Doris Simon: Niemand erwartet, dass sie plötzlich in Liebe zueinander entbrennen, die Spitzen von Union und SPD, aber es herrscht doch eine gewisse Erleichterung, dass es nun langsam vorangeht. Inzwischen befürwortet eine Mehrheit der Deutschen die große Koalition und die handelnden Parteien anscheinend auch. Da darf dann auch mal ein CSU-Abgeordneter über die SPD lästern, sie sei eine hässliche Braut, die man sich jetzt vor der Ehe erst einmal schön reden müsse. Egal, das Klima ist relativ freundlich und die Gesichter sind aufgeschlossen. Jörg Schönbohm ist Mitglied des CDU-Präsidiums und brandenburgischer Innenminister und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen.
Jörg Schönbohm: Ja, einen wunderschönen guten Morgen, Frau Simon.
Simon: Herr Schönbohm, das Misstrauen der Union aus den Tagen nach dem Elefantenauftritt des Kanzlers, ist das jetzt weg?
Schönbohm: Ich glaube, das wird erst endgültig weg sein, wenn wir Klarheit haben, wie es weitergeht. Wer es gesehen hat, wie der Kanzler sich verhalten hat, muss wirklich glaube ich einen Schreck bekommen haben, aber nun ist ja die Sachlichkeit wieder eingekehrt. Die Gespräche, die bisher geführt wurden nach allem, was wir auch im Präsidium besprochen haben, zeigen doch, dass die SPD auch erkennt, wir können es nur gemeinsam schaffen.
Und diese Einsicht in die Notwendigkeit, und dass die Wähler uns keine neue Chance mehr geben, es grundlegend zu verändern, macht glaube ich einfach deutlich: wir müssen es jetzt zusammen machen und das ist das Wichtigste. Und daraus ergibt sich jetzt dann auch, denke ich, in der nächsten Woche die Koalitionsverhandlungen.
Simon: Herr Schönbohm, Sie waren gestern im Präsidium, Angela Merkel schaut jetzt immer so erleichtert. Haben Sie gestern auch Eindrücke gewinnen können, die darauf hindeuten, dass sie nun doch Kanzlerin wird?
Schönbohm: Ja, wir haben uns natürlich, das ist eine etwas schwierige Ausgangslage. Die SPD und die Grünen haben 1,35 Millionen Wählerstimmen als CDU/CSU und FDP. Die SPD hat 440.000 Wählerstimmen weniger als die CDU und sie sagt trotzdem, Schröder muss Kanzler bleiben, nachdem Schröder gesagt hat, ich möchte die Bevölkerung um ihre Zustimmung zu meiner Politik bitten, und die hat er nicht bekommen.
Von daher gesehen muss man sich mal durchlesen, was Schröder in seiner Regierungserklärung am 1. Juli gesagt hat. Und nachdem nun glaube ich klar ist, dass bei der SPD auch die Einsicht steht, dass sie das Blatt überreizt haben, denke ich, kommen wir zu klaren Ergebnissen und in Zukunft, die Union war stets so geschlossen hinter Frau Merkel, dass es glaube ich viele auch in der SPD überrascht hat und nun muss ich aus diesen beiden Beobachtungen eine Erlösung geben. Und ich glaube Frau Merkel weiß, dass die Partei mit großer Geschlossenheit, auch die CSU, hinter ihr steht, weil wir uns das als Partei einfach gar nicht gefallen lassen können, dass jemand unsere Kandidatin so runtergeputzt hat, wie es zum Teil geschehen ist.
Simon: Wie würde die Union denn leben mit einem Vizekanzler Schröder?
Schönbohm: Das muss der Bundeskanzler entscheiden, ob er das machen will, bisher hat man etwas anderes gehört. Ich glaube, die Frage wird sich real nicht stellen und wenn er da in die Regierung eintritt und sagt, ich will, dass diese Regierung einen Erfolg hat, dann kann das sein Beitrag dazu sein. Das hängt aber im Wesentlichen von ihm ab und wie er gewillt ist, zu akzeptieren, Vizekanzler zu sein, wobei die Betonung auf Vize liegt.
Simon: Herr Schönbohm, wir haben jetzt in den letzten Tagen hochgetriebene Preise erlebt auf beiden Seiten, die einen sagen: so nicht, die anderen sagen: nur so. Diese Blockade der letzten Tage, die sich ja jetzt langsam aufzulösen scheint, ist das ein Vorgeschmack auf das, was uns in einer Union/SPD-großen Koalition in Berlin erwartet?
