Gerd Breker: Die tagelangen Streitereien von Union und SPD über die Haushalts- und Finanzpolitik sind beigelegt, die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel machte gestern für alle deutlich, sie werde einen verfassungskonformen Etatentwurf fürs nächste Jahr vorlegen. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht sei bereits gestört, weitere Einsparungen hätten diese Störung noch verstärkt. Der Haushalt - unser Thema mit dem CDU-Finanzminister der großen Koalition in Schleswig-Holstein, mit Rainer Wiegard, guten Morgen, Herr Wiegard.
Rainer Wiegard: Guten Morgen, Herr Breker.
Breker: Nur mit dem gestörten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht kann dieser Haushalt verfassungskonform gemacht werden. Das halten Sie aber für gerechtfertig, oder?
Wiegard: Das halte ich nicht für gerechtfertigt. Ich bin sehr betrübt darüber, wenn die neue Bundesregierung etwa ihre Arbeit mit einer Lüge beginnt. Wir haben ja in Schleswig-Holstein reichliche Erfahrungen in dieser Frage und ich glaube, die Menschen wissen sehr genau, dass wir bei dem, was jetzt in den Koalitionsverhandlungen auch offen gelegt wurde an Finanzdefizit, dass damit jedenfalls für 2006 ein verfassungsgemäßer Haushalt nicht herstellbar ist. Und wenn nun lediglich zur Beruhigung der Verfassungsgemüter eine Begründung gefunden wird oder werden soll, die sozusagen vorgaukelt, dass dies so ist, dann haben wir solche Zustände, wie wir sie auch in Schleswig-Holstein über Jahre gehabt haben und dann bessert sich nichts an der Lage. Ich glaube, wir müssen den Menschen wirklich reinen Wein einschenken über die Lage und die Lage ist so, dass der Haushalt ganz offensichtlich nicht verfassungsgemäß zu begründen ist, denn es reicht ja nicht zu erklären, dass wir eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts haben. Dazu gehören ja die vier Punkte Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, angemessenes Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung und lediglich die beiden letzten Punkte werden nicht erfüllt. Also man könnte schon darüber einen sehr langen Streit führen. Hilft uns aber auch nicht weiter, denn auch wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass das so ist, dann müssen ja die zusätzlichen neuen Schulden immer noch ausschließlich dazu bestimmt und geeignet sein, wie die Verfassung sagt, diese Störung abzuwehren und nicht etwa nur ein laufendes Defizit zwischen den Ausgaben und Einnahmen im Haushalt abzudecken. Also ich plädiere sehr dafür, dass wir den Menschen wirklich reinen Wein einschenken. Sie sind ohnehin in vielen Bereichen sehr enttäuscht von dem. Jeder hat sich manchmal auch noch etwas mehr vorgestellt, als die Parteien in ihren Wahlprogrammen schon versprochen haben, und wenn dann auch jetzt noch dazu kommt, dass man ganz offensichtlich mit einer Lüge die Arbeit beginnt, dann ist das ziemlich weicher Sand, auf dem die neue Koalition ihre Arbeit aufnimmt.
Breker: Dann würden Sie, Herr Wiegard, dem Bundespräsidenten empfehlen, den Haushalt für 2006 nicht zu unterzeichnen, denn es ist ja ein Gesetz und er muss es unterschreiben.
Wiegard: Und alle, alle Verfassungsorgane müssen die Lage beurteilen, wie sie ist, und ganz offensichtlich ist es so, dass dieser Haushalt jedenfalls für 2006 nicht ausgeglichen werden kann im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen. Diese Erkenntnis habe ich in Schleswig-Holstein vorgefunden und habe keine andere Wahl, und in dieser Kenntnis der Situation, muss, glaube ich, jedes Verfassungsorgan abwägen, was es bedeutet, wenn man einen Haushalt, der ja ein Übergangshaushalt ist und in dem ja auch schon, was die Beratung anbetrifft, deutlich wird, wie der Übergang zu einer wieder verfassungsgemäßen Ordnung gestaltet werden soll, dann glaube ich, dass man auch mit dieser offenen, transparenten und ehrlichen Darstellung sehr wohl einen solchen Haushalt über einen begrenzten Zeitraum darstellen kann und vor allen Dingen der Öffentlichkeit wirklich deutlich macht, es ist wirklich ernst, es ist wirklich ernst.
