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"Wir Liberale wollen Anreizsysteme und keine Bestrafungssysteme"

Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ina Lenke, hat der Bundesregierung in der Familienpolitik Konzeptlosigkeit vorgeworfen. Lenke kritisierte den Vorschlag von Familienministerin Ursula von der Leyen, wonach Elterngeld an die Erziehungsarbeit des Vaters gebunden wäre. Die FDP ziehe dagegen Anreizsysteme Bestrafungssystemen vor.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Mit dem Hinweis sie freue sich, dass die Familienpolitik diskutiert werde, hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Ostern im Kanzleramt wieder gemeldet. Wir wollen ihr diesen Gefallen tun und über die Familienpolitik reden, und zwar speziell über das Elterngeld. Nach den Plänen von Ursula von der Leyen, der Familienministerin, sollen Eltern von Neugeborenen ab 2007, also ab dem nächsten Jahr, ein Jahr lang 67 Prozent des vorherigen Nettoerwerbseinkommens desjenigen bekommen, der dann für das Kind zu Hause bleibt. Die Höchstgrenze soll bei 1.800 Euro pro Monat liegen, aber voll gezahlt werden soll dieses Elterngeld nur dann, wenn der Vater des Kindes mindestens zwei Monate zu Hause bleibt. Am Telefon begrüße ich nun die familienpolitische Sprecherin der Freien Demokraten, Ina Lenke. Guten Tag Frau Lenke!

    Ina Lenke: Guten Tag Herr Breker!

    Breker: Das Elterngeld ist ein Ansatz, den die Freien Demokraten mittragen können?

    Lenke: Sie sagen zu Recht, das ist ein Ansatz. Mehr haben wir weder von Frau Merkel, noch von Frau von der Leyen gehört. Es gibt kein Konzept; es gibt nur Eckpunkte. Und Herr Breker ich frage mich, wann endlich diese Bundesregierung einen Gesetzesantrag vorlegt, in dem wir als Opposition wissen, was diese Regierung will. In vielerlei Hinsicht gibt es nur Antworten: Wir müssen uns noch einigen, wir wissen noch nicht was ist. Die FDP hat eine kleine Anfrage dazu im Bundestag im März eingebracht und viele Antworten der Bundesregierung waren "muss noch geklärt werden", "wissen wir nicht". Das bedeutet: Es wird hier ein Luftschloss verkauft. Von dem Inhalt kennen wir und die Eltern, die darauf hoffen, nichts.

    Breker: Das was wir aber kennen, Frau Lenke, ist, dass eben halt dieses Elterngeld kommen soll. Das hat die Kanzlerin ja auch noch mal bestätigt. Das wären eben 67 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens beziehungsweise 1800 Euro maximal im Monat.

    Lenke: Herr Breker, Sie haben in Ihrem Vorspann gesagt, ein Jahr lang wird das Elterngeld von der Bundesregierung gezahlt. In den ersten zwei Monaten wird Mutterschaftsgeld bezahlt und Frau von der Leyen nimmt das mit in ihre Finanzierung. Die letzten zwei Monate, die von den Vätern getragen werden sollen, werden nicht umgesetzt werden. Bereits heute – und das bedauern wir alle – ist es so, dass lediglich fünf Prozent der Väter diese Erziehungsarbeit leisten wollen. Ich meine, dass es wichtig ist, dass wir feststellen, dass ein Jahr lang die Familie, egal wie sie es organisatorisch einteilt, Geld vom Staat bekommen sollte, wenn das Erziehungsgeld, was wir jetzt haben, abgeschafft wird. Das ist bei dem Konzept, selbst bei den Eckpunkten von Frau von der Leyen, nicht gewährleistet.

    Breker: Um das klarzustellen, Frau Lenke. Sie wollen schon, dass die Väter sich mehr um die Kinder kümmern, aber Sie bezweifeln, ob es klug ist, in diesem Gesetz festzulegen, dass die Väter mindestens zwei Monate zu Hause bleiben müssen?

