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"Wir haben keine Richtungskämpfe"

Bayerns Landtagspräsident Alois Glück betrachtet die CSU-Klausurtagung vom Wochenende als Wendepunkt. Die "sehr unnötigen Irritationen der letzten Wochen" seien beigelegt, sagte Glück.

Moderation: Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Die Schlappe bei der Kommunalwahl in Bayern, das Aus des Prestigeprojektes Transrapid und die Turbulenzen bei der BayernLB, sie sind nur einige Stolpersteine der bayerischen CSU in den vergangenen Wochen. Noch vor der Klausurtagung des Vorstands an diesem Wochenende in Wildbad Kreuth gab es Gerüchte, Parteichef Erwin Huber solle noch vor der Landtagswahl im Herbst gestürzt werden. In dem Kurort aber dann zeigte man Geschlossenheit um jeden Preis. Erwin Huber erklärte die Führungskrise für beendet und drohte allen, die dem nicht folgen wollten, sie öffentlich zur Rechenschaft zu ziehen, was anschließend ein CSU-Präsidiumsmitglied nicht davon abhielt zu spötteln, diese Einigkeit halte bis zum 28. September, dem Tag der Landtagswahl, um 18.05 Uhr, wenn die ersten Hochrechnungen bekannt sind.

    Am Telefon ist Alois Glück, Präsident des bayerischen Landtages und Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission. Guten Morgen!

    Alois Glück: Guten Morgen, Frau Kaess!

    Kaess: Herr Glück, sind Sie nach der Klausurtagung alle Parteisorgen los?

    Glück: Ich habe schon lange keine so gute Klausurtagung des Parteivorstands mehr erlebt, und es war eben nicht eine herbeigeredete oder nur durch Disziplin erreichte Geschlossenheit, sondern wir haben inhaltlich sehr intensiv gearbeitet. Und ich denke, das ist gemessen an den Irritationen der letzten Wochen wirklich in der Sache und in der Entwicklung ein Wendepunkt.

    Kaess: Baut sich die Einigkeit nur auf die anstehende Landtagswahl auf?

    Glück: Nein! Zunächst ist ja der ganz große Vorzug der CSU: Wir haben keine Richtungskämpfe. Das unterscheidet uns grundlegend beispielsweise von der SPD oder den Grünen auf der Bundesebene. Auch die FDP ist höchst unsicher über ihren Kurs. Wir haben keinerlei Richtungskämpfe. Verschiedene Personen verbinden sich nicht mit verschiedenen Richtungen.

    Wir haben über die auch zum Teil sehr unnötigen Irritationen der letzten Wochen gesprochen. Es ist offen gesprochen worden. Und wir haben aus innerer Überzeugung unsere Positionen formuliert, wichtige Positionen im Hinblick auf das Grundthema für die Landespolitik in den nächsten Monaten und auf die Leitlinien für die Gesamtausrichtung der Partei. Und wir haben wichtige Entschließungen, Positionen gemeinsam beschlossen zu einigen Kernthemen, die uns gegenwärtig besonders berühren in der Bundespolitik: die Realisierung der Gesundheitspolitik und die Erbschaftssteuer. Das sind inhaltliche Debatten gewesen, fruchtbare Debatten und nicht irgendwelche erzwungene Solidaritäten.

    Kaess: Herr Glück, sind Richtungskämpfe schlechter als eine schwache Führung?

    Glück: Es ist nicht richtig, dass wir eine schwache Führung haben. Wir haben unnötige Irritationen. Bei der Kommunalwahl haben es sich viele zu leicht gemacht. Sie haben nicht in den Spiegel geschaut. Was uns weh getan hat, waren die fünf verlorenen Landratspositionen in Oberbayern. Es sind alle individuellen Fehler, jeder aus der Situation heraus erklärbar. Bei einer Umfrage haben 80 Prozent der Wähler der CSU erklärt, es waren lokale Dinge, die das Wahlergebnis geprägt haben. Wir haben mehr Oberbürgermeister und genauso viele Landräte wie bei der letzten Wahl. Insofern haben wir selbst eigentlich durch ungeschickte Debatten einen schlechteren Eindruck am Schluss hinterlassen, als die Situation ist. Aber die Kommunalwahl ist natürlich schon auch ein Signal für gesellschaftliche Veränderungen, für Schwächen der CSU auch vor Ort.

