Jürgen Zurheide: Wir wollen uns nun mit der Entsorgung in Deutschland etwas näher beschäftigen und haben dafür einen Fachmann am Telefon: Michael Sailer vom Ökoinstitut. Guten Morgen, Herr Sailer!
Michael Sailer: Guten Morgen!
Zurheide: Herr Sailer, zunächst einmal, bevor wir über die Endlagerfrage reden, was ist eigentlich mit dem Atommüll im Moment? Überwiegend wird er zwischengelagert. Ist das eigentlich verantwortbar?
Sailer: Also wir haben Zwischenlager für die schwach und mittelradioaktiven Abfälle, die in unterschiedlich guten Zuständen sind. Manche machen mir auch ehrlich Sorgen. Wir haben die Zwischenlager für die abgebrannten Brennelemente und das Glas, das sind Dinge, die man 30 oder 40 Jahre funktionsfähig hinbekommt, aber dann ist Schluss, und dann brauchen wir eine andere Lösung.
Zurheide: Sie selbst, um das ein bisschen noch mal einzuordnen, kommen aus der Antiatombewegung, allerdings bei der Endlagerfrage sind Sie deutlich anderer Haltung als diejenigen, die da heute demonstrieren. Wollen wir das mal abschichten: Gorleben zum Beispiel, ist das prinzipiell möglich, dort ein Endlager einzurichten, wie ist da im Moment Ihre gegenwärtige Einschätzung?
Sailer: Also Gorleben, da gibt’s ein paar Untersuchungsergebnisse, aber es gibt keine saubere wissenschaftliche Analyse, ob das geeignet ist oder nicht. Und wenn man weiter über Gorleben diskutieren will, muss man erst diese Analyse mit Ergebnis offen durchführen. Und insofern ist für mich unklar, ob Gorleben geeignet ist.
Zurheide: Welche Prüfungen brauchte man denn, um endlich abschätzen zu können, ob Gorleben geeignet ist?
Sailer: Also zentral ist der sogenannte Langzeitsicherheitsnachweis, indem man unter Zuhilfenahme aller geologischen Fakten und Fachkenntnisse und auch ingenieurtechnischer Fachkenntnisse zeigen muss, dass für eine Million Jahre die Abfälle im Endlager bleiben. Und der ist eben für Gorleben nicht geführt, der ist auch nicht bisher für irgendeinen anderen Standort in Deutschland geführt.
Zurheide: Ist es politisch klug, sich nur auf Gorleben zu konzentrieren, oder muss man das nicht auch machen, was die Politiker natürlich nicht wollen, weil man dann nicht nur in Gorleben, sondern anderswo auch Proteste hat?
Sailer: Also meine Haltung, die ich auch öffentlich äußere seit Jahren, ist die: Es ist besser, ein Auswahlverfahren zu machen. Wir haben in Deutschland viele Stellen mit möglicherweise geeigneter Geologie, da gehören verschiedene Salzstöcke dazu, da gehören auch die tektonischen Schichten mehrere hundert Meter unter der Erde dazu. Und da müssen wir so ein Auswahlverfahren machen, und dann muss der technisch-naturwissenschaftlich bestgeeignetste Standort als Projekt angegangen werden. Denn unser zentrales Problem ist – egal ob wir die Atomkraftwerke lieben oder nicht –, wir haben den Atommüll, und den nimmt uns im Ausland auch keiner ab.
Zurheide: Jetzt will ich mit Ihnen nicht unbedingt politisch diskutieren, aber es gibt natürlich die Besorgnis, wenn die Endlagerfrage erst einmal geklärt ist oder wenn man glaubt, sie sei geklärt, dann können die Atomkraftwerke auch länger laufen. Das sagen zumindest viele Leute, die gegen Atomkraft sind. Ist das Argument so falsch?
Sailer: Das Argument ist natürlich richtig, nur ich kann keine gefährliche Situation im Atommüllbereich schaffen, indem ich verhindere über viele Jahrzehnte, dass eine vernünftige Endlagerung kommt, nur um die Atomkraftwerke abzuschalten. Dann muss ich gegen die Atomkraftwerke demonstrieren. Und man muss einfach sehen, dieser Spruch, das Endlagerproblem muss in der gleichen Generation gelöst werden, in der die Abfälle angefallen sind, ist schon falsch. Der erste Atommüll in Deutschland ist 1961 angefallen, da gibt’s viele Leute heute, die damals noch gar nicht gelebt haben.
Zurheide: Kommen wir doch mal zu der ganzen anderen Frage: Zeigen nicht die verschiedenen Dinge, die wir inzwischen über Asse erfahren – über andere Endlagerstätten könnte man Ähnliches sagen –, wo wir immer wieder auf den einen Punkt kommen: Da sind Menschen beteiligt, die können Fehler machen, aber da gibt es auch Interessen – und beides zusammen ist eine Kombination –, lässt diese Kombination eigentlich 100-prozentige Sicherheit zu, denn die brauchen wir ja?
