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"Wir müssen in Deutschland auch eine Vorreiterrolle haben"

Die angekündigte Anwesenheit von Barack Obama in der Schlussphase der Klima-Konferenz in Kopenhagen sei ein Signal, meint Matthias Miersch, umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er meint, dass Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen müsse - bemängelt aber die Arbeit der Bundesregierung.

Matthias Miersch im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Es ist die größte Konferenz, die die Vereinten Nationen jemals organisiert haben: 15.000 Teilnehmer aus 192 Ländern. Das Ziel: ein verbindliches Abkommen zur Reduzierung des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Delegierten innerhalb der nächsten zwei Wochen einigen, und vor allem wie viel Taktiererei ist mit im Spiel?
    Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit Matthias Miersch. Er ist der neue umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Schönen guten Tag, Herr Miersch.

    Matthias Miersch: Ich grüße Sie.

    Armbrüster: Wie schätzen Sie es ein? Wird Kopenhagen ein Erfolg?

    Miersch: Ich glaube, dass das Signal, dass Obama jetzt seine Anreise verschoben hat und im Schlusssegment dabei sein wird, ein ganz wichtiges ist und ich verspreche mir schon davon, dass wir eine verbindliche Erklärung am Ende haben, wenngleich man natürlich den richtigen Ablauf noch nicht richtig einschätzen kann.

    Armbrüster: Heißt das, dieser Erfolg hängt tatsächlich vom jetzt angekündigten Besuch von Obama in Kopenhagen ab?

    Miersch: Solche Verhandlungen haben immer eine gewisse Eigendynamik und die Frage ist, wer reist wann an, wer bringt welche Lösung wann auf den Tisch. Ich meine schon, dass das ein ganz wichtiges Signal ist, denn Obama wird sich sicherlich nicht leisten können, bei allen Vorschusslorbeeren ohne ein greifbares Ergebnis wieder zurückzureisen.

    Armbrüster: Nun sind ja gerade die USA etwas umstritten. Sie haben angekündigt, um circa 14 Prozent ihren CO2-Ausstoß bis 2020 zu reduzieren. Das ist deutlich unter dem, was die EU oder was Deutschland angeboten haben. Wie lässt sich damit vereinbaren, dass Obama einen Erfolg in Kopenhagen produzieren könnte?

    Miersch: Man muss, glaube ich, Obama als erstes daran messen, was er überhaupt im Vergleich zu seinem Vorgänger Bush dort in die Wege leiten will, und da meine ich schon, dass man sagen kann, das ist ein deutlicher Schritt nach vorne, wenngleich wir Europäer, denke ich, auch deutlich machen müssen, dass wir mehr verlangen. Aber da muss man natürlich dann auch miteinander verhandeln. Ich glaube, das was er an Zielen augenblicklich aufgelegt hat, das ist schon ein wichtiger Schritt nach vorne. Man muss auch immer sehen, dass die Amerikaner ja mit Klimaschutz in den letzten Jahrzehnten ganz wenig zu tun hatten.

    Armbrüster: Herr Miersch, Ihre Partei sitzt nun im Bundestag in der Opposition. Die Bundesregierung versucht, sich bei diesen Klimaverhandlungen als Vorreiter zu profilieren. Nehmen Sie ihr das ab?

    Miersch: Nein, das nehme ich ihr nicht ganz ab, weil wir gerade in der vergangenen Sitzungswoche erlebt haben, dass ein Antrag, der noch durch CDU und FDP im Umweltausschuss gestellt wurde, dann zur entscheidenden Plenarsitzung deutlich in entscheidenden Punkten abgeschwächt wurde, wo es beispielsweise darum geht, was wollen wir selbst tun, aber vor allen Dingen auch darum ging, was wollen wir den ärmeren Ländern als Entwicklungshilfe für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stellen.

    Armbrüster: Heißt das, die neue Koalition hat ihre Strategie für Kopenhagen bereits in den ersten Wochen geändert?

    Miersch: Ich habe den Eindruck, dass man da noch nicht so ganz zwischen Entwicklungshilfeministerium, zwischen Umweltministerium und dem Kanzleramt abgestimmt ist. Sonst ist das eigentlich nicht zu erklären, dass ein Antrag noch mal im Beratungsprozess modifiziert wird. Das entscheidende, glaube ich - und den Fehler darf man jetzt nicht machen: man darf nicht unambitioniert dort reingehen. Wir müssen in Deutschland auch eine Vorreiterrolle haben, und das ist gerade bei den Zusagen an die ärmeren Länder ein ganz entscheidender Faktor, die an den Verhandlungstisch mit einer Zusage zu bekommen.

