wurde, ist der Drogenschmuggel fast ein Dreivierteljahr lang so weitergegangen wie bisher. Wieso?
Müller-Piepenkötter: Wir haben bereits für den Haushalt 2007, also seit einem halben Jahr in Kraft, zunächst die Mittel für die Drogenberatung im Vollzug erhöht. Und ich denke, Beratung und Therapie muss auch im Vordergrund stehen. Drogenabhängigen muss geholfen werden, aus ihrer Sicht herauszukommen. Es gibt zahlreiche Maßnahmen im Vollzug durch Kontrollen von Paketen, Besuchern, Arbeitsstellen, Drogen-Screening und Zellenkontrollen, Drogenmissbrauch, Drogeneinbringen in Anstalten zu unterbinden. Wir werden nie eine hundertprozentige Sicherheit schaffen, aber ich will nicht tatenlos zusehen und jedes Mittel, jede Möglichkeit ergreifen, um Einbringen von Drogen so weit wie möglich zu verhindern. Und da gibt es eben eine neue Technik, ein Detektorrahmen, der es ermöglicht, auch Anhaftungen, geringe Anhaftungen von Drogen am Körper eines Menschen zu untersuchen. Wie weit dieser Detektorrahmen tauglich ist, werden wir ab dem nächsten Monat in einer Justizvollzugsanstalt testen, um dann zu sehen, wie weit der Einsatz in Nordrhein-Westfalen zielführend ist.
Im Jugendstrafvollzuggesetz haben wir im Übrigen vorgesehen, dass keine Genuss- und Lebensmittel mehr in die Anstalten in Päckchen geschickt werden können. Das ist einer der wichtigsten, der wesentlichsten Wege, wie Drogen eingebracht werden in kleinen Mengen, verpackt in Kaffee, Kuchen und Ähnlichem. Das ist natürlich auch für die Inhaftierten nicht ohne Nachteile, aber ich denke, die Drogen sind eine so große Gefahr und so wichtig auch für die Zukunft der jungen Menschen, dass man diesen Nachteil hinnehmen muss.
Schütte: Vielen Dank. Das war die Justizministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Roswitha Müller-Piepenkötter. Danke schön.
Sie ist nun am Telefon. Guten Tag, Frau Müller-Piepenkötter!
Roswitha Müller-Piepenkötter: Guten Tag, Herr Schütte!
Schütte: Der JVA-Leiter wurde versetzt, Sie haben eine Kommission eingesetzt, um die Situation im Haftvollzug in NRW zu beleuchten. Viel Aufklärungsarbeit, viele gute Absichten, aber sind dann auch wirklich konkrete Taten gefolgt, um die Situation in den Haftanstalten zu verbessern?
Müller-Piepenkötter: Herr Schütte, wir haben nach der schrecklichen Tat in Siegburg unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Situation im Strafvollzug ganz stark intensiviert. Wir hatten bereits vorher entschieden, 250 neue Haftplätze in Heinsberg zu bauen, um den Jugendstrafvollzug zu entlasten. Wir haben nach Siegburg entschieden, eine ganz neue Jugendstrafvollzugsanstalt mit 500 Haftplätzen zu schaffen. Wir haben bereits in diesem Jahr zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und zwar sowohl im allgemeinen Vollzugsdienst, als auch Pädagogen. Insbesondere für jede Jugendstrafanstalt haben wir zwei zusätzliche Pädagogen eingestellt. Und wir haben in diesem Jahr und werden zusätzlich im nächsten Jahr insgesamt 330 neue Mitarbeiter einstellen und 120 Stellen wiederbesetzen, die nach den Plänen der Vorgängerregierung in diesen Jahren hätten gestrichen werden sollen. Wir haben ein Jugendstrafvollzugsgesetz auf den Weg gebracht, der Regierungsentwurf liegt vor, das auch inhaltlich bestimmte Dinge festlegt, die eine intensivere Betreuung, bessere Freizeitgestaltung für die Jugendlichen festschreiben. Das heißt Wohngruppenvollzug, Anspruch auf Einzelunterbringung gesetzlich festgelegt, mehr Sport- und Freizeitangebote auch am Wochenende, klare Vollzugsplanung vom ersten Tag an, um nur einige Punkte zu nennen.
Schütte: Zumindest die Nacht über, Sie haben es gerade erwähnt, sollen die Jugendlichen in Einzelzellen verbringen. Das will das Land NRW gesetzlich verankern. Andere Länder ziehen da nicht mit. In Bayern etwa soll es weiter die problematischen Mehrfachunterbringungen geben können. Halten Sie das für verantwortbar?