Sailer: Also sie lässt keine 100-prozentige Sicherheit zu, und so, wie sie in Asse gelaufen ist, noch nicht mal 50-prozentige Sicherheit, das muss man ganz klar sagen. Es kommt auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Ganzen an. Das Problem ist nur, wenn wir die Abfälle nicht unter Tage bringen, dann haben wir genau die gleiche Fragestellung, ob Zwischenlager an der Erdoberfläche über Jahrhunderte ordentlich betrieben werden. Deswegen kommen wir trotz all diesen Schwächen aus meiner Sicht um die Endlagerung nicht drumrum. Aber es muss durchgesetzt werden, dass sowohl die Organisation bestmöglich arbeitet, die damit befasst ist – und da haben wir ja in der Asse die Fehler kennengelernt –, und dass eben technisch-naturwissenschaftlich der Standort auch in Ordnung ist. Und das war er in der Asse auch nicht.
Zurheide: Sie haben gerade gesagt, 100-prozentige Sicherheit wird es nicht geben, das beruhigt mich aber nicht gerade, denn eigentlich bei dieser Art von Bedrohung würde ich schon 100 Prozent verlangen. Ist das ein zu hoher Anspruch?
Sailer: Also natürlich, ich bin jemand, der auch immer gern 100 Prozent hat, nur das Problem ist, wir können die Abfälle ja nicht wegzaubern. Und aus meiner Sicht ist eine oberirdische Lagerung über Jahrhunderte und erst recht bis zu ner Million Jahre faktisch nicht durchführbar, da wird’s auf jeden Fall knallen. Und deswegen haben wir nur die Alternative, in die Endlagerung zu gehen, und das bestmöglich, weil dort die Risiken, wenn’s gut gemacht ist, kleiner sind, als eine Million Jahre an der Erdoberfläche zu verbleiben.
Zurheide: Ich hab’s gerade gesagt, Sie stehen der Atomkraft – Sie haben es auch hier deutlich gemacht – eher kritisch gegenüber, bei der Endlagerfrage haben Sie einen Dissens mit dem einen oder anderen Demonstranten, da sind Sie kürzlich mal als Machbarkeitsfanatiker beschimpft worden. Was antworten Sie den Menschen, die Sie so bezeichnen?
Sailer: Den Leuten antworte ich: Ihr demonstriert faktisch dafür, dass die Abfälle eine Million Jahre an der Erdoberfläche bleiben und dass unsere Kinder und Enkel und Urenkel ein Riesenproblem haben, weil die Zwischenlager so lange nicht funktionieren werden.
Zurheide: Das war Michael Sailer vom Ökoinstitut in Darmstadt. Herr Sailer, ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch!
Sailer: Ja, bitte sehr!
Michael Sailer: Guten Morgen!
Zurheide: Herr Sailer, zunächst einmal, bevor wir über die Endlagerfrage reden, was ist eigentlich mit dem Atommüll im Moment? Überwiegend wird er zwischengelagert. Ist das eigentlich verantwortbar?
Sailer: Also wir haben Zwischenlager für die schwach und mittelradioaktiven Abfälle, die in unterschiedlich guten Zuständen sind. Manche machen mir auch ehrlich Sorgen. Wir haben die Zwischenlager für die abgebrannten Brennelemente und das Glas, das sind Dinge, die man 30 oder 40 Jahre funktionsfähig hinbekommt, aber dann ist Schluss, und dann brauchen wir eine andere Lösung.
Zurheide: Sie selbst, um das ein bisschen noch mal einzuordnen, kommen aus der Antiatombewegung, allerdings bei der Endlagerfrage sind Sie deutlich anderer Haltung als diejenigen, die da heute demonstrieren. Wollen wir das mal abschichten: Gorleben zum Beispiel, ist das prinzipiell möglich, dort ein Endlager einzurichten, wie ist da im Moment Ihre gegenwärtige Einschätzung?
Sailer: Also Gorleben, da gibt’s ein paar Untersuchungsergebnisse, aber es gibt keine saubere wissenschaftliche Analyse, ob das geeignet ist oder nicht. Und wenn man weiter über Gorleben diskutieren will, muss man erst diese Analyse mit Ergebnis offen durchführen. Und insofern ist für mich unklar, ob Gorleben geeignet ist.
Zurheide: Welche Prüfungen brauchte man denn, um endlich abschätzen zu können, ob Gorleben geeignet ist?
Sailer: Also zentral ist der sogenannte Langzeitsicherheitsnachweis, indem man unter Zuhilfenahme aller geologischen Fakten und Fachkenntnisse und auch ingenieurtechnischer Fachkenntnisse zeigen muss, dass für eine Million Jahre die Abfälle im Endlager bleiben. Und der ist eben für Gorleben nicht geführt, der ist auch nicht bisher für irgendeinen anderen Standort in Deutschland geführt.
Zurheide: Ist es politisch klug, sich nur auf Gorleben zu konzentrieren, oder muss man das nicht auch machen, was die Politiker natürlich nicht wollen, weil man dann nicht nur in Gorleben, sondern anderswo auch Proteste hat?
