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"Wir können natürlich überall sparen"

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz steht vor der Abstimmung. Einige Länder hatten gedroht, den Beschluss wegen befürchteter Steuerausfälle zu blockieren. Hans Michelbach (CSU), Mitglied im Bundestags-Finanzausschuss, spricht sich deutlich für die geplanten Steuersenkungen aus.

Hans Michelbach im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Auf den ersten Blick passt es nicht zusammen, auf den zweiten leider auch nicht. 100 Milliarden Euro fehlen der Bundesregierung für die laufenden Kosten des kommenden Jahres. Das hindert die Schuldner nicht daran, Geld zu verteilen. Wachstumsbeschleunigungsgesetz heißt die Operation, die nicht bei allen Parteifreunden in der Union weihnachtliche Vorfreude auslöste. Vor allem das von CDU und FDP regierte Schleswig-Holstein hatte gedroht, die geplanten Entlastungen für Familien, Firmen, Erben und Hoteliers wegen der befürchteten Steuerausfälle in Milliardenhöhe heute im Bundesrat zu blockieren und einen finanziellen Ausgleich gefordert. Die Drohung wirkte. Am Mittwoch gab es Bescherung. Für eine Zustimmung der von der Union regierten Bundesländer, die inzwischen als sicher gilt, kommt der Bund diesen mit zusätzlichen Milliarden für die Bildungsfinanzierung entgegen. Wie gesagt: eigentlich fehlt das Geld. In Zukunft muss dringend gespart werden, aber niemand weiß woran, nicht einmal der Bundesfinanzminister.

    O-Ton Wolfgang Schäuble: Es ist klar: wir müssen Ausgaben einschränken. Was das sein wird, das muss man sorgfältig bedenken und gemeinsam beraten und entscheiden. Das machen wir im Haushalt 2011.
    Es ist nicht klug, das vier Wochen vor einer Wahl zu machen.
    Aber im Übrigen wissen Sie, es geht nicht darum, jetzt Ideen geheim zu halten.

    Heinemann: Wolfgang Schäuble. – Am Telefon ist Hans Michelbach (CDU), der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss. Guten Morgen!

    Hans Michelbach: Guten Morgen, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Michelbach, Sie können sich heute eine Schlagzeile verschaffen, wenn Sie möchten, wenn Sie uns sagen, woran wann gespart wird.

    Michelbach: Es muss gespart werden, aber wir werden, so wie es der Minister gesagt hat, für den Haushalt 2011 Vorschläge unterbreiten. Das wird sicher im Subventionsabbau sein. Ob man das mit der Rasenmäher-Methode macht oder in einzelnen Bereichen, das muss man sehen. Zunächst wollen wir aber sehen, wo landen wir, nachdem wir jetzt mit Wachstumsimpulsen letzten Endes die Krise überwinden, und dann sehen, was fehlt noch und was können wir durch Einsparungen zusätzlich vornehmen.

    Heinemann: Herr Michelbach, ganz konkret: welche Einsparungen?

    Michelbach: Es gibt keine konkrete Liste. Das haben wir uns aufgespart für die zweite Hälfte des kommenden Jahres. Zunächst einmal gehen wir Schritt für Schritt vor. Wir wollen jetzt den starken Wachstumsimpuls setzen, indem wir die Menschen entlasten, um rasch und gestärkt aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise herauszukommen. Wir haben jetzt 26 Milliarden Euro, die letzten Endes bei den Menschen auch ab Januar ankommen werden.

    Heinemann: Herr Michelbach, Sie sind übrigens CSU-Politiker, nicht CDU-Politiker, wie ich gesagt habe. – Wenn Sie morgen eine Streichliste vorlegen sollten oder müssten, was stünde ganz oben? Was muss vor allen Dingen weg? Wo können wir sparen?

    Michelbach: Wir können natürlich überall sparen. Es wäre ja für die Politik ein Armutszeugnis, wenn sie keine Konsolidierungs- und Sparmaßnahmen mehr machen würden. Aber es wäre völlig falsch, jetzt, nachdem wir uns auf ein Konzept verständigt haben, dass wir zunächst einmal die Wachstumsimpulse voranbringen, jetzt schon in irgendeiner Weise Themen aufzurufen, die im Bereich der Einsparungen vorgenommen werden müssen. Zunächst einmal ist es, glaube ich, richtig, die Wachstumsimpulse anzureizen, den Menschen mehr Finanzmittel, mehr Geld in die Hand zu geben, und dann werden wir sehen, wie wir dann noch zu Einsparungen kommen müssen. Die Größenordnung bestimmt natürlich auch das Handeln.

    Heinemann: Warum wäre das jetzt falsch, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, wo gespart werden soll?

    Michelbach: Weil wir zunächst einmal Nachfragebelebung durchführen müssen. Ohne Wachstum keine Nachfragebelebung, ohne Wachstum keine neuen Investitionen, neue Arbeitsplätze, keine Kaufkraftmehrung ohne Wachstum. Die Wachstumskonzeption ist in jedem Fall die sehr viel bessere Lösung wie Mangelverwaltung. Wenn wir jetzt nur auf Mangelverwaltung und Einsparung setzen würden, würden wir die Krise verstärken. Wir müssen erst alles versuchen, im Jahr 2010 gestärkt aus dieser Wirtschafts- und Finanzmarktkrise herauszukommen, und das ist die Grundlage, um dann letzten Endes auch auf die notwendige Haushaltskonsolidierung einzuschwenken.