Müller-Piepenkötter: Wir haben in Nordrhein-Westfalen gelernt aus langen Erfahrungen und insbesondere aus der schrecklichen Tat in Siegburg und haben entschieden, dass Mehrfachunterbringungen nur in Ausnahmefällen, wenn es aus vollzuglichen Gründen erforderlich ist etwa bei Suizidgefahr, möglich sein soll, aber nicht aus Platznot.
Schütte: Warum ziehen da Ihre Kollegen nicht mit?
Müller-Piepenkötter: Ich bin nicht dazu da, das Handeln meiner Kollegen in den anderen Bundesländern zu kommentieren.
Schütte: Gehen wir noch mal auf den Fall Siegburg ein: Die Aufsichtsbehörde in Wuppertal, das Landesjustizvollzugsamt, hat in Siegburg seine Aufgabe nicht erfüllt. Es wurde kaum kontrolliert, es gab wenig Betreuungsangebote. All das habe das Gewaltpotenzial unter den Häftlingen noch verstärkt, so jedenfalls die Bilanz der Kommission, die Sie eingesetzt haben. Welche personellen Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Müller-Piepenkötter: Ich habe bereits Anfang 2006, also lange vor der schrecklichen Tat in Siegburg, entschieden, das Landesjustizvollzugsamt aufzulösen, und zwar deshalb aufzulösen, weil ich es für richtig halte, dass für die Entscheidungen des Ministeriums, auch für die weitere Planung der direkte Kontakt mit den Anstalten, mit den Anstaltsleitern wichtig ist und so sowohl vor Ort verantwortlicher gehandelt werden kann, als auch eine Beratung und Kontrolle der Anstalten und eine Beratung des Ministeriums bei strategischen Entscheidungen deutlich besser ist, als wenn ein Justizvollzugsamt dazwischen geschaltet ist.
Schütte: Einer der Gründe für Gewalt hinter Gittern sind Drogen. Knapp ein Drittel der Häftlinge soll abhängig sein. Auch beim Vorfall im November sollen Drogen eine Rolle gespielt haben. Sie fordern nun strengere Kontrollen, um den Konsum in den Haftanstalten stärker zu unterbinden. Mit anderen Worten: Auch nachdem durch Siegburg die Misere in den Haftanstalten offenbar wurde, ist der Drogenschmuggel fast ein Dreivierteljahr lang so weitergegangen wie bisher. Wieso?
Müller-Piepenkötter: Wir haben bereits für den Haushalt 2007, also seit einem halben Jahr in Kraft, zunächst die Mittel für die Drogenberatung im Vollzug erhöht. Und ich denke, Beratung und Therapie muss auch im Vordergrund stehen. Drogenabhängigen muss geholfen werden, aus ihrer Sicht herauszukommen. Es gibt zahlreiche Maßnahmen im Vollzug durch Kontrollen von Paketen, Besuchern, Arbeitsstellen, Drogen-Screening und Zellenkontrollen, Drogenmissbrauch, Drogeneinbringen in Anstalten zu unterbinden. Wir werden nie eine hundertprozentige Sicherheit schaffen, aber ich will nicht tatenlos zusehen und jedes Mittel, jede Möglichkeit ergreifen, um Einbringen von Drogen so weit wie möglich zu verhindern. Und da gibt es eben eine neue Technik, ein Detektorrahmen, der es ermöglicht, auch Anhaftungen, geringe Anhaftungen von Drogen am Körper eines Menschen zu untersuchen. Wie weit dieser Detektorrahmen tauglich ist, werden wir ab dem nächsten Monat in einer Justizvollzugsanstalt testen, um dann zu sehen, wie weit der Einsatz in Nordrhein-Westfalen zielführend ist.
Im Jugendstrafvollzuggesetz haben wir im Übrigen vorgesehen, dass keine Genuss- und Lebensmittel mehr in die Anstalten in Päckchen geschickt werden können. Das ist einer der wichtigsten, der wesentlichsten Wege, wie Drogen eingebracht werden in kleinen Mengen, verpackt in Kaffee, Kuchen und Ähnlichem. Das ist natürlich auch für die Inhaftierten nicht ohne Nachteile, aber ich denke, die Drogen sind eine so große Gefahr und so wichtig auch für die Zukunft der jungen Menschen, dass man diesen Nachteil hinnehmen muss.
Schütte: Vielen Dank. Das war die Justizministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Roswitha Müller-Piepenkötter. Danke schön.