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"Wir können eigentlich nicht zum Status quo ante bellum zurückkehren"

John Koenig, Geschäftsträger der US-Botschaft Berlin, betont die Unterstützung seiner Regierung für eine Zwei-Staaten-Lösing im israelisch-palästinensischen Konflikt. Zuvor müsse aber die Hamas ihre Raketenangriffe auf Israel einstellen. Die Verhandlungen solle man eigentlich zunächst der ägyptischen Führung überlassen.

John Koenig im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Seit August 2006 ist John Koenig Gesandter der US-Botschaft in Deutschland. Seitdem Anfang des Jahres der von Präsident Bush eingesetzte US-Botschafter William Timken seine Arbeit in Deutschland beendet hat, ist John Koenig nun der höchste Repräsentant und Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Deutschland, sozusagen kommissarischer US-Botschafter, bis die neue Regierung Obama einen neuen Botschafter entsenden wird. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Koenig.

    John Koenig: Guten Morgen, Frau Engels, und "Happy new year".

    Engels: Ihnen auch. – Der israelische Ministerpräsident Olmert – Sie haben es gehört – hat nun erstmals humanitäre Korridore für die palästinensischen Menschen in Aussicht gestellt. Wie bewerten Sie die Entwicklung rund um Gaza?

    Koenig: Natürlich sind wir, die Amerikaner, die amerikanische Regierung, zutiefst besorgt über die Lage im Gaza-Streifen und auch im Süden Israels, aber wir begrüßen diesen Schritt der israelischen Regierung.

    Engels: Seit gestern unterstützt die US-Administration auch die Initiative Ägyptens für einen sofortigen Waffenstillstand. Wie stehen die Chancen auf Umsetzung?

    Koenig: Das ist schwer vorauszusagen, aber ich würde sagen, wir bestehen nicht darauf, dass es einen sofortigen Waffenstillstand gibt, aber ansonsten einen auch dauerhaften Waffenstillstand. Das heißt, die Lage muss sich in vielen Hinsichten verbessern. Wir können eigentlich nicht zum Status quo ante bellum zurückkehren. Die Terrororganisation Hamas muss diese Raketenbeschüsse und so weiter einstellen und die Sicherheit Israels muss gewährleistet sein.

    Engels: Sehen Sie Chancen dafür, dass die internationale Gemeinschaft das garantieren kann, dass der Raketenbeschuss aufhört und der Waffenschmuggel auch?

    Koenig: Erstens müssen wir eigentlich die Ägypter ihre Arbeit machen lassen und danach können wir genau darüber reden, wie die Beobachtungsmaßnahmen organisiert werden.

    Engels: Wie groß ist das Machtvakuum, das derzeit durch den Machtwechsel im Weißen Haus entstanden ist, mit Blick auf die Einwirkungsmöglichkeiten der Vereinigten Staaten auf die Konfliktparteien?

    Koenig: Es gibt zurzeit kein Machtvakuum, wie Sie sagen, in Washington. Präsident Bush bleibt natürlich der US-Präsident bis zum 20. Januar. Er ist ja aktiv. Er hat viele Gespräche mit den führenden Persönlichkeiten in dieser Frage schon gehabt. Er hat zum Beispiel gestern schon per Telefon mit der Kanzlerin gesprochen und zur gleichen Zeit ist unsere Außenministerin auch sehr aktiv. Sie hat am Sonntag mit dem Außenminister Herrn Steinmeier gesprochen.

    Engels: Die US-Administration unterstützt traditionell die israelische Position im Nahost-Konflikt. Das wird sich auch unter einem Präsidenten Obama wohl nicht ändern. Eine Resolution gegen das israelische Vorgehen wurde im UN-Sicherheitsrat auch aufgrund der USA abgelehnt. Gibt es Grenzen für die US-Unterstützung für Israel?