Breker: Aber der Bundespräsident müsste etwas unterzeichnen, was gegen die Verfassung ist.
Wiegard: Er ist Verfassungsorgan und er müsste genauso abwägen, wie die Bundesregierung und wie der Bundestag.
Breker: Ihre Kritik, Herr Wiegard, macht sich daran fest, dass Sie sagen: Lasst uns offen sagen, die Neuverschuldung wird dazu benutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Da kommen wir nicht umhin, wir brauchen eine neue Ehrlichkeit, die auch zum Beispiel daran denkt, dass, da ja die Kreditaufnahme nicht höher sein soll, als die Investitionen, dass das, was früher alles zu Investitionen gerechnet wird, dass das nun mal ehrlich in die Bestandsaufnahme kommt.
Wiegard: Ja, dieser Punkt, Herr Breker, kommt ja noch hinzu. Natürlich müssen wir auch zu einer Neudefinition des Investitionsbegriffs kommen im öffentlichen Bereich. Da gibt es viele Dinge, die als Investition bezeichnet werden und im Vergleich jedenfalls zu dem, was in der Wirtschaft und nach Handelsrecht Investition ist, nicht als solche dargestellt werden kann. Das ist das eine und wir brauchen auch eine neue Definition der verfassungsmäßigen Grenze für eine Kreditaufnahme.
Breker: Die Mehrwertsteuer wird ja nun wohl um drei Punkte erhöht, zwei davon sind für die Haushalte. Das war offenbar in dieser Konstellation der leichteste Weg.
Wiegard: Das ist wohl so, ich bin ja immer dafür eingetreten, vollen Umfangs eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung in die Senkung der Lohnnebenkosten zu stecken, um daraus dann neues Wachstum zu schöpfen und aus diesem neuen Wachstum und neuen Arbeitsplätzen auch mehr Steuereinnahmen wieder zu erzielen. Das war offensichtlich so nicht erreichbar. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen, man muss alle Maßnahmen in ihrer Gesamtheit bewerten, weil sie wirken auch in ihrer Gesamtheit, und insgesamt halte ich das, was jetzt vereinbart worden ist, für eine akzeptable Grundlage auf der man arbeiten kann und auf der auch die Menschen wieder, wenn Sie so wollen, Licht am Ende des Tunnels sehen können.
Breker: Fällt Ihnen das, Herr Wiegard, leicht, weil sie ja dadurch auch Entlastung für ihre Haushaltsplanung haben, denn die Länder profitieren ja auch von der Mehrwertsteuererhöhung.
Wiegard: Ja, das ist immer dieser Streit der beiden Schulen. Die eine Schule, die sagt, wir kommen zu mehr Einnahmen, indem wir Steuern erhöhen, zu denen gehöre ich nicht, weil das dauerhaft nicht für mich hinreichend wirksam ist, und die andere Schule, zu der ich gehöre, die sagt, wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, in denen sich wieder wirtschaftliches Wachstum ergeben kann, und aus diesem Wachstum müssen wir mehr Steuereinnahmen erzielen. Das heißt, wenn ich das überschlägig rechne, was jetzt an Steuererhöhungen dargestellt wurde und was möglicherweise an Steuersenkungen ja auch aus einer Vielzahl von Maßnahmen sich ergibt, dann reicht das natürlich nicht aus, um zu einem wachsendem Steueraufkommen zu kommen, sondern wir brauchen aus den übrigen Maßnahmen - und da habe ich sehr viel Hoffnung auch auf den Koalitionsvertrag und auf die Partner, die verhandeln und wir werden uns darin einbringen. Es sind ja im kommenden Jahr die drei großen Komplexe zu erfüllen noch, nämlich die Frage Gesundheitsreform, Einkommensteuerreform, Umsatzsteuerreform in Verbindung mit Neuordnung der Gemeindefinanzen. Also das sind drei, wenn Sie so wollen sogar vier große Bereiche, in denen wir noch die Chance haben, Deutschland wirklich voran zu bringen.
Breker: Und die möglicherweise auch Geld kosten werden. Herr Wiegard, die Mehrwertsteuererhöhung, das hat der DGB, das hat Herr Sommer schon angekündigt, könnte sich auswirken auf die Tarifforderungen der Gewerkschaften. Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, sie will die Zinsen erhöhen, wenn auch nur leicht, aber immerhin, die Risiken werden gesehen. Es könnte, wörtlich genommen, teuer werden.
