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"Wir können nur Hilfe leisten, wenn es nicht ein Fass ohne Boden ist"

Vor einem möglichen neuen Hilfsprogramm für Griechenland müsse das Land erst alle Auflagen erfüllen, betont Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Den auf dem EU-Gipfel beschlossenen Fiskalpakt bezeichnet er als wichtigen Schritt hin zu einer stabilen Finanzordnung in Europa.

Wolfgang Schäuble im Gespräch mit Christiane Kaess | 01.02.2012
    Christiane Kaess: Die Reaktionen auf die Ergebnisse des EU-Gipfels, wo Anfang der Woche mit dem Fiskalpakt strengere Haushaltsregeln und eine Schuldenbremse beschlossen wurden, sie fallen - wen wundert es - unterschiedlich aus. Auf der einen Seite freute sich Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine, wie sie es ausdrückte, "wirkliche Meisterleistung". Dagegen befürchten viele Experten, der Fiskalvertrag an sich werde nicht viel mehr ausrichten können als die bisherigen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die bekanntlich nicht eingehalten wurden. Die Opposition zweifelt ohnehin daran, ob der Vertrag, so wie er beschlossen wurde, überhaupt umgesetzt werde, und prophezeit jetzt schon, auch das Geld für die europäischen Rettungsschirme sowie zur Griechenlandrettung werde nicht ausreichen.

    Und am Telefon erreichen wir jetzt den Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble von der CDU. Guten Morgen, Herr Schäuble!

    Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Frau Kaess.

    Kaess: Herr Schäuble, wir haben es gerade im Beitrag gehört: Der Fiskalpakt ist beschlossene Sache. Die Opposition geht davon aus, dass Deutschland einen politischen Preis dafür zahlen muss. Welchen politischen Preis muss Deutschland bezahlen?

    Schäuble: Ja das müssen Sie die Opposition fragen. Wir haben mit dem Fiskalpakt einen wichtigen Schritt, um der gemeinsamen Währung eine stabilere Finanzordnung der europäischen Länder an die Seite zu stellen. Wir haben jetzt die Stabilitätsunion und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt, dass wir das Vertrauen der Finanzmärkte in die Eurozone insgesamt wieder zurückgewinnen.

    Kaess: Herr Schäuble, wir haben es gerade im O-Ton gehört von Carsten Schneider, dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag: Der geht fest davon aus, dass Frau Merkel zugesagt hat, jetzt auch bei finanziellen Zusagen gefügiger zu sein - im Austausch für diesen Pakt -, und für ihn ist klar, dass Griechenland mehr Geld kosten wird.

    Schäuble: Aber erstens einmal: Die Opposition fordert das ja dauernd von der Bundeskanzlerin. Zweitens weiß auch Herr Schneider, ...

    Kaess: Entschuldigung! Was fordert die Opposition von der Bundeskanzlerin?

    Schäuble: Dass die Bundesregierung mehr bezahlen solle. Das ist ja in jeder Debatte immer dasselbe. Im Übrigen gibt es eine klare Absprache im Europäischen Rat, dass im März geprüft wird, ob das, was für den Europäischen Stabilisierungsmechanismus mit 500 Milliarden vereinbart worden ist, ausreicht. Wir gehen davon aus, es reicht aus, aber wir haben zugestimmt, dass es im März eine Überprüfung gibt, und die warten wir ab. Jetzt warten wir vor allen Dingen einmal ab, was in den Märkten geschieht. Italien, Spanien, Portugal haben ja wichtige Maßnahmen in Kraft gesetzt, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Mit Griechenland sind wir noch in schwierigen Verhandlungen. Wir haben jetzt einen Fiskalpakt, wir haben den Europäischen Stabilisierungsmechanismus, wir haben eine positive Entwicklung an den Märkten, und dies sollten wir jetzt auch nicht durch Spekulationen schon wieder zerreden.

    Kaess: Sie sprechen die Forderungen der Opposition an. Aber der Druck auf Deutschland steigt ja auch schon seit Längerem, auch was eben eine Aufstockung des ESM betrifft. Wie lange kann sich Deutschland diesem Druck denn noch widersetzen?

    Schäuble: Wir haben klare Absprachen innerhalb vom Europäischen Rat, und so groß ist das mit dem Druck gar nicht - es wird nur immer in Deutschland so geredet -, sondern wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung für die gemeinsame europäische Währung. Wir Deutschen profitieren ja nicht am wenigsten davon, weil wir ja wirtschaftlich ein großes und auch erfolgreiches Land sind, und die gemeinsame Währung ist in unserem gemeinsamen Interesse. Aber diese Währung muss eine Stabilitätsunion sein, und deswegen kann sie nicht dadurch verteidigt werden, dass man einfach mit immer mehr Schulden so weitermacht. Sondern die Probleme, die in einigen Ländern die Ursache der Krise sind, müssen energisch angegangen werden. Das ist der schwierige Punkt mit Griechenland. Andere Länder sind da ganz erfolgreich und auf einem guten Weg. Ich habe Italien genannt, wo, seit Mario Monti Ministerpräsident ist, wirklich große Fortschritte erzielt worden sind. Und es wird ja auch durch sinkende Zinssätze auf den Märkten honoriert, und diesen Weg wollen wir geschlossen, aber auch ohne zu viel Spekulation jetzt weitergehen. Und da wird man im März sehen, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sind oder nicht.