    Koenig: Ich würde eher betonen, obwohl Sie die Unterstützung der Vereinigten Staaten für Israel hervorheben, wir unterstützen auch die Palästinenser. Wir unterstützen sehr, sehr aktiv alle Bestrebungen für eine Zwei-Staaten-Lösung der palästinensischen Frage und wir sehen eigentlich, dass diese Angriffe von der Terrororganisation Hamas eine solche Lösung eher vorausschieben.

    Engels: Welche Chancen hat die neue US-Administration nach dieser Gewalteskalation, neue Friedensinitiativen zu starten?

    Koenig: Das würde ich eher nicht sagen. Ich darf nicht darüber spekulieren, was die neue Administration machen kann. Ich würde aber sagen, dass es eine höhere Wahrscheinlichkeit gibt, dass es mehr Kontinuität als Novum in unserer Politik im Mittelost-Konflikt gibt. Ich würde auch betonen, dass die heutige Administration sehr aktiv in der Unterstützung einer Zwei-Staaten-Lösung war.

    Engels: Wir sprechen mit John Koenig, dem Geschäftsträger der US-amerikanischen Botschaft in Berlin, und kommen zu einem anderen wichtigen Thema, das aber ganz anders gelagert ist, denn der Jahreswechsel bringt auch die Änderung der Einreisebestimmungen in die USA mit sich. Auch Deutsche, die nun in die USA einreisen wollen, müssen ab dem 12. Januar zuvor elektronisch per Internet eine Erlaubnis beantragen, und zwar bevor sie abfliegen. Was ändert sich für die Deutschen? Was müssen sie genau vorlegen? Wer wird nicht einreisen dürfen?

    Koenig: Wie Sie gesagt haben, Frau Engels, ab dem 12. Januar 2009, das heißt ab dem nächsten Montag, müssen alle Reisenden im Rahmen des Programms für visumfreies Reisen eine Genehmigung zur Einreise in die USA vor der Reise beantragen. Was der Reisende machen muss ist, sich in das webbasierte EFTA-System einloggen und online einen Antrag mit ihren persönlichen und anderen Daten ausfüllen. Es handelt sich eigentlich um genau dieselben Informationen, die sie derzeit im Formular I-94W im Flugzeug meistens ausfüllen.

    Engels: Was tun, wenn kurzfristig eine USA-Reise ansteht, denn dieser Antrag muss ja 72 Stunden vor Abflug gestellt sein?

    Koenig: Das ist natürlich von dem US-Ministry of Department for Home and Security empfohlen, aber es gibt auch Möglichkeiten, dass man sich später eintragen kann.

    Engels: Datenschützer wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar sehen das neue System mit Skepsis. Er sagte dem Deutschlandfunk:

    O-Ton Peter Schaar: Wie immer, wenn ein manuelles oder papierenes Verfahren durch ein elektronisches Verfahren abgelöst wird, können die Daten viel leichter kopiert, können leichter miteinander verknüpft werden, und sie können auch außer Kontrolle geraten. Das muss man sich ja auch immer wieder klar machen. Auch in den USA wird laufend über Datenverluste berichtet. Jetzt werden die Daten auch elektronisch erhoben und die Daten sollen 70 Jahre gespeichert bleiben. Das halte ich schon für eine massive Ausweitung der Datenverarbeitung.

    Engels: Herr Koenig, haben Sie Verständnis für die Kritik von Herrn Schaar?

    Koenig: Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, das System ist eigentlich kein Novum in der Behandlung von Daten und persönlichen Daten. Die persönlichen Daten werden auch wie immer in den Vereinigten Staaten sehr, sehr gut geschützt. Ich glaube, es besteht keine neue Gefahr für eine Misshandlung oder Missbearbeitung der persönlichen Daten durch die Einführung dieses neuen Systems.

    Engels: Wir sprachen mit John Koenig. Er ist Geschäftsträger der US-amerikanischen Botschaft in Berlin. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Koenig: Ich danke Ihnen auch.