Wiegard: Also, das ist ja bei uns immer so, dass wir die Risiken sehen und nicht die Chancen und auch weniger die Aufgabe vielleicht, nicht. Gucken wir uns mal um, in anderen Ländern um uns herum, dann wissen wir, die Mehrwertsteuer ist da noch um ein Mehrfaches höher, als wir sie jetzt erst erhöhen werden, und was die EZB angeht: Ich bin immer sehr erstaunt, wenn da solche Entwicklungen angekündigt werden. Eine Zinserhöhung, die macht man, aber sie anzukündigen, das halte ich eigentlich nicht für sehr ertragreich.
Breker: In jedem Fall bedeutet das Gift für das zarte Pflänzchen Konjunktur.
Wiegard: Das ist richtig. Allerdings ist auch in der Koalitionsvereinbarung ja einiges eingebaut, was durchaus dem zarten Pflänzchen Konjunktur in diesem Jahr oder im kommenden Jahr durchaus zur Blüte verhelfen kann. Da gibt es eine ganze Menge, was gleich mehrfache Wirksamkeit haben wird. Wenn Sie nur denken an die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerdienstleistungen auch im privaten Bereich, was zugleich auch noch eine Bekämpfung von Schwarzarbeit bedeutet. Wenn wir es gleichzeitig erreichen, die Finanzminister haben sich ja gerade verständigt auf einen Systemwechsel in der Mehrwertsteuer, wo die Steuerschuld verlagert werden soll auf den Leistungsempfänger, wenn wir das umsetzen können in dieser Wahlperiode mit Hilfe der Europäischen Kommission natürlich, die dafür zuständig ist, dann glaube ich, dass auch solche Maßnahmen sehr, sehr wirksam Erfolge haben werden.
Breker: Alles in allem, Herr Wiegard, wenn Sie auf die Zukunft schauen, dann tun Sie dies mit großer Zuversicht.
Wiegard: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es erreichen, in den kommenden vier, fünf Jahren Deutschland wirklich voran zu bringen, weil es haben, glaube ich, die politisch Handelnden alle kapiert. Mir wäre es wichtig, dass wir dieses Begreifen auch umsetzen in die Köpfe der Menschen und der Unternehmen und dazu gehört es, dass wir ihnen offen und ehrlich die Lage darstellen und nicht beginnen, schon wieder an der tatsächlichen Situation herumzudeuteln mit irgendwelchen Begründungen, die dann einer sachgerechten Prüfung nicht Stand halten würden.
Rainer Wiegard: Guten Morgen, Herr Breker.
Breker: Nur mit dem gestörten gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht kann dieser Haushalt verfassungskonform gemacht werden. Das halten Sie aber für gerechtfertig, oder?
Wiegard: Das halte ich nicht für gerechtfertigt. Ich bin sehr betrübt darüber, wenn die neue Bundesregierung etwa ihre Arbeit mit einer Lüge beginnt. Wir haben ja in Schleswig-Holstein reichliche Erfahrungen in dieser Frage und ich glaube, die Menschen wissen sehr genau, dass wir bei dem, was jetzt in den Koalitionsverhandlungen auch offen gelegt wurde an Finanzdefizit, dass damit jedenfalls für 2006 ein verfassungsgemäßer Haushalt nicht herstellbar ist. Und wenn nun lediglich zur Beruhigung der Verfassungsgemüter eine Begründung gefunden wird oder werden soll, die sozusagen vorgaukelt, dass dies so ist, dann haben wir solche Zustände, wie wir sie auch in Schleswig-Holstein über Jahre gehabt haben und dann bessert sich nichts an der Lage. Ich glaube, wir müssen den Menschen wirklich reinen Wein einschenken über die Lage und die Lage ist so, dass der Haushalt ganz offensichtlich nicht verfassungsgemäß zu begründen ist, denn es reicht ja nicht zu erklären, dass wir eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts haben. Dazu gehören ja die vier Punkte Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, angemessenes Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung und lediglich die beiden letzten Punkte werden nicht erfüllt. Also man könnte schon darüber einen sehr langen Streit führen. Hilft uns aber auch nicht weiter, denn auch wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass das so ist, dann müssen ja die zusätzlichen neuen Schulden immer noch ausschließlich dazu bestimmt und geeignet sein, wie die Verfassung sagt, diese Störung abzuwehren und nicht etwa nur ein laufendes Defizit zwischen den Ausgaben und Einnahmen im Haushalt abzudecken. Also ich plädiere sehr dafür, dass wir den Menschen wirklich reinen Wein einschenken. Sie sind ohnehin in vielen Bereichen sehr enttäuscht von dem. Jeder hat sich manchmal auch noch etwas mehr vorgestellt, als die Parteien in ihren Wahlprogrammen schon versprochen haben, und wenn dann auch jetzt noch dazu kommt, dass man ganz offensichtlich mit einer Lüge die Arbeit beginnt, dann ist das ziemlich weicher Sand, auf dem die neue Koalition ihre Arbeit aufnimmt.