    Kaess: Herr Schäuble, schauen wir noch mal auf Griechenland. Sind Sie sich sicher, dass Griechenland nicht noch mehr Geld benötigt?

    Schäuble: Ja auch bei Griechenland haben wir klare Absprachen, und die müssen erfüllt werden. Deswegen haben wir ja auch die Troika seit zwei Jahren beauftragt.

    Kaess: Im Moment - Entschuldigung, wenn ich da unterbreche - sieht es so aus, als würden diese Forderungen nicht erfüllt werden.

    Schäuble: Darüber wird gerade verhandelt. Das ist natürlich die Voraussetzung für ein neues Programm. Wir haben vergangenen Montag im Kreise der Finanzminister mit dem griechischen Kollegen Venizelos beschlossen, dass Griechenland vor einem neuen zweiten Programm für Griechenland Maßnahmen, die es bisher noch nicht in Kraft gesetzt hat, noch in Kraft setzen muss. Das sind die sogenannten "prior actions". Darauf müssen wir bestehen, denn natürlich müssen wir Griechenland, das in einer besonders schwierigen Situation ist, helfen.

    Kaess: Das heißt, auf den deutschen Steuerzahler können da noch weitere Belastungen zukommen?

    Schäuble: Nein! Es muss sein, dass Griechenland die getroffenen Vereinbarungen erfüllt. Wir können nur Hilfe leisten, wenn es nicht ein Fass ohne Boden ist.

    Kaess: Schauen wir mal auf die Gipfelbeschlüsse. Kritik kommt auch aus der Unions-Fraktion selbst. Schon vor dem Gipfel in Brüssel hat Bundestagspräsident Norbert Lammert gewarnt, falls die EU-Kommission selbst bei den Schuldensündern kein Klagerecht habe, sondern die Initiative dafür bei den Staaten selbst bleibe, sei das nicht effizient, es drohe ein System wechselseitiger Rücksichtsnahmen.

    Schäuble: Ja wir haben eben das Problem, dass wir diesen Fiskalpakt nicht in die europäischen Verträge gebracht haben, weil dazu brauchen wir eine einstimmige Entscheidung, und wie man weiß, war das im vergangenen Dezember wegen der Position Großbritanniens nicht möglich. Deswegen müssen wir ja diesen Fiskalpakt zwar eng mit den Verträgen verbinden, aber es ist eine besondere Konstruktion. Das ist nicht ideal, aber nicht anders zu machen, weil es geht in Europa nur einstimmig. Deswegen: Auch der Bundestagspräsident weiß, wir haben ja darüber gesprochen, dass es einen anderen Weg nicht gibt, und nun sagen die Rechtsdienste der europäischen Institutionen, dass nach den geltenden Verträgen, wenn man diese Verträge, den europäischen Vertrag nicht ändert, die Kommission ein solches Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof nicht hat, sondern nur die Mitgliedsstaaten. Und weil wir eine Vertragsänderung nicht zu Stande bringen, geht eben nur der Weg. Das ist nicht optimal, aber der einzig mögliche Weg.

    Kaess: Ich möchte da noch auf einen anderen Punkt hinaus. Unions-Fraktionsvize Michael Meister legt da noch nach und sagt, Herr Lammert stehe mit seiner Meinung da nicht alleine, sondern für die gesamte Fraktion sei das Klagerecht ein wichtiges Anliegen. Das Parlament muss den Vertrag über den Fiskalpakt ja ratifizieren. Wie groß sind Ihre Sorgen, die Leute aus der eigenen Fraktion machten da nicht mit?

    Schäuble: Überhaupt nicht, weil ich ja gerade erklärt habe, warum es nicht anders geht, und das weiß auch Herr Lammert und das weiß auch Herr Meister. Und es ist eben so: Es ist nicht die optimale Lösung, aber es ist die einzig mögliche nach der britischen Entscheidung im vergangenen Jahr und aufgrund der Rechtslage der europäischen Verträge, und daran müssen wir halten und auf dieser Grundlage müssen wir das beste machen. Wir alle wissen, dass wir nur im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung handeln können.

    Kaess: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU war das. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schäuble.

    Schäuble: Bitte sehr!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.