    Heinemann: Aber irgendwann muss diese Regierung mal sagen, wo sie sparen möchte. Wieso ist jetzt falsch, was dann später richtig sein sollte?

    Michelbach: Weil wir jetzt erst natürlich mit den Wachstumsimpulsen wissen, wie stark eingegriffen werden muss. Zunächst einmal muss die Haushaltseinnahmesituation verbessert werden; das geschieht am besten durch Wachstum. Wachstum erzielt man durch Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, die Höchstbelastung haben. Wir geben jetzt ab 1. Januar 26 Milliarden Euro den Bürgerinnen und Bürgern zurück.

    Heinemann: Und deshalb spricht der Bund der Steuerzahler von einem katastrophalen Haushalt?

    Michelbach: Der Bund der Steuerzahler ist nicht politisch verantwortlich. Verantwortlich muss eine Konzeption vorangetragen werden, die zunächst einmal die Krise überwindet und den Menschen Geld zurückgibt, das sie vermehrt an den Staat abgeben. Und wenn wir dann damit die Wachstumsimpulse hervorrufen, werden wir dann auch zu verbesserten Ergebnissen kommen für den Staat. Mangelverwaltung hat noch nie zur Haushaltskonsolidierung geführt.

    Heinemann: Der Bund der Steuerzahler, Herr Michelbach, hat vor allen Dingen nicht Angst vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai des kommenden Jahres.

    Michelbach: Wir haben auch keine Angst. Wir werden dort sicher die Früchte einer mutigen Konzeption, einer mutigen Wachstumskonzeption ernten.

    Heinemann: Was ist denn daran mutig, Geld auszugeben, das man nicht hat?

    Michelbach: Das ist schon klar mutig, wenn sie auf Wachstum setzen, denn sie könnten ja auch sagen, wir machen die Mangelverwaltung, schneiden da, schneiden da etwas ab, verstärken die Krise, und dann würde natürlich jeder sagen, ja warum ist hier eine mutlose, abwartende, Attentismus verbreitende Politik tätig. Wir wollen eine ganz klare Strategie, eine Vorwärtsstrategie, die letzten Endes den Menschen mehr Mittel in die Hand gibt, um sie auch dementsprechend mit Kaufkraftmehrung auszustatten.

    Heinemann: Mutig wäre es doch, den Menschen reinen Wein einzuschenken und auch Zumutungen zuzumuten, anstatt Geld auszugeben, noch einmal, das man nicht hat und das irgendwann wieder bezahlt werden soll.

    Michelbach: Wir werden sehen, dass wir durch Einnahmemehrungen beim Haushalt den ersten riesigen Schritt zur Haushaltskonsolidierung vornehmen, und dann wird man sehen, was noch an Einsparungen notwendig ist. Diese Einsparungen sind dann auch durchzuführen, das ist ganz klar, aber ich glaube am besten, dass wir diese Lösung mit den Wachstumsimpulsen zunächst einmal voranbringen.

    Heinemann: Steuersenkungen für die FDP, niedrigere Steuern für das Hotelgewerbe. Welche Wählergruppen müssen Sie noch befriedigen?

    Michelbach: Wir befriedigen keine Wählergruppen. Wir machen den Schwerpunkt bei der Familienförderung. 4,6 Milliarden entlasten wir Familien mit Kindern. Das ist eine sehr gute Investition für die Zukunft. Und wir haben dann natürlich insbesondere auch die Entlastung der Betriebe, dort wo wir uns mit der Großen Koalition bei der Substanzbesteuerung, die Posten besteuert, letzten Endes nicht durchsetzen konnten. Und jetzt haben wir wieder die Möglichkeit der verbesserten Nutzung von Verlusten, um Betriebe zu sanieren, Arbeitsplätze zu erhalten. All diese Maßnahmen sind sehr intensiv geprüft auf ihre Effizienz, auf ihre Effektivität, um die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise zu überwinden.

    Heinemann: Gilt eigentlich der verminderte Steuersatz im Hotelgewerbe auch für Stundenhotels? Gelangt auch das horizontale Gewerbe in den Genuss dieser christsozialen Segnung?

    Michelbach: Nein, aber ich kann Ihnen sagen, Sie können das natürlich auch versuchen, lächerlich zu machen. Tatsache ist, dass die europäischen Nachbarländer bei den Hotels alle diesen ermäßigten Mehrwertsteuersatz haben und damit natürlich auch im internationalen Wettbewerb unsere Betriebe bestehen müssen.

    Heinemann: Gilt es jetzt für Stundenhotels oder nicht?

    Michelbach: Es gilt nicht. Nein, wir haben das klar abgetrennt.

    Heinemann: Dann haben wir ja doch noch die Schlagzeile.

    Michelbach: Es gilt aber für die Camping-Plätze.

    Heinemann: Na denn! – Hans Michelbach (CSU), Obmann der Unions-Fraktion im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Michelbach: Bitte schön.