Breker: Dann würden Sie, Herr Wiegard, dem Bundespräsidenten empfehlen, den Haushalt für 2006 nicht zu unterzeichnen, denn es ist ja ein Gesetz und er muss es unterschreiben.
Wiegard: Und alle, alle Verfassungsorgane müssen die Lage beurteilen, wie sie ist, und ganz offensichtlich ist es so, dass dieser Haushalt jedenfalls für 2006 nicht ausgeglichen werden kann im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen. Diese Erkenntnis habe ich in Schleswig-Holstein vorgefunden und habe keine andere Wahl, und in dieser Kenntnis der Situation, muss, glaube ich, jedes Verfassungsorgan abwägen, was es bedeutet, wenn man einen Haushalt, der ja ein Übergangshaushalt ist und in dem ja auch schon, was die Beratung anbetrifft, deutlich wird, wie der Übergang zu einer wieder verfassungsgemäßen Ordnung gestaltet werden soll, dann glaube ich, dass man auch mit dieser offenen, transparenten und ehrlichen Darstellung sehr wohl einen solchen Haushalt über einen begrenzten Zeitraum darstellen kann und vor allen Dingen der Öffentlichkeit wirklich deutlich macht, es ist wirklich ernst, es ist wirklich ernst.
Breker: Aber der Bundespräsident müsste etwas unterzeichnen, was gegen die Verfassung ist.
Wiegard: Er ist Verfassungsorgan und er müsste genauso abwägen, wie die Bundesregierung und wie der Bundestag.
Breker: Ihre Kritik, Herr Wiegard, macht sich daran fest, dass Sie sagen: Lasst uns offen sagen, die Neuverschuldung wird dazu benutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Da kommen wir nicht umhin, wir brauchen eine neue Ehrlichkeit, die auch zum Beispiel daran denkt, dass, da ja die Kreditaufnahme nicht höher sein soll, als die Investitionen, dass das, was früher alles zu Investitionen gerechnet wird, dass das nun mal ehrlich in die Bestandsaufnahme kommt.
Wiegard: Ja, dieser Punkt, Herr Breker, kommt ja noch hinzu. Natürlich müssen wir auch zu einer Neudefinition des Investitionsbegriffs kommen im öffentlichen Bereich. Da gibt es viele Dinge, die als Investition bezeichnet werden und im Vergleich jedenfalls zu dem, was in der Wirtschaft und nach Handelsrecht Investition ist, nicht als solche dargestellt werden kann. Das ist das eine und wir brauchen auch eine neue Definition der verfassungsmäßigen Grenze für eine Kreditaufnahme.
Breker: Die Mehrwertsteuer wird ja nun wohl um drei Punkte erhöht, zwei davon sind für die Haushalte. Das war offenbar in dieser Konstellation der leichteste Weg.
Wiegard: Das ist wohl so, ich bin ja immer dafür eingetreten, vollen Umfangs eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung in die Senkung der Lohnnebenkosten zu stecken, um daraus dann neues Wachstum zu schöpfen und aus diesem neuen Wachstum und neuen Arbeitsplätzen auch mehr Steuereinnahmen wieder zu erzielen. Das war offensichtlich so nicht erreichbar. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen, man muss alle Maßnahmen in ihrer Gesamtheit bewerten, weil sie wirken auch in ihrer Gesamtheit, und insgesamt halte ich das, was jetzt vereinbart worden ist, für eine akzeptable Grundlage auf der man arbeiten kann und auf der auch die Menschen wieder, wenn Sie so wollen, Licht am Ende des Tunnels sehen können.
Breker: Fällt Ihnen das, Herr Wiegard, leicht, weil sie ja dadurch auch Entlastung für ihre Haushaltsplanung haben, denn die Länder profitieren ja auch von der Mehrwertsteuererhöhung.
