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"Wir lassen uns keinen Religionskrieg einreden"

Meurer: Die Bombenanschläge haben bei den Kirchen auch in Deutschland tiefe Betroffenheit und Bestürzung ausgelöst. In Hamburg bin ich nun verbunden mit Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, er ist der Sprecher für interreligiöse Fragen bei der deutschen Bischofskonferenz. Guten Morgen, Herr Bischof Jaschke.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Jaschke: Guten Morgen.

    Meurer: Wie sehr hat Sie erschüttert, was jetzt im Irak passiert ist?

    Jaschke: Ja, wir sind alle erschrocken, uns gehen die Augen auf, was der Terror für ein wahres Gesicht hat. Terror verschont keinen und keiner kann meinen, er sei sicher. Der Terror richtet sich nicht gegen kriegsführende Parteien sondern er ist wahnsinnig, er ist menschenverachtend und zerstört ohne Rücksicht auf Verluste und will Unfrieden stiften. Ich meine natürlich, und da gebe ich den interviewten Irakern völlig Recht, man darf jetzt in keine Panik verfallen und wir lassen uns kein Religionskrieg einreden, es gibt besonnene und vernünftige Muslime. Ich möchte mir freilich wünschen, dass die sich nun auch deutlich zu Wort melden, dass sie wirklich protestieren und ganz klar sagen, dass das im Namen der Religion nicht sein darf und dass jede Religion sich davon, von diesem Missbrauch von Gottes Namen distanzieren muss.

    Meurer: Die Kirchen waren gegen den Krieg im Irak, der Papst war gegen den Krieg. Warum geraten die christlichen Gemeinden ausgerechnet ins Visier der Terroristen?

    Jaschke: Der Terror kennt keine Vernunft, der Terror will den Irak destabilisieren, er will Unfrieden stiften und hinter dem Terror scheinen Islamisten zu stehen, Islamisten, die natürlich ganz gegen den Geist des Islam solche Gewalttaten ausüben. Sie haben nur ein einziges Ziel, sie wollen Unfrieden stiften und damit ihre Interessen erreichen. Vielleicht kann man natürlich auch noch sagen, Christen stehen in irgendeiner Weise schon für westliche Welt, für westliche Kultur und werden darum auch zur Zielscheibe gemacht.

    Meurer: Nun haben wir ja eben in dem Beitrag aus Bagdad gehört, dass es schon Solidarität und Mitgefühl der Muslime im Irak mit den Christen gibt. Was verlangen Sie mehr, was fordern Sie mehr von den Muslimen?

    Jaschke: Ich möchte schon deutliche Signale hören, auch weltweite Signale. Natürlich können die Muslime immer wieder sagen, so sagen sie es uns, ja wir haben keine zentrale Sprecherfunktion, wir haben keinen Papst und kein Lehramt, aber trotzdem: Führende Muslime müssen doch auch deutlich zu erkennen geben, dass sie sich von jeder Gewalt distanzieren. Denn die Islamisten, natürlich sind sie nicht die Muslime, wie sie sich wünschen, aber im Namen der Muslime treten sie auf und sie geben damit ein Bild ab. Freilich sollen wir kein Pauschalverdacht jetzt züchten und nicht alle Muslime jetzt angreifen. Noch mal, wir dürfen nicht in Panik geraten, die Vernunft muss das Oberwasser behalten.

    Meurer: Würden Sie sogar so weit gehen, zu sagen, es gibt eine klammheimliche Sympathie mit solchen Anschlägen?

    Jaschke: Das ist natürlich ein böses Wort, wir kennen das aus deutschen Geschichten, aber dass es eine gewisse Sympathie gibt, kann ich mir vorstellen, weil eben doch so ein genereller Hass gegen alles Westliche gezüchtet wird. Man wird dann wohl auch Christen im Irak, obwohl es Christen sind, die dort zu Hause sind seit ewigen Zeiten, Chaldäer, Assyrer, man wird dann Christen eben auch in diese Richtung hineinstellen.

    Meurer: So bitter das ist, aber gehören Brandschatzungen von Kirchen, Überfälle, gehört das nicht zum Repertoire eines jeden Krieges?

    Jaschke: Ja, aber dieser Krieg hat eben, der terroristische Krieg, leider Gottes eine pseudoreligiöse Dimension, er missbraucht Religion und diese pseudoreligiöse Dimension wird hier deutlich. Wir sehen es ja auch bei anderen Terroranschlägen, dass Terroristen im Namen Allahs zu handeln meinen, dass sie dann eben doch mit dem Dschihad spielen. Darum möchte ich von den verantwortlichen Religionsvertretern wirklich auch sehr, sehr klare, hörbare Worte wünschen.

    Meurer: Nimmt der Verfolgungsdruck international, weltweit gegen Christen zu, wie manche meinen?

    Jaschke: Das möchte ich so nicht sehen, aber wir sehen überall auf der Welt Radikalisierungen. Ich habe auch schon christliche Stimmen gehört, die sagten, also, das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Aber das halte ich für die verkehrte Antwort, Religion muss mit aller Kraft Gewalt zurückweisen, Religionsfriede ist die Voraussetzung für Frieden unter den Menschen und Religion hat die Kraft, denke ich, Frieden unter den Menschen zu stiften.

    Meurer: Sind solche Anschläge wie jetzt in Bagdad und in Mossul dazu geeignet, das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen hier in Deutschland zu vergiften?

    Jaschke: Zu vergiften nicht, aber eine Belastung kann ich schon sehen. Deswegen noch einmal, wir brauchen Besonnenheit, Vernunft und dürfen keinerlei Pauschalverdacht aussprechen.

    Meurer: Wenn im Irak Kirchen brennen, wird das die Toleranz in Deutschland beeinträchtigen, zum Beispiel den Bau von Moscheen zu akzeptieren?

    Jaschke: Mit Sicherheit werden sich dann solche Stimmungen auch wieder breit machen. Es heißt ja jetzt schon, wenn in anderen Ländern uns gegenüber keine Toleranz geübt wird, warum sollen Christen hier sich alles gefallen lassen und Christen dann hier in jeder Hinsicht die Möglichkeiten für andere Religionen eröffnen. Also diese Stimmung dürfte sich verstärken, ich werde auf jeden Fall alles tun, um solche Stimmungen auch zu bekämpfen, wir dürfen dem nicht nachgeben, sonst würden Terroristen ja auch ihr Ziel erreichen, sie würden einen Religionskrieg, der nun wirklich nicht angebracht ist und im Namen der Religion auch keinerlei Sinn macht, sie würden einen solchen Religionskrieg ja fördern.

    Meurer: Nach den Bombenanschlägen auf christliche Kirchen im Irak sprach ich mit dem Hamburger Weihbischof Hans Jochen Jaschke. Ich bedanke mich bei Ihnen und auf Wiederhören, Herr Jaschke.

    Jaschke: Ja, vielen Dank.