Christoph Heinemann: Der Deutsche Bundestag beschäftigt sich heute mit erneuerbaren Energien. Die zweite und dritte Lesung eines weiterentwickelten Gesetzes aus dem Jahr 2000 steht auf der Tagesordnung der Abgeordneten. Unterdessen bleiben die nicht erneuerbaren Energien teuer, trotz der leichten Entspannung auf dem Ölmarkt. Seit dem Rekord von 135 Dollar pro Fass am 22. Mai hat der Preis in den vergangenen Tagen nachgegeben. Da sie langfristig mit hohen Ölpreisen rechnen, haben die US-amerikanischen Autokonzerne General Motors und Ford angekündigt, dass sie in Zukunft kleinere Autos bauen wollen.
Die Internationale Energieagentur IEA untersucht gegenwärtig 400 Ölfelder. Die Organisation mit Sitz in Paris möchte sich einen Überblick verschaffen über den Umfang der Vorkommen. Das Ergebnis soll Mitte November veröffentlicht werden. Presseberichten zufolge kommt die IEA zu dem Schluss, dass das gegenwärtig verfügbare Rohöl knapper ist als bislang angenommen. - Wir haben vor der Sendung mit Fatih Birol gesprochen. Er ist Chefökonom der Internationalen Energieagentur. Ich habe ihn gefragt, ob er diese Berichte bestätigen könne.
Fatih Birol: Wir glauben, dass es in Zukunft auf dem Ölmarkt eng wird. Und wir glauben auch, dass es eine Entspannung auf diesem Markt kaum leichter geben wird als in der gegenwärtigen Lage.
Heinemann: Sind die Energiereserven heute insgesamt schwerer verfügbar?
Birol: Wenn wir uns die Energieressourcen weltweit anschauen, so verfügen wir über viel Öl, Wind, Kohle, Uran und so weiter. Heute geht es nicht darum, dass die Ressourcen zur Neige gingen. Es ist auch nicht so, dass das Kapital knapp wäre. Uns läuft vielmehr die Zeit davon. Bei der Erschließung von Öl- und Gasvorkommen sind dringende Aufgaben zu lösen, gleichzeitig auch bei der Bekämpfung des Klimawandels. Unglücklicherweise gibt es hier ein überraschend passives Verhalten von wichtigen Mitspielern, die keine politischen Schritte einleiten, um sich diesen beiden Herausforderungen zu stellen.
Heinemann: Die Internationale Energieagentur beklagt ungenügende und falsche Investitionen zur Sicherung der Energieversorgung.
Birol: Die Investitionen zur Sicherung der Ölversorgung liegen wesentlich unterhalb der erforderlichen Aufwendungen. Fast die Hälfte der Produktion stammt gegenwärtig von nationalen und die andere Hälfte von internationalen Ölkonzernen. In der Zukunft wird der größte Teil von nationalen Unternehmen gefördert werden müssen, da die Reserven der internationalen in bedeutendem Maße sinken. Wir sähen es gern, wenn diese nationalen Ölkonzerne auf den Knopf drückten, viel investierten und damit den Markt beruhigten. Aber so weit wir dies jetzt sehen, sind solche Investitionspläne noch nicht auf den Weg gebracht, was große Unsicherheit bedeutet. Die Vorkommen in den bestehenden Ölfeldern in der Nordsee, den Vereinigten Staaten oder in Russland nehmen ab. Wir müssen investieren, um diese Abnahme auszugleichen und der steigenden Nachfrage in China, Indien und anderswo begegnen zu können.
Einige Öl produzierende Länder wie etwa Iran wollen zwar investieren, gelangen aber nur unter Schwierigkeiten an Kapital, um die Produktion auszuweiten.
Und auch gegen den Klimawandel wird nicht ausreichend in Energieeffizienz investiert: Bei den erneuerbaren Null-CO2-Energien, also Wind, Photovoltaik. Und - abhängig von Land - kann auch die Kernenergie eine gute Option sein.
Heinemann: Sind die Uranvorkommen nicht auch begrenzt?
Birol: Die gegenwärtigen Uranreserven sind mehr als ausreichend für die Zukunft. Sie sind außerdem besser verteilt als Öl- und Gasvorkommen. Und viele sind noch gar nicht erschlossen. Das größte Problem der Atomenergie bilden nicht die Uranvorkommen; es ist vielmehr die politische Akzeptanz.
