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"Wir müssen jetzt kurzfristig hart sein" mit Griechenland

Der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, Lutz Goebel, spricht sich für eine geordnete Insolvenz Griechenlands aus. Dafür sei eine Umschuldung und die Beteiligung privater Gläubiger nötig. "Das andere Szenario, retten, koste es was es wolle, das werden wir nicht durchhalten."

Lutz Goebel im Gespräch mit Oliver Ramme |
    Jürgen Liminski: Die Griechenland-Hilfe ist in der Wirtschaft hierzulande umstritten. Die Finanzwelt möchte sie auf jeden Fall fortsetzen, sie fürchtet um eigene Investitionen. Vor allem die Familienunternehmer sehen die Rettungsgelder in einem Fass ohne Boden verschwinden. Mein Kollege Oliver Ramme sprach gestern Abend mit Lutz Goebel, dem Präsidenten des Verbandes, der nach eigener Darstellung über sechs Jahrzehnte ein anerkannter und gefragter Ratgeber der Politik gewesen ist. Die erste Frage lautete, welchen Rat er, Lutz Goebel, der Bundesregierung in Sachen Euro-Krise und Griechenland geben würde?

    Lutz Goebel: Also es bleibt jetzt, wo wir schon relativ spät dran sind, ein einziger Weg. Das Thema Euro-Bonds ist völlig ausgeschlossen, weil wir daran zu Grunde gehen, und der vorgeschlagene Weg von Herrn Finanzminister Schäuble, einen erweiterten Rettungsschirm mit allen möglichen Kompetenzen, Präventionen, Eingriffsmöglichkeiten und dem Ankauf von Staatsanleihen, mag zwar kurzfristig die Märkte beruhigen, wird aber langfristig uns völlig überfordern, unser Tripple-A kosten, und dann haben wir grundsätzlich verloren. Und deswegen sind wir der Auffassung, dass eigentlich nur noch ein einziger Weg übrig bleibt, dass man sehr stringente Forderungen stellt. Das erste ist, dass man den Ankauf von Staatsanleihen durch EFSF und ESM untersagt. Das zweite ist, dass ein klarer Parlamentsvorbehalt da sein muss für das deutsche Parlament, für den Bundestag. Das dritte ist, dass es Umschuldung und private Gläubigerbeteiligung geben muss.

    Oliver Ramme: Was heißt das jetzt genau mit Blick auf Griechenland? Was schlagen Sie vor, was muss mit Griechenland geschehen?

    Goebel: In meinen Augen wird Griechenland die Bedingungen, die gestellt wurden und die von der Troika überprüft werden, nicht einhalten können und es wird über kurz oder lang dazu kommen, dass deswegen die Gelder nicht ausgezahlt werden und Griechenland deswegen in eine geordnete Insolvenz gehen sollte.

    Ramme: Wie sieht diese geordnete Insolvenz Ihrer Ansicht nach aus? Sie sind ja Familienunternehmer, Sie haben das sicherlich schon öfter mitbekommen. Bei Unternehmen kann man sich das vorstellen. Wie sieht das bei einem Staat aus?

    Goebel: Das Problem ist wirklich, dass man die Zeit jetzt im Jahre drei der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht dazu genutzt hat, ein geordnetes Verfahren zu entwickeln, obwohl man immer wieder davon spricht, dass auch das Finanzministerium einen Plan B haben soll. In meinen Augen kann es nur darum gehen, dass man die Banken, die griechischen Banken absichert und dass im Prinzip ein Umschuldungsmechanismus eingeführt wird, dass man sagt, wir haben eine private Gläubigerbeteiligung sagen wir von 50 Prozent - so sind ja etwa die Abschläge auf die Griechenland-Anleihen an den Märkten - und dass praktisch diese Anleihen zurückgenommen werden und Anleihen mit auch einem niedrigen Zinssatz, aber einer längeren Laufzeit werden neu ausgegeben, und das wäre eine Umschuldung, die man mit den privaten Gläubigern durchführt.

    Ramme: Und am Ende steht dann die Drachme?

    Goebel: Das ist nicht zwingend erforderlich, ist auch nicht unbedingt den Griechen zu empfehlen. Ich denke, mit einem Einstieg in die Drachme hat man das Problem, dass die Schulden nach wie vor in Euro valutieren, es kommt bestimmt eine Abwertung von 50 Prozent, also das werden die Griechen nicht wollen. Es wird meines Erachtens auch möglich sein, dass die Griechen im Euro-Raum verbleiben.

    Ramme: Das ist ja nun eine sehr, ich sage mal, nüchterne makroökonomische Herangehensweise, die Sie jetzt da vorgeschlagen haben. So einfach lässt sich ja Griechenland nicht bewältigen, denn wir sehen das ja auch an der Diskussion, die wir in der Politik haben: Es geht da ein tiefer Riss gerade durch die Regierung. Die einen sagen, wir sollen auