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"Wir können uns ein Konjunkturprogramm leisten"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, hat sich überzeugt gezeigt, dass steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen noch in diesem Jahr beschlossen werden können. In Hinblick auf die Maastricht-Kriterien sieht Koschyk Deutschland in einer guten Finanzverfassung.

Hartmut Koschyk im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Jahresanfang, das ist auch der Zeitpunkt, an dem sich die Regierungs- und Oppositionsparteien fernab von Berlin zu parteiinternen Klausurtreffen zurückziehen. Dann geht es darum, die Themen des Jahres durchzugehen. Die wohl bekannteste dieser Klausuren veranstaltet die CSU, von jeher im oberbayerischen Wildbad Kreuth. Vor malerischer Kulisse trifft sich heute die CSU-Landesgruppe des Bundestages dort.

    Die Frage um die Ausgestaltung eines neuen Konjunkturpaketes wird bei der Klausurtagung also im Mittelpunkt stehen. - Am Telefon ist nun Hartmut Koschyk. Er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag und bereits in Wildbad Kreuth. Guten Morgen, Herr Koschyk.

    Hartmut Koschyk: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Wir reden gleich über das Konjunkturprogramm, aber greifen wir eine Personalie auf, die eben anklang. In den letzten Tagen war von einer angeblichen Düpierung von Landesgruppenchef Ramsauer durch Parteichef Seehofer die Rede. Sollte in Wildbad Kreuth die Spitzenkandidatur von Landesgruppenchef Ramsauer bei der Bundestagswahl ausgerufen werden?

    Koschyk: Wir werden in Kreuth über Sachfragen sprechen. Es gibt bei uns keine Personaldiskussionen. Peter Ramsauer ist unangefochten unser Landesgruppenvorsitzender und in welcher Formation wir in die Bundestagswahl gehen, das werden wir zu gegebener Zeit entscheiden. Hier gibt es überhaupt keine Diskussion in Kreuth.

    Engels: Zu gegebener Zeit, das heißt wann?

    Koschyk: Zu gegebener Zeit heißt, wir haben jetzt erst einmal am 17. Januar die Europaliste zu formieren. Da ist klar, mit welcher Führungskonzeption wir reingehen. Andere Fragen entscheiden wir dann, wenn sie entschieden werden müssen.

    Engels: Und dann hat Seehofer immer das Vorkaufsrecht?

    Koschyk: Es gibt einen guten Dialog zwischen dem Parteivorsitzenden und der Landesgruppe über alle Fragen, die die Bundestagswahl betreffen. Zurzeit diskutieren wir mit unserem Generalsekretär, wie wir uns organisatorisch, wie wir uns auch kampagnenmäßig für die Bundestagswahl aufstellen. In Kreuth werden wir als Landesgruppe ein Papier über bürgerliche Politik für Deutschland vorlegen. Das ist der erste Aufschlag für die programmatische Ausrichtung im Hinblick auf die Bundestagswahl und das steht hier in Kreuth im Vordergrund.

    Engels: Dann schauen wir auf die inhaltlichen Aspekte. Die CSU hat bekanntlich immer für Steuersenkungen gekämpft, die in einem zweiten Konjunkturprogramm enthalten sein sollen, und sie hat sich dabei auch gegen die CDU durchgesetzt. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute, dass die SPD mittlerweile zumindest bereit sei, kleine Steuerschritte wie die Erhöhung des Grundfreibetrages und minimale Verschiebungen der Eingangssteuersatzgestaltung mitzutragen. Reicht Ihnen das?

    Koschyk: Wir haben immer gesagt, dass nach den Maßnahmen, die wir für die Unternehmen in Deutschland, aber auch im sozialen Bereich als Große Koalition in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben, dass es jetzt auch höchste Zeit ist, die mittleren und kleineren Einkommen steuerlich zu entlasten. Wir waren diejenigen, die frühzeitig auch das Thema Pendlerpauschale auf den Tisch gelegt haben. Wir bedauern sehr, dass es erst einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedurft hat, um hier Entlastung zu bringen.

    Engels: Herr Koschyk, das ist ja Schnee von gestern. Schauen wir doch nach vorne.

    Koschyk: Ja! Deshalb glaube ich, es kann sich jetzt niemand, auch nicht die SPD verschließen, wenn wir als CSU - übrigens schon seit fast über einem Jahr - vorschlagen, den Grundfreibetrag zu erhöhen und auch die sogenannte kalte Progression abzuflachen, damit denjenigen in Deutschland, die arbeiten, die vor allem auch kleinere und mittlere Einkommen beziehen, zum Beispiel von einem Weihnachtsgeld oder einer moderaten Lohnerhöhung nicht die Mehrzahl dessen, was man dann bei einer Lohnerhöhung bekommt, wegbesteuert wird, und dem kann sich eigentlich niemand verschließen und wir sind sehr überzeugt davon, dass wir da auch mit unserem Koalitionspartner SPD zu einer Lösung kommen, indem wir unsere Schwesterpartei CDU überzeugt haben, und über die einzelnen Details sprechen wir im Koalitionsausschuss und in den Arbeitsgruppen, die die nächste Sitzung des Koalitionsausschusses vorbereiten.