Heinemann: Und das Problem des Atommülls?
Birol: Natürlich, und da besteht ein Zusammenhang mit der öffentlichen Akzeptanz.
Heinemann: Herr Birol, reden wir über den Ölpreis. Eine Studie der Investmentbank Goldman Sachs rechnet mit einem Preis von 140 Dollar pro Fass in diesem Sommer und 200 Dollar im kommenden Jahr. Sind das realistische Voraussagen?
Birol: Als Chefökonom der IEA ist es mir gesetzlich nicht gestattet, Vorhersagen über den Ölpreis zu treffen. Ich kann nur so viel sagen: Ich wäre sehr überrascht, wenn sich der gegenwärtige Ölpreis bald merklich nach unten bewegte. Die Preisniveaus, die wir vor drei oder vier Jahren gesehen haben, sind vorüber.
Heinemann: Welche Gründe für den Höhenflug des Ölpreises sehen Sie?
Birol: Zwei Gründe: die Erwartung einer zunehmenden Nachfrage durch China, Indien und andere Staaten. Das Angebot wird möglicherweise nicht in gleichem Umfang zulegen. Das sorgt auf dem Markt für Nervosität. Obendrein ist das ein fruchtbarer Nährboden für Spekulanten, die den Preis höher treiben. Aber der wichtigste Grund ist die Wahrnehmung eines Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage.
Heinemann: Viele Bürger müssen wegen der hohen Energiepreise ihre Ausgaben verringern und sehen, wie sie über die Runden kommen. Erwarten Sie eine Rezession?
Birol: Wenn die Preise auf diesem Niveau bleiben oder sogar steigen, werden damit große Nachteile für die Länder der OECD verbunden sein. Die Wirtschaft in Ländern wie China oder Indien wird gebremst und dort - wie auch in der OECD - unter Inflationsdruck geraten. Besonders getroffen werden aber die Ärmsten der Armen in Afrika und Lateinamerika. Kurz: Ausgenommen einige erdölexportierende Länder im Nahen Osten wird die Weltwirtschaft unter den hohen Ölpreisen leiden.
Wir müssen Alternativen zum Öl finden. Die Forschung muss jetzt beginnen. Nur: In fast allen Staaten der OECD, den reichen Ländern, haben sich die Ausgaben für diese Forschung und Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren in großem Umfang verringert. Das ist keine konsequente Politik.
Die Internationale Energieagentur IEA untersucht gegenwärtig 400 Ölfelder. Die Organisation mit Sitz in Paris möchte sich einen Überblick verschaffen über den Umfang der Vorkommen. Das Ergebnis soll Mitte November veröffentlicht werden. Presseberichten zufolge kommt die IEA zu dem Schluss, dass das gegenwärtig verfügbare Rohöl knapper ist als bislang angenommen. - Wir haben vor der Sendung mit Fatih Birol gesprochen. Er ist Chefökonom der Internationalen Energieagentur. Ich habe ihn gefragt, ob er diese Berichte bestätigen könne.
Fatih Birol: Wir glauben, dass es in Zukunft auf dem Ölmarkt eng wird. Und wir glauben auch, dass es eine Entspannung auf diesem Markt kaum leichter geben wird als in der gegenwärtigen Lage.
Heinemann: Sind die Energiereserven heute insgesamt schwerer verfügbar?
Birol: Wenn wir uns die Energieressourcen weltweit anschauen, so verfügen wir über viel Öl, Wind, Kohle, Uran und so weiter. Heute geht es nicht darum, dass die Ressourcen zur Neige gingen. Es ist auch nicht so, dass das Kapital knapp wäre. Uns läuft vielmehr die Zeit davon. Bei der Erschließung von Öl- und Gasvorkommen sind dringende Aufgaben zu lösen, gleichzeitig auch bei der Bekämpfung des Klimawandels. Unglücklicherweise gibt es hier ein überraschend passives Verhalten von wichtigen Mitspielern, die keine politischen Schritte einleiten, um sich diesen beiden Herausforderungen zu stellen.
Heinemann: Die Internationale Energieagentur beklagt ungenügende und falsche Investitionen zur Sicherung der Energieversorgung.