    Kaess: Wird die Kommunikation zwischen Günther Beckstein und Erwin Huber jetzt verbessert werden?

    Glück: Sie war nicht schlecht. Es werden natürlich einige Dinge auch überhöht, wie das immer ist, wenn einmal die Stimmung schlecht ist, wenn man Fehler sucht. Beide sagen, okay, wir müssen uns auch in der Hektik des Tages dann bei bestimmten Themen auch gewissermaßen in der Sprache deutlicher oder präziser abklären, weil natürlich zu gerne etwas dazwischen interpretiert wird. Es ist ja nicht zu bestreiten, dass es Verbesserungsbedarf gegeben hat.

    Kaess: Wenn Kritiker in Zukunft - und das sollen sie ja, so wurde es angekündigt - demonstrativ ausgeblendet werden, wohin führt das denn in Zukunft? Es gibt ja auch konstruktive Kritik.

    Glück: Davon ist ja nicht die Rede. Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Es gab aber auch einige selbstzerstörerische Mechanismen und Redensarten, Profilieren auf Kosten anderer in der Partei.

    Kaess: Zum Beispiel?

    Glück: Beispiele gibt es genügend in dieser Reihe, irgendwo salopp abwertend über die Führung reden oder über andere Kollegen, Schwächen überhöhen, gleichzeitig aber selbst keine konstruktiven Positionen einbringen. Den Mechanismus gibt es immer wieder. Aber die CSU hat so viel Substanz, dass wir solche Phasen, ich bin sehr lange dabei. ich habe mehrere Wegstrecken von gewaltigen Irritationen erlebt, die Substanz der Partei ist so stark, dass wir so etwas auch überwinden.

    Kaess: Herr Glück, einen Ausweg - das haben Sie schon angesprochen - aus der Krise sucht die CSU darin, sich auf Bundesebene stärker zu profilieren. Dazu gab es in Wildbad Kreuth mehrere Beschlüsse: zur Erbschaftssteuer, Pendlerpauschale oder zur Gesundheitsreform. Will sich die CSU gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel profilieren?

    Kritik an Bundesgesundheitsministerin Schmidt

    Glück: Nein. Es geht uns darum, dass im Gesundheitswesen das auch jetzt eingebracht wird durch die Bundesgesundheitsministerin etwa im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds, was vereinbart ist. Es geht ja nicht um eine Profilierungsstrategie der CSU, sondern es geht um zentrale Anliegen Bayerns und der bayerischen Bevölkerung und auch der bayerischen Ärzteschaft. Und wir haben schon deutlich gemacht - und zwar ganz einvernehmlich -, Land, Bund und die Spitzenmandatsträger, dass nach unserer Überzeugung der Gesundheitsfonds nur zeitgerecht so realisiert werden kann wie vorgesehen, wenn eine ganze Reihe von Fragen vorher geklärt werden, die die Bundesgesundheitsministerin längst hätte klären müssen. Wenn dieses nicht erfolgt, werden wir uns auf jeden Fall gegen die Einführung zu diesem Zeitpunkt stellen. Wir haben den Gesundheitsfonds, nachdem er schon beschlossen ist, zu dem Zeitpunkt nicht generell infrage gestellt, aber sehr wohl, dass wir hier sehr deutlich unsere Bedenken anmelden. Übrigens kommt Ähnliches bereits aus Baden-Württemberg.

    Kaess: Der Gesundheitsfonds, das heißt das eigentlich konkret, soll gestoppt werden, wenn Bayern mehr belastet werden sollte als vorhergesehen. Warum gehen Sie davon überhaupt aus?