    Lenke: Ja, das ist meine Meinung. Frau von der Leyen ist auch schon von diesem Konzept abgerückt und hat auch davon gesprochen, soweit ich informiert bin, dass es Möglichkeiten gibt, dass dann ein Pauschalbetrag die letzten zwei Monate bezahlt wird. Ich kenne viele junge Familien, die nur darauf warten, dass es eine nettolohnbezogene Leistung gibt in den ersten zwölf Monaten des Kindes. Frau von der Leyen und auch Frau Merkel sollten Antwort geben auf die Fragen von Eltern, was denn nach dem zehnten oder nach dem zwölften Monat ist, wenn die Frauen wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt kommen. Wenn der Vater sagt, ich möchte Montags und Freitags bei meinem Kind sein und nicht zwei Monate am Schluss oder in der Mitte der Elternzeit, dann weiß ich nicht, wie diese Koalition dieses regeln wird. Oder wissen Sie das?

    Breker: Nein, ich weiß es natürlich nicht. Ich bin ja Journalist und kein Politiker.

    Lenke: Und wir sind die Opposition und hier wird "closed job" gemacht. Das halte ich für außerordentlich gefährlich, denn das Vertrauen in Politik, wenn keine durchdachten konsequenten Konzepte vorgestellt werden von dieser großen Koalition, das denke ich schafft weniger Vertrauen als mehr Vertrauen, und das brauchen wir doch in der Familienpolitik.

    Breker: Aber Sie haben kein Problem damit, dass der Staat sozusagen erzieherisch eingreift und im Zusammenhang mit dem Elterngeld auch ein bisschen was für die Emanzipation tun will?

    Lenke: Wir von der FDP sind für Anreize und nicht für Bestrafungen. Das System, was Frau von der Leyen jetzt vorgeschlagen hat, wenn der Mann nicht zwei Monate innerhalb eines Jahres des Kindes, des ersten Lebensjahres des Kindes zu Hause bleibt, dann wird das Geld nicht bezahlt, ist ein Bestrafungssystem. Wir Liberale wollen Anreizsysteme und keine Bestrafungssysteme.

    Breker: Ziel dieses Gesetzes, Frau Lenke, ist ja, dass es wieder mehr Kinder in diesem Lande gibt, dass es kinderfreundlicher wird, dass mehr junge Menschen sich für ein Kind entscheiden. Reicht denn da dieses Elterngeld, oder muss es nicht stutzig machen, wenn man gestern in einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft lesen konnte, dass die familienpolitische Förderpraxis einem undurchschaubaren Flickenteppich gleiche, dass im Prinzip genug Geld da wäre. Man könne nicht von einem Stiefkind sprechen in der Familienpolitik, weil knapp elf Prozent des Bruttoinlandsproduktes dafür ausgegeben würden. Nur keiner weiß eigentlich genau, wo er wann wo was wie beantragen kann, um Unterstützung zu bekommen.

    Lenke: Vor einigen Wochen hat die FDP in den deutschen Bundestag eine kleine Anfrage eingebracht und wir haben gefragt: Zirka 100 Milliarden Euro im Jahr werden für familienpolitische Leistungen ausgegeben. Wir haben der Bundesregierung aus der Opposition heraus den guten Rat gegeben, sie soll erst mal schauen, wie sie dieses Geld besser verteilt, damit es auch bei denen ankommt, die es nötig haben. Die Antwort der Bundesregierung von Frau von der Leyen habe ich, obwohl die Anfrage jetzt schon einige Wochen alt ist, noch nicht gehört, wie das gestaltet werden soll. Ich möchte grundsätzlich etwas dazu sagen. Wenn Sie danach fragen, warum nicht so viele Kinder bei uns geboren werden. Es ist doch so: Die große Koalition ist mit dem Versprechen angetreten, für Familien mehr zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Erstens wird es eine Mehrwertsteuererhöhung von drei Prozent geben und die Familien, die ihr ganzes Geld in den Konsum geben, für Essen, Trinken und so weiter, die werden darunter leiden.

    Breker: Geben müssen!

    Lenke: Dann ist die Eigenheimzulage gestoppt worden und eine Ergänzung zu einer zusätzlichen Rentenversicherung für Frauen hat es nicht gegeben. Das Elterngeld ist bisher noch ein Luftschloss, meinetwegen auch mit Eckpunkten, aber das befriedigt uns nicht. Wenn ich mich mit jungen Menschen unterhalte, mit Frauen, dann fragen die mich immer was das soll und ich kann ihnen keine Antwort geben. Das ist wirklich misslich! Wir müssen hier – und das muss die Bundesregierung erst mal für sich selbst klären – ein Konzept bekommen. Ich erwarte von Frau von der Leyen und ich erwarte auch von der Bundeskanzlerin, dass sie sich zu Konzepten äußern und nicht zu allgemeinen Aussagen.