Sailer: Also meine Haltung, die ich auch öffentlich äußere seit Jahren, ist die: Es ist besser, ein Auswahlverfahren zu machen. Wir haben in Deutschland viele Stellen mit möglicherweise geeigneter Geologie, da gehören verschiedene Salzstöcke dazu, da gehören auch die tektonischen Schichten mehrere hundert Meter unter der Erde dazu. Und da müssen wir so ein Auswahlverfahren machen, und dann muss der technisch-naturwissenschaftlich bestgeeignetste Standort als Projekt angegangen werden. Denn unser zentrales Problem ist – egal ob wir die Atomkraftwerke lieben oder nicht –, wir haben den Atommüll, und den nimmt uns im Ausland auch keiner ab.
Zurheide: Jetzt will ich mit Ihnen nicht unbedingt politisch diskutieren, aber es gibt natürlich die Besorgnis, wenn die Endlagerfrage erst einmal geklärt ist oder wenn man glaubt, sie sei geklärt, dann können die Atomkraftwerke auch länger laufen. Das sagen zumindest viele Leute, die gegen Atomkraft sind. Ist das Argument so falsch?
Sailer: Das Argument ist natürlich richtig, nur ich kann keine gefährliche Situation im Atommüllbereich schaffen, indem ich verhindere über viele Jahrzehnte, dass eine vernünftige Endlagerung kommt, nur um die Atomkraftwerke abzuschalten. Dann muss ich gegen die Atomkraftwerke demonstrieren. Und man muss einfach sehen, dieser Spruch, das Endlagerproblem muss in der gleichen Generation gelöst werden, in der die Abfälle angefallen sind, ist schon falsch. Der erste Atommüll in Deutschland ist 1961 angefallen, da gibt’s viele Leute heute, die damals noch gar nicht gelebt haben.
Zurheide: Kommen wir doch mal zu der ganzen anderen Frage: Zeigen nicht die verschiedenen Dinge, die wir inzwischen über Asse erfahren – über andere Endlagerstätten könnte man Ähnliches sagen –, wo wir immer wieder auf den einen Punkt kommen: Da sind Menschen beteiligt, die können Fehler machen, aber da gibt es auch Interessen – und beides zusammen ist eine Kombination –, lässt diese Kombination eigentlich 100-prozentige Sicherheit zu, denn die brauchen wir ja?
Sailer: Also sie lässt keine 100-prozentige Sicherheit zu, und so, wie sie in Asse gelaufen ist, noch nicht mal 50-prozentige Sicherheit, das muss man ganz klar sagen. Es kommt auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Ganzen an. Das Problem ist nur, wenn wir die Abfälle nicht unter Tage bringen, dann haben wir genau die gleiche Fragestellung, ob Zwischenlager an der Erdoberfläche über Jahrhunderte ordentlich betrieben werden. Deswegen kommen wir trotz all diesen Schwächen aus meiner Sicht um die Endlagerung nicht drumrum. Aber es muss durchgesetzt werden, dass sowohl die Organisation bestmöglich arbeitet, die damit befasst ist – und da haben wir ja in der Asse die Fehler kennengelernt –, und dass eben technisch-naturwissenschaftlich der Standort auch in Ordnung ist. Und das war er in der Asse auch nicht.
Zurheide: Sie haben gerade gesagt, 100-prozentige Sicherheit wird es nicht geben, das beruhigt mich aber nicht gerade, denn eigentlich bei dieser Art von Bedrohung würde ich schon 100 Prozent verlangen. Ist das ein zu hoher Anspruch?
Sailer: Also natürlich, ich bin jemand, der auch immer gern 100 Prozent hat, nur das Problem ist, wir können die Abfälle ja nicht wegzaubern. Und aus meiner Sicht ist eine oberirdische Lagerung über Jahrhunderte und erst recht bis zu ner Million Jahre faktisch nicht durchführbar, da wird’s auf jeden Fall knallen. Und deswegen haben wir nur die Alternative, in die Endlagerung zu gehen, und das bestmöglich, weil dort die Risiken, wenn’s gut gemacht ist, kleiner sind, als eine Million Jahre an der Erdoberfläche zu verbleiben.
Zurheide: Ich hab’s gerade gesagt, Sie stehen der Atomkraft – Sie haben es auch hier deutlich gemacht – eher kritisch gegenüber, bei der Endlagerfrage haben Sie einen Dissens mit dem einen oder anderen Demonstranten, da sind Sie kürzlich mal als Machbarkeitsfanatiker beschimpft worden. Was antworten Sie den Menschen, die Sie so bezeichnen?
Sailer: Den Leuten antworte ich: Ihr demonstriert faktisch dafür, dass die Abfälle eine Million Jahre an der Erdoberfläche bleiben und dass unsere Kinder und Enkel und Urenkel ein Riesenproblem haben, weil die Zwischenlager so lange nicht funktionieren werden.
Zurheide: Das war Michael Sailer vom Ökoinstitut in Darmstadt. Herr Sailer, ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch!
Sailer: Ja, bitte sehr!