    Engels: Das heißt, diese möglichen Einlenkungsideen der SPD reichen Ihnen und die strukturelle Steuerreform kommt dann tatsächlich erst nach der nächsten Bundestagswahl, wenn Sie dann noch regieren?

    Koschyk: Wir wollen, dass es in diesem Jahr Entlastung gibt, und darüber, wie diese Entlastung ausgestaltet werden soll, sprechen wir und wir haben immer Prioritäten gesetzt im Hinblick auf Erhöhung Grundfreibetrag, Abflachung der kalten Progression. Wir wollen auch im einen oder anderen Bereich, dass noch Probleme, die die Unternehmenssteuerreform geschafft hat, vor allem für den Mittelstand, ein Stück nachgearbeitet werden, aber über die Details sprechen wir in den Arbeitsgruppen und im Koalitionsausschuss.

    Engels: Die SPD will Beitragsentlastungen, die CSU will Steuerentlastungen, Jürgen Rüttgers, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident von der CDU, will gar einen Deutschland-Fonds, um gezielt Unternehmen zu stützen. Wie soll das alles bezahlt werden?

    Koschyk: Zunächst einmal ist es wichtig, deutlich zu machen, dass wir auch als CSU uns Beitragsentlastungen nicht versagen. Wir waren auch die Speerspitze, die dafür gesorgt hat, dass wir ab dem 1. Januar in diesem Jahr eine Entlastung der Beitragszahler bei der Arbeitslosenversicherung jetzt immerhin von nur noch 2,9 Prozent von ursprünglich 6,4 Prozent haben. Wie das im Einzelnen bei den Beitragsentlastungen - man kann hier an die Beiträge zur Krankenversicherung denken - ausgestaltet werden soll, auch das wird jetzt in Vorbereitung des Koalitionsausschusses in der nächsten Woche besprochen. Jeder, der volks- und finanzwirtschaftlich in Deutschland sich an der Debatte beteiligt, sagt, dass um die Folgen der Finanzmarktkrise für die Realwirtschaft in Deutschland zu verhindern bei einem solchen zweiten Konjunkturpaket oder bei einem solchen Konjunkturpaket nach dem, was wir für den Finanzmarktplatz Deutschland im Finanzmarktstabilisierungsgesetz getan haben, auch die Nettoneuverschuldung erhöht werden kann.

    Engels: Steffen Kampeter, der haushaltspolitische Sprecher der CDU, warnt aber davor, dass schon in diesem Jahr durch die Neuverschuldung auch das Maastricht-Kriterium von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verletzt werden könnte. Nehmen Sie das in Kauf?

    Koschyk: Wir bemühen uns, das gesamtstaatliche Schuldenkriterium von Maastricht in diesem Jahr zu halten, aber selbst die Europäische Kommission und auch die OECD bestätigen der Bundesrepublik Deutschland, dass sie im Vergleich zu allen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in einer guten Finanzverfassung der Gestalt ist, dass wir uns ein Konjunkturpaket, wie es die Große Koalition anstrebt, auch im Hinblick auf die Maastricht-Kriterien im wahrsten Sinne des Wortes leisten können.

    Engels: Steffen Kampeter und auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger von der CDU fordern, schon jetzt einen verbindlichen Plan zu beschließen, wie nach der Krise die höheren Schulden wieder abzutragen sind. Zieht die CSU mit?

    Koschyk: Da sind wir als CSU voll dabei.

    Engels: Wie sieht das aus? Eine feste Quote?

    Koschyk: Wenn es um Haushaltssolidität in Deutschland geht, ist Bayern und die CSU ein Maßstab. Wir waren das erste Land in Deutschland, das die Nettoneuverschuldung gestoppt hat in einem Landeshaushalt, das alte Schulden begonnen hat zurückzuzahlen, und wir werden uns an der Debatte, wie eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung, um ein solches Konjunkturpaket zu finanzieren, zurückgeführt werden kann, sehr konstruktiv beteiligen.

    Engels: Sehr konstruktiv. - Legen Sie auch eine feste Quote fest, beispielsweise wie viel Jahr für Jahr zurückgezahlt werden soll?

    Koschyk: Auch darüber kann und sollte man nachdenken.

    Engels: Aber gleichzeitig sind ja die Risiken da. Schauen Sie nur auf Ihre eigene Landesbank.

    Koschyk: Ja. Schauen Sie, alle Finanzinstitute in Deutschland, alle Landesbanken, alle Finanzinstitute in Deutschland sind von den Auswirkungen der Finanzmarktkrise betroffen. Wir werden in Bayern die Probleme, die das auch für die Bayerische Landesbank gebracht hat, schultern. Von daher, glaube ich, wird sich Bayern und die CSU auch an der Frage beteiligen, wie wir insgesamt trotz der Herausforderungen für Deutschland und auch für Bayern den Wachstumspfad, aber vor allem auch den Pfad der Haushaltskonsolidierung nicht verlassen können.

    Engels: Hartmut Koschyk, der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Er ist bereits in Wildbad Kreuth. Vielen Dank für das Gespräch.

    Koschyk: Danke, Frau Engels.