Schönbohm: Ich hoffe nicht, das wäre falsch. Ich selber bin ja auch in einer großen Koalition in Brandenburg und ich kann nur sagen, die Voraussetzung, damit eine große Koalition Erfolg hat, sind drei Dinge. Erstens: Es muss an der Spitze und im Spitzenpersonal ein Grundmaß an Vertrauen und Verlässlichkeit herrschen. Zweitens: es muss eine programmatische Gemeinsamkeit sein, die klarmacht, dass man etwas in dieser Legislaturperiode erreichen kann und daraus ergibt sich drittens: da, wo Unterschiede sind, muss man überlegen, wie man an die unterschiedlichen Themen herangeht.
Es muss erstmal in einer großen Koalition Vertrauen wachsen und dann kann man auch die schwierigen Dinge angehen. Wenn wir uns die schwierigsten Dinge alle gleich als erstes rannehmen und wir haben ja schwierige Aufgaben zu lösen, dann muss man aufpassen, wie man damit umgeht. Und Koalition muss auch gelernt werden. Ich sage mal, SPD- und CDU-Politiker, die aus einer Koalition herauskommen, haben das mehr gelernt als beispielsweise Politiker, die immer in einem Land gelebt haben, wo sie immer die absolute Mehrheit hat, wie Bayern. Für die Bayern ist es nicht einfach, auch in Koalition zu denken.
Simon: Gerade aus Bayern kommt aber schon die erste Wortmeldung, die den Inhalt angeht, wo die Union Abstriche machen werden muss, nämlich Stichwort Gesundheitsprämie. Ministerpräsident Stoiber hat gesagt, das wird es garantiert nicht geben in einer großen Koalition. Sehen Sie noch mehr CDU-Projekte, die in Gefahr sind jetzt in einer großen Koalition?
Schönbohm: Also, ich glaube, das wichtigste ist, wir müssen irgendwie die Arbeitslosigkeit senken, das ist das A und O. Und wenn diese Regierung keine Perspektive entwickelt, wie das geschieht, haben wir in unserem Land eine Schwierigkeit, und darum gehen jetzt ja die Gespräche. Und jetzt zu sagen, dieses oder jenes kann man nicht durchsetzen oder nicht erreichen, das heißt, wir sind schon wieder im Unterholz und befassen uns mit Einzelheiten erst als mit den Grundsätzen.
Die Grundsätze sind: die Arbeitslosigkeit bekämpfen, den Haushalt konsolidieren und die Sozialsysteme zukunftsfest machen. Und wenn man sich darauf verständigt hat, dann kann man über das "Wie" im einzelnen streiten und dann wird es unterschiedliche Positionen geben und dann kann sein, dass die Gesundheitsprämie nicht so umzusetzen ist, das kann ein Ergebnis sein, aber dann muss man sagen, wie man die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abkoppeln kann. Das ist doch die entscheidende Frage und ich glaube, da sind alle guten Vorschläge herzlich willkommen.
Simon: Herr Schönbohm, die Union hatte sich mehr erwartet bei dieser Wahl. Die Kritik bis jetzt war auch aufgrund der Situation mehr oder weniger nicht vorhanden, Friedrich Merz hat die Parteiführerin kritisiert, es gab Kritik aus den Sozialausschüssen. Kommt das, wenn die Koalition in trockenen Tüchern ist, oder kommt überhaupt keine Kritik mehr?
Schönbohm: Nein, also das Ergebnis, vor allen Dingen nach den euphorischen Vorhersagen von Demoskopen, denen wir auch geglaubt haben, war für uns - ja, deprimierend, muss man schon mal sagen. Vor dem Hintergrund der Lage, wie sie jetzt ist, hat die Partei sich unheimlich diszipliniert benommen und verhalten. Wir wollen erreichen, dass es schnell zu einer Regierungsbildung kommt, dass Frau Merkel Bundeskanzlerin wird und wir werden dieses aufarbeiten müssen.
Das sind wir uns schuldig, aber vor allen Dingen auch den vielen hunderttausenden von freiwilligen Helfern, die auf der Straße gestanden haben, denen müssen wir eine Antwort geben und diese Antwort werden wir geben. Ich beispielsweise in Brandenburg mache Ende Oktober zwei Regionalkonferenzen, um diese Gespräche zu führen und aus diesem Ergebnis müssen wir lernen. Wenn wir das nicht tun, würden wir einen schweren Fehler machen. Diese Diskussion muss stattfinden und sie wird stattfinden.