Birol: Die Investitionen zur Sicherung der Ölversorgung liegen wesentlich unterhalb der erforderlichen Aufwendungen. Fast die Hälfte der Produktion stammt gegenwärtig von nationalen und die andere Hälfte von internationalen Ölkonzernen. In der Zukunft wird der größte Teil von nationalen Unternehmen gefördert werden müssen, da die Reserven der internationalen in bedeutendem Maße sinken. Wir sähen es gern, wenn diese nationalen Ölkonzerne auf den Knopf drückten, viel investierten und damit den Markt beruhigten. Aber so weit wir dies jetzt sehen, sind solche Investitionspläne noch nicht auf den Weg gebracht, was große Unsicherheit bedeutet. Die Vorkommen in den bestehenden Ölfeldern in der Nordsee, den Vereinigten Staaten oder in Russland nehmen ab. Wir müssen investieren, um diese Abnahme auszugleichen und der steigenden Nachfrage in China, Indien und anderswo begegnen zu können.
Einige Öl produzierende Länder wie etwa Iran wollen zwar investieren, gelangen aber nur unter Schwierigkeiten an Kapital, um die Produktion auszuweiten.
Und auch gegen den Klimawandel wird nicht ausreichend in Energieeffizienz investiert: Bei den erneuerbaren Null-CO2-Energien, also Wind, Photovoltaik. Und - abhängig von Land - kann auch die Kernenergie eine gute Option sein.
Heinemann: Sind die Uranvorkommen nicht auch begrenzt?
Birol: Die gegenwärtigen Uranreserven sind mehr als ausreichend für die Zukunft. Sie sind außerdem besser verteilt als Öl- und Gasvorkommen. Und viele sind noch gar nicht erschlossen. Das größte Problem der Atomenergie bilden nicht die Uranvorkommen; es ist vielmehr die politische Akzeptanz.
Heinemann: Und das Problem des Atommülls?
Birol: Natürlich, und da besteht ein Zusammenhang mit der öffentlichen Akzeptanz.
Heinemann: Herr Birol, reden wir über den Ölpreis. Eine Studie der Investmentbank Goldman Sachs rechnet mit einem Preis von 140 Dollar pro Fass in diesem Sommer und 200 Dollar im kommenden Jahr. Sind das realistische Voraussagen?
Birol: Als Chefökonom der IEA ist es mir gesetzlich nicht gestattet, Vorhersagen über den Ölpreis zu treffen. Ich kann nur so viel sagen: Ich wäre sehr überrascht, wenn sich der gegenwärtige Ölpreis bald merklich nach unten bewegte. Die Preisniveaus, die wir vor drei oder vier Jahren gesehen haben, sind vorüber.
Heinemann: Welche Gründe für den Höhenflug des Ölpreises sehen Sie?
Birol: Zwei Gründe: die Erwartung einer zunehmenden Nachfrage durch China, Indien und andere Staaten. Das Angebot wird möglicherweise nicht in gleichem Umfang zulegen. Das sorgt auf dem Markt für Nervosität. Obendrein ist das ein fruchtbarer Nährboden für Spekulanten, die den Preis höher treiben. Aber der wichtigste Grund ist die Wahrnehmung eines Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage.
Heinemann: Viele Bürger müssen wegen der hohen Energiepreise ihre Ausgaben verringern und sehen, wie sie über die Runden kommen. Erwarten Sie eine Rezession?
Birol: Wenn die Preise auf diesem Niveau bleiben oder sogar steigen, werden damit große Nachteile für die Länder der OECD verbunden sein. Die Wirtschaft in Ländern wie China oder Indien wird gebremst und dort - wie auch in der OECD - unter Inflationsdruck geraten. Besonders getroffen werden aber die Ärmsten der Armen in Afrika und Lateinamerika. Kurz: Ausgenommen einige erdölexportierende Länder im Nahen Osten wird die Weltwirtschaft unter den hohen Ölpreisen leiden.
Wir müssen Alternativen zum Öl finden. Die Forschung muss jetzt beginnen. Nur: In fast allen Staaten der OECD, den reichen Ländern, haben sich die Ausgaben für diese Forschung und Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren in großem Umfang verringert. Das ist keine konsequente Politik.