Wiegard: Ja, das ist immer dieser Streit der beiden Schulen. Die eine Schule, die sagt, wir kommen zu mehr Einnahmen, indem wir Steuern erhöhen, zu denen gehöre ich nicht, weil das dauerhaft nicht für mich hinreichend wirksam ist, und die andere Schule, zu der ich gehöre, die sagt, wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern, in denen sich wieder wirtschaftliches Wachstum ergeben kann, und aus diesem Wachstum müssen wir mehr Steuereinnahmen erzielen. Das heißt, wenn ich das überschlägig rechne, was jetzt an Steuererhöhungen dargestellt wurde und was möglicherweise an Steuersenkungen ja auch aus einer Vielzahl von Maßnahmen sich ergibt, dann reicht das natürlich nicht aus, um zu einem wachsendem Steueraufkommen zu kommen, sondern wir brauchen aus den übrigen Maßnahmen - und da habe ich sehr viel Hoffnung auch auf den Koalitionsvertrag und auf die Partner, die verhandeln und wir werden uns darin einbringen. Es sind ja im kommenden Jahr die drei großen Komplexe zu erfüllen noch, nämlich die Frage Gesundheitsreform, Einkommensteuerreform, Umsatzsteuerreform in Verbindung mit Neuordnung der Gemeindefinanzen. Also das sind drei, wenn Sie so wollen sogar vier große Bereiche, in denen wir noch die Chance haben, Deutschland wirklich voran zu bringen.
Breker: Und die möglicherweise auch Geld kosten werden. Herr Wiegard, die Mehrwertsteuererhöhung, das hat der DGB, das hat Herr Sommer schon angekündigt, könnte sich auswirken auf die Tarifforderungen der Gewerkschaften. Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, sie will die Zinsen erhöhen, wenn auch nur leicht, aber immerhin, die Risiken werden gesehen. Es könnte, wörtlich genommen, teuer werden.
Wiegard: Also, das ist ja bei uns immer so, dass wir die Risiken sehen und nicht die Chancen und auch weniger die Aufgabe vielleicht, nicht. Gucken wir uns mal um, in anderen Ländern um uns herum, dann wissen wir, die Mehrwertsteuer ist da noch um ein Mehrfaches höher, als wir sie jetzt erst erhöhen werden, und was die EZB angeht: Ich bin immer sehr erstaunt, wenn da solche Entwicklungen angekündigt werden. Eine Zinserhöhung, die macht man, aber sie anzukündigen, das halte ich eigentlich nicht für sehr ertragreich.
Breker: In jedem Fall bedeutet das Gift für das zarte Pflänzchen Konjunktur.
Wiegard: Das ist richtig. Allerdings ist auch in der Koalitionsvereinbarung ja einiges eingebaut, was durchaus dem zarten Pflänzchen Konjunktur in diesem Jahr oder im kommenden Jahr durchaus zur Blüte verhelfen kann. Da gibt es eine ganze Menge, was gleich mehrfache Wirksamkeit haben wird. Wenn Sie nur denken an die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerdienstleistungen auch im privaten Bereich, was zugleich auch noch eine Bekämpfung von Schwarzarbeit bedeutet. Wenn wir es gleichzeitig erreichen, die Finanzminister haben sich ja gerade verständigt auf einen Systemwechsel in der Mehrwertsteuer, wo die Steuerschuld verlagert werden soll auf den Leistungsempfänger, wenn wir das umsetzen können in dieser Wahlperiode mit Hilfe der Europäischen Kommission natürlich, die dafür zuständig ist, dann glaube ich, dass auch solche Maßnahmen sehr, sehr wirksam Erfolge haben werden.
Breker: Alles in allem, Herr Wiegard, wenn Sie auf die Zukunft schauen, dann tun Sie dies mit großer Zuversicht.
Wiegard: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es erreichen, in den kommenden vier, fünf Jahren Deutschland wirklich voran zu bringen, weil es haben, glaube ich, die politisch Handelnden alle kapiert. Mir wäre es wichtig, dass wir dieses Begreifen auch umsetzen in die Köpfe der Menschen und der Unternehmen und dazu gehört es, dass wir ihnen offen und ehrlich die Lage darstellen und nicht beginnen, schon wieder an der tatsächlichen Situation herumzudeuteln mit irgendwelchen Begründungen, die dann einer sachgerechten Prüfung nicht Stand halten würden.