Simon: Das war Jörg Schönbohm, brandenburgischer Innenminister, CDU. Vielen Dank für das Gespräch Herr Schönbohm.
Schönbohm: Bittesehr, Wiederhören.
Jörg Schönbohm: Ja, einen wunderschönen guten Morgen, Frau Simon.
Simon: Herr Schönbohm, das Misstrauen der Union aus den Tagen nach dem Elefantenauftritt des Kanzlers, ist das jetzt weg?
Schönbohm: Ich glaube, das wird erst endgültig weg sein, wenn wir Klarheit haben, wie es weitergeht. Wer es gesehen hat, wie der Kanzler sich verhalten hat, muss wirklich glaube ich einen Schreck bekommen haben, aber nun ist ja die Sachlichkeit wieder eingekehrt. Die Gespräche, die bisher geführt wurden nach allem, was wir auch im Präsidium besprochen haben, zeigen doch, dass die SPD auch erkennt, wir können es nur gemeinsam schaffen.
Und diese Einsicht in die Notwendigkeit, und dass die Wähler uns keine neue Chance mehr geben, es grundlegend zu verändern, macht glaube ich einfach deutlich: wir müssen es jetzt zusammen machen und das ist das Wichtigste. Und daraus ergibt sich jetzt dann auch, denke ich, in der nächsten Woche die Koalitionsverhandlungen.
Simon: Herr Schönbohm, Sie waren gestern im Präsidium, Angela Merkel schaut jetzt immer so erleichtert. Haben Sie gestern auch Eindrücke gewinnen können, die darauf hindeuten, dass sie nun doch Kanzlerin wird?
Schönbohm: Ja, wir haben uns natürlich, das ist eine etwas schwierige Ausgangslage. Die SPD und die Grünen haben 1,35 Millionen Wählerstimmen als CDU/CSU und FDP. Die SPD hat 440.000 Wählerstimmen weniger als die CDU und sie sagt trotzdem, Schröder muss Kanzler bleiben, nachdem Schröder gesagt hat, ich möchte die Bevölkerung um ihre Zustimmung zu meiner Politik bitten, und die hat er nicht bekommen.
Von daher gesehen muss man sich mal durchlesen, was Schröder in seiner Regierungserklärung am 1. Juli gesagt hat. Und nachdem nun glaube ich klar ist, dass bei der SPD auch die Einsicht steht, dass sie das Blatt überreizt haben, denke ich, kommen wir zu klaren Ergebnissen und in Zukunft, die Union war stets so geschlossen hinter Frau Merkel, dass es glaube ich viele auch in der SPD überrascht hat und nun muss ich aus diesen beiden Beobachtungen eine Erlösung geben. Und ich glaube Frau Merkel weiß, dass die Partei mit großer Geschlossenheit, auch die CSU, hinter ihr steht, weil wir uns das als Partei einfach gar nicht gefallen lassen können, dass jemand unsere Kandidatin so runtergeputzt hat, wie es zum Teil geschehen ist.
Simon: Wie würde die Union denn leben mit einem Vizekanzler Schröder?
Schönbohm: Das muss der Bundeskanzler entscheiden, ob er das machen will, bisher hat man etwas anderes gehört. Ich glaube, die Frage wird sich real nicht stellen und wenn er da in die Regierung eintritt und sagt, ich will, dass diese Regierung einen Erfolg hat, dann kann das sein Beitrag dazu sein. Das hängt aber im Wesentlichen von ihm ab und wie er gewillt ist, zu akzeptieren, Vizekanzler zu sein, wobei die Betonung auf Vize liegt.
Simon: Herr Schönbohm, wir haben jetzt in den letzten Tagen hochgetriebene Preise erlebt auf beiden Seiten, die einen sagen: so nicht, die anderen sagen: nur so. Diese Blockade der letzten Tage, die sich ja jetzt langsam aufzulösen scheint, ist das ein Vorgeschmack auf das, was uns in einer Union/SPD-großen Koalition in Berlin erwartet?
