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"Wir kämpfen für eine starke FDP"

Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef Schleswig-Holstein, hat bekräftigt, dass für die Liberalen wie für andere Parteien eine Regierungsbeteiligung das erstrebenswerte Ziel ist. Über mögliche Koalitionen müsse man nach einer Wahl reden. Programmatisch gebe es zwar eine größere Nähe zur Union. In der Innen- und Rechtspolitik sei man von ihr aber "meilenweit entfernt".

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: 1998 verlor die Union die Bundestagswahl. Sie kehrte aber sieben Jahre später wieder zurück auf die Regierungsbänke in Gestalt der heutigen Großen Koalition. Die FDP aber, der Juniorpartner der Union vorher, blieb weiter draußen, bleibt weiter draußen, auch weil Parteichef Guido Westerwelle das Leben in der Opposition dem in einer Ampelkoalition vor zwei Jahren vorgezogen hat.

    Beim Parteitag in Stuttgart begrüße ich nun Wolfgang Kubicki, den FDP-Fraktionsvorsitzenden von Schleswig-Holstein. Wie gut oder schlecht geht es der FDP in der Opposition?

    Wolfgang Kubicki: Zunächst einmal ist Opposition an sich keine erstrebenswerte Angelegenheit, aber Guido Westerwelle hält gerade eine sehr streitlustige Rede und macht damit deutlich, dass Opposition auch etwas bewirken kann, wiewohl bei jeder Partei Regierungsbeteiligung das erstrebenswerte Ziel ist.

    Meurer: Was soll denn Opposition bewirken?

    Kubicki: Opposition kann zunächst erst mal mahnen, beklagen und kann auch alternative Wege aufzeigen, etwas freier als in der Regierungsverantwortung, jedenfalls wenn man nicht alleine regiert, und dabei sind wir ja. Das wirtschaftspolitische Programm der FDP steht, das steuerpolitische Programm der FDP steht und wir verfeinern gerade im Bereich der Sozialpolitik, auch im Bereich der Kulturpolitik, auch im Bereich des notwendigen Länderfinanzausgleichs, das heißt der Verteilung der Finanzen zwischen den Ländern, unser Profil, um damit 2009 als, ich sage mal, staatstragende Kraft wahrgenommen zu werden, die es verdient hat, auch wieder in der Regierungsverantwortung wahrgenommen zu werden.

    Meurer: Das Ganze, Herr Kubicki, überklebt oder überschreibt Ihr Parteivorsitzender Guido Westerwelle wie gehört mit der Überschrift: "Mehr Freiheit statt mehr Sozialismus". Funktioniert so ein Rückgriff auf eine Uraltformel?

    Kubicki: Ich würde mit der Formel "Freiheit statt Sozialismus" nicht arbeiten wollen, aber wir sehen gegenwärtig, dass die hohen Wachstumsraten, die wir jetzt erzielen, uns dabei helfen oder dabei helfen können, eine Reihe der sozialpolitischen Probleme und der demographischen Probleme, die wir haben, zu bewältigen. Die FDP ist eine Wachstumspartei. Für uns gilt: Mehr Wohlstand für alle. Wenn wir gleichzeitig feststellen, dass wir die geringste Staatsquote seit 1990 haben, dass das Zurückdrängen des Staates mehr wirtschaftliche Dynamik im privaten Sektor freisetzt, dann ist die Formel: Drängt den Staat zurück, nehmt euere Eigenverantwortung wahr, etwas, was der Gesellschaft hilft, was uns hilft, was vor allen Dingen dazu beitragen kann, Probleme, die auch mit der Globalisierung zu tun haben, im Lande zu bewältigen.

    Meurer: Sollte sich die FDP mehr um ein soziales Profil auch bemühen, denn es ist ja unverkennbar: viele in der Gesellschaft haben Angst vor Veränderungen und Globalisierung.