    Armbrüster: 100 Milliarden Euro sind nach aktuellen Schätzungen nötig, um den Klimaschutz in den Entwicklungsländern zu finanzieren. Die Bundesregierung will dieses Geld jetzt mit der Entwicklungshilfe verrechnen. Ist das ein guter Weg?

    Miersch: Das genau ist unser Kritikpunkt, weil das natürlich ein ganz negatives Signal an die Entwicklungsländer ist, wenn man die Bekämpfung beispielsweise von AIDS mit Klimaschutzmaßnahmen verrechnet. Beides ist dringend notwendig und beides wird von ärmeren Ländern erwartet, dass man tatsächlich die Mittel für beide Elemente zur Verfügung stellt. Insofern sind wir dort als Industrienation, als reiche Industrienation auch in der Pflicht. Umso schädlicher ist es, dass man hier beispielsweise auch durch die Zusagen an das Hotelgewerbe im Rahmen des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes auf Milliarden verzichtet und hier so negative Signale an die ärmeren Länder ausstrahlt.

    Armbrüster: Bleiben wir gerade noch einmal bei Kopenhagen. Heißt das, die SPD würde inzwischen von ihrem ursprünglich eingeschlagenen Weg, den sie in der Großen Koalition eingeschlagen hat, abgehen?

    Miersch: Nein, das stimmt nicht so ganz, weil man gerade auch im letzten Kabinett immer wieder gesagt hat, die Klimaschutzmaßnahmen dürfen auf die sogenannte Oder-Quote nicht angerechnet werden. Das wäre jetzt insofern auch ein Bruch im Vergleich zu der schwarz-roten Regierung. Das war auch, glaube ich jedenfalls, letzte Woche eigentlich noch in der Bundesregierung nicht bestritten, und dann muss das Entwicklungshilfeministerium, so ist jedenfalls meine Deutung, da reingefunkt sein und man hat den Antrag dort deutlich abgeschwächt.

    Armbrüster: Herr Miersch, schon das Kyoto-Protokoll 1992 sollte den CO2-Ausstoß ja begrenzen, aber dieser Ausstoß ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, weltweit um ungefähr ein Drittel. Wie realistisch ist es überhaupt, dass es uns in den nächsten Jahren nach dieser Konferenz in Kopenhagen gelingt, diesen Trend zu beenden?

    Miersch: Ich habe den Eindruck, dass langsam das Bewusstsein geschärft worden ist, auch gerade in der Bevölkerung, und wir müssen, glaube ich, jetzt sehr deutlich machen, dass wir einfach ganz, ganz wenig Zeit nur noch haben. Hier geht es vor allen Dingen auch um die Frage der Ressourcen. Wir müssen als Industrienation begreifen, dass Strom, dass Energie, dass fossile Elemente immer teuerer werden, weil sie knapp sind, weil der Förderzenit schon überschritten ist und immer mehr Menschen auf der Welt auf diese Rohstoffe zugreifen wollen. Insofern, glaube ich, ist das realistisch, weil sich die Preise in den fossilen Bereichen beispielsweise deutlich verteuern werden und wir gar nicht anders können, als umzusteuern. Die Frage ist nur wann und wir sind gut aufgestellt, wenn wir das Thema vor allen Dingen auch aufgrund der Wirtschaftssituation frühzeitig aufgreifen.

    Armbrüster: Wir sprechen jetzt immer über internationale Verhandlungen, die weit weg sind, aber letztendlich werden diese Ergebnisse uns ja alle betreffen. Worauf müssen wir uns als Verbraucher in den kommenden Jahren einstellen?

    Miersch: Die Entwicklung hat man ja jetzt schon gesehen. Sie ist durch die Wirtschaftskrise ein bisschen abgemildert worden. Aber die Energiepreise sind ja schon gestiegen und wir werden erleben, dass sie einfach noch weiter steigen werden, wenn wir nicht da eine Umkehr schaffen zu erneuerbaren, aber auch vor allen Dingen zu weniger Verbrauch. Da ist beispielsweise gerade im Gebäudebereich ganz, ganz viel möglich, ohne dass es weh tut. Da ist die Frage, welche Fördermechanismen setzt man ein, das Gebäudesanierungsprogramm ist sicherlich ein wichtiger Schritt gewesen. Letztlich wird jeder, glaube ich jedenfalls, darauf achten müssen, dass Energie eine sehr, sehr wertvolle Ressource ist.

    Armbrüster: Matthias Miersch war das, der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Herr Miersch, für das Gespräch.

    Miersch: Danke Ihnen auch.