Schönbohm: Ich hoffe nicht, das wäre falsch. Ich selber bin ja auch in einer großen Koalition in Brandenburg und ich kann nur sagen, die Voraussetzung, damit eine große Koalition Erfolg hat, sind drei Dinge. Erstens: Es muss an der Spitze und im Spitzenpersonal ein Grundmaß an Vertrauen und Verlässlichkeit herrschen. Zweitens: es muss eine programmatische Gemeinsamkeit sein, die klarmacht, dass man etwas in dieser Legislaturperiode erreichen kann und daraus ergibt sich drittens: da, wo Unterschiede sind, muss man überlegen, wie man an die unterschiedlichen Themen herangeht.
Es muss erstmal in einer großen Koalition Vertrauen wachsen und dann kann man auch die schwierigen Dinge angehen. Wenn wir uns die schwierigsten Dinge alle gleich als erstes rannehmen und wir haben ja schwierige Aufgaben zu lösen, dann muss man aufpassen, wie man damit umgeht. Und Koalition muss auch gelernt werden. Ich sage mal, SPD- und CDU-Politiker, die aus einer Koalition herauskommen, haben das mehr gelernt als beispielsweise Politiker, die immer in einem Land gelebt haben, wo sie immer die absolute Mehrheit hat, wie Bayern. Für die Bayern ist es nicht einfach, auch in Koalition zu denken.
Simon: Gerade aus Bayern kommt aber schon die erste Wortmeldung, die den Inhalt angeht, wo die Union Abstriche machen werden muss, nämlich Stichwort Gesundheitsprämie. Ministerpräsident Stoiber hat gesagt, das wird es garantiert nicht geben in einer großen Koalition. Sehen Sie noch mehr CDU-Projekte, die in Gefahr sind jetzt in einer großen Koalition?
Schönbohm: Also, ich glaube, das wichtigste ist, wir müssen irgendwie die Arbeitslosigkeit senken, das ist das A und O. Und wenn diese Regierung keine Perspektive entwickelt, wie das geschieht, haben wir in unserem Land eine Schwierigkeit, und darum gehen jetzt ja die Gespräche. Und jetzt zu sagen, dieses oder jenes kann man nicht durchsetzen oder nicht erreichen, das heißt, wir sind schon wieder im Unterholz und befassen uns mit Einzelheiten erst als mit den Grundsätzen.
Die Grundsätze sind: die Arbeitslosigkeit bekämpfen, den Haushalt konsolidieren und die Sozialsysteme zukunftsfest machen. Und wenn man sich darauf verständigt hat, dann kann man über das "Wie" im einzelnen streiten und dann wird es unterschiedliche Positionen geben und dann kann sein, dass die Gesundheitsprämie nicht so umzusetzen ist, das kann ein Ergebnis sein, aber dann muss man sagen, wie man die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abkoppeln kann. Das ist doch die entscheidende Frage und ich glaube, da sind alle guten Vorschläge herzlich willkommen.
Simon: Herr Schönbohm, die Union hatte sich mehr erwartet bei dieser Wahl. Die Kritik bis jetzt war auch aufgrund der Situation mehr oder weniger nicht vorhanden, Friedrich Merz hat die Parteiführerin kritisiert, es gab Kritik aus den Sozialausschüssen. Kommt das, wenn die Koalition in trockenen Tüchern ist, oder kommt überhaupt keine Kritik mehr?
Schönbohm: Nein, also das Ergebnis, vor allen Dingen nach den euphorischen Vorhersagen von Demoskopen, denen wir auch geglaubt haben, war für uns - ja, deprimierend, muss man schon mal sagen. Vor dem Hintergrund der Lage, wie sie jetzt ist, hat die Partei sich unheimlich diszipliniert benommen und verhalten. Wir wollen erreichen, dass es schnell zu einer Regierungsbildung kommt, dass Frau Merkel Bundeskanzlerin wird und wir werden dieses aufarbeiten müssen.
Das sind wir uns schuldig, aber vor allen Dingen auch den vielen hunderttausenden von freiwilligen Helfern, die auf der Straße gestanden haben, denen müssen wir eine Antwort geben und diese Antwort werden wir geben. Ich beispielsweise in Brandenburg mache Ende Oktober zwei Regionalkonferenzen, um diese Gespräche zu führen und aus diesem Ergebnis müssen wir lernen. Wenn wir das nicht tun, würden wir einen schweren Fehler machen. Diese Diskussion muss stattfinden und sie wird stattfinden.
Simon: Das war Jörg Schönbohm, brandenburgischer Innenminister, CDU. Vielen Dank für das Gespräch Herr Schönbohm.
Schönbohm: Bittesehr, Wiederhören.