    Kubicki: Ich denke die FDP muss klar machen - und dabei sind wir gerade -, dass der liberale Gedanke ein ganzheitlicher Ansatz ist, der sich nicht aufspalten lässt. Es gibt nicht Wirtschaftsliberale oder Bürgerrechtsliberale oder Sozialliberale. Wir brauchen, wenn wir den Freiheitsbegriff gebrauchen, auch eine materielle Untermauerung, denn es nützt ja nichts, dass wir den Menschen sagen, nehmt euere Verantwortung selbst wahr, wenn sie materiell gar nicht die Möglichkeiten haben. Wir werden das morgen und übermorgen diskutieren beispielsweise an der Frage, ob wir mehr Kindertagesstätteneinrichtungen brauchen, was bejaht wird, und ob für diejenigen Eltern, die ihre Kinder nicht in Kindertagesstätten bringen, eine sogenannte Herd-Prämie - ich finde den Begriff ja schon sehr schrecklich -, eine Barauszahlung erfolgen soll. Hier geht es nicht nur darum, dass die Eltern ihre Verantwortung wahrnehmen müssen, sondern hier geht es darum, dass der Staat aufpassen muss, dass auch die Verantwortung der Kinder im Auge behalten wird, denn es gibt viele Eltern, die sich ihren Kindern gegenüber nicht so verhalten, wie wir uns das vorstellen.

    Meurer: Die Verantwortung der Eltern meinen Sie, nicht die Verantwortung der Kinder.

    Kubicki: Die Verantwortung der Eltern. Der Staat hat aber eine Verantwortung für die Kinder. Wenn Eltern sich um ihre Kinder nicht kümmern, dann können wir nicht sagen, das ist Teil ihres Freiheitsrechtes, sondern hier müssen auch die Rechte der Kinder wahrgenommen werden. Ich denke, das wird eine sehr spannende Debatte.

    Meurer: Also Sie sind gegen die Herd-Prämie, um diesen Begriff einfach mal zu benutzen?

    Kubicki: Ich bin definitiv gegen die Herd-Prämie - dann könnten wir auch gleich das Kindergeld erhöhen -, weil ich weiß, dass viele Eltern entweder aus mangelnder Verantwortung oder aus mangelndem Bewusstsein heraus sich nicht so sehr um die Entwicklung ihrer Kleinkinder kümmern, gerade in dem Bereich zwischen 3 und 6 Jahren, wie es notwendig wäre, um die Bildungschancen und zukünftigen Lebenschancen der Kinder zu garantieren.

    Meurer: FDP-Chef Guido Westerwelle schlägt sich auf die Seite der Union. Wenn man ihn in den letzten Wochen gehört hat, ist die Union klar der große Partner für die FDP und es gilt nicht mehr gleicher Abstand zu Union und SPD. Ein Fehler?

    Kubicki: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er sich klar auf die Seite der Union schlägt. Zunächst einmal schlägt er sich für die FDP, und zwar wie ich finde hervorragend und für die FDP-Programmatik.

    Meurer: Dann aber auf die Seite einer möglichen Koalition mit der Union.

    Kubicki: Selbstverständlich gilt auch für mich, dass in vielen Bereichen, nicht in allen, in vielen Bereichen die programmatische Nähe, nicht die praktische Politik, zur Union größer ist als zu den Sozialdemokraten. Aber ich selbst habe beispielsweise Schwierigkeiten wie viele in meiner Partei mit ordnungspolitischen Vorstellungen, wie sie Herr Beckstein oder Herr Schäuble formulieren. In der Innen- und Rechtspolitik sind wir mit Sicherheit von der Union meilenweit entfernt. Aber in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik beispielsweise sind wir näher an der Union als an allen anderen Parteien.

    Meurer: Wenn es für Union und FDP zusammen nicht reicht, dann eine Ampel? Was halten Sie davon?

    Kubicki: Zunächst einmal kämpfen wir darum, dass die FDP so stark wird wie irgend möglich. Bei der letzten Bundestagswahl ist die bürgerliche Koalition ja nicht an der FDP gescheitert, sondern an der schwachen CDU. Insofern müsste die Union sich Gedanken darüber machen, wie sie selbst wieder das Jammertal der etwas über 30 Prozent, der unter 40 Prozent verlassen kann. Koalitionen bilden sich aber als Zweckgemeinschaften nach einer Wahl. Die Große Koalition ist ja auch von niemandem gewollt worden und sie existiert jetzt wirklich mehr schlecht als recht. Wir kämpfen für eine starke FDP, und wir werden nach der Wahl sehen, was dabei herauskommt. Ich sage noch einmal: Ich würde mir Zweierbündnisse wünschen, aber mir ist jede Regierungsbeteiligung der FDP lieber als eine Regierung ohne FDP.