    Glück: Weil die Möglichkeit durchaus im Raum steht, weil die Bundesgesundheitsministerin in einer Art agiert, dass wir nur noch misstrauisch sein können, weil es offenbar eine Linie der Bundesgesundheitsministerin gibt, möglichst viele von ihren persönlichen Vorstellungen und denen der SPD schleichend durchzudrücken. Das entspricht nicht den Vereinbarungen und das werden wir nicht mitmachen.

    Kaess: Im Bund ist das nicht sehr solidarisch. Da hat sogar der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber Günther Beckstein daran erinnert, die CSU habe nicht nur Verantwortung für Bayern, sondern auch für Deutschland.

    Glück: Ich kann nicht erkennen, wo das nicht solidarisch wäre, und ich kann überhaupt nicht erkennen, wo eine Differenz zur Position von Edmund Stoiber wäre.

    Kaess: Ist der einstimmige Beschluss des Parteitags ein Ausstiegsszenario aus dem Fonds?

    Glück: Nein, das ist es nicht.

    Kaess: Herr Glück, Horst Seehofer sagt, er glaubt die Kriterien der CSU an dem Gesundheitsfonds können erfüllt werden. Schert er da aus der neuen Parteidisziplin aus?

    Glück: Nein! Wir glauben auch, dass sie erfüllt werden können, aber wir sind uns auch einig einschließlich Horst Seehofer, dass sie erfüllt werden müssen. Wenn sie nicht erfüllt werden könnten, hätten wir damals noch unter der Leitung von Edmund Stoiber nicht zugestimmt. Nur wir lassen da mit uns nicht Schlittenfahren.

    Kaess: Wenn wir die Forderungen anschauen, sollte die Große Koalition also die Pendlerpauschale korrigieren, Steuererleichterungen absegnen und Geld für die Entlastung Bayerns beim Gesundheitsfonds ausgeben. Das alles nur für die CSU?

    Glück: Letztes stimmt schon nicht, der Bund soll mehr Geld ausgeben für die Entlastung Bayerns. Bayern transferiert sehr, sehr viel Geld schon jetzt im Gesundheitswesen in die anderen Bundesländer durch den Ausgleich zwischen den Kassen über den Länderfinanzausgleich. Bayern kann niemand mangelnde Solidarität mit dem Bund oder den schwächeren Ländern nachweisen. Die Pendlerpauschale wird nach aller Wahrscheinlichkeit das Bundesverfassungsgericht korrigieren. Es ist richtig, aber sich jetzt damit auseinanderzusetzen. Und wir können nicht jeden zweiten Tag gemeinsam darüber klagen, dass mit den steigenden Lebenshaltungskosten insbesondere Geringverdiener, die Rentner und all diejenigen, die keine Lohnzuwächse hatten, besonders betroffen sind, aber dann daraus keine Konsequenzen ziehen. Das ist mit dem Vorschlag Pendlerpauschale unter anderem auf dem Tisch.

    Kaess:! Wenn sich Erwin Huber im Koalitionsausschuss Ende April mit seinen Vorschlägen nicht durchsetzen kann, wird er dann noch geschwächter sein als ohnehin schon?

    Glück: Es ist eine gemeinsame Position der CSU, nicht nur eine Position von Erwin Huber und kein Solo von Erwin Huber.

    Kaess: Aber er muss es durchsetzen?

    Glück: Er allein mit dem Gewicht der CSU. Wenn die anderen Koalitionspartner sich nur querstellen, dann müssen sie wissen, dass der Koalitionspartner CSU eine eigenständige Partei ist und hier nicht einfach kommentarlos zur Tagesordnung übergehen kann.

    Kaess: Alois Glück, CSU und Präsident des bayerischen Landtags. Vielen Dank für dieses Gespräch.

    Glück: Bitte sehr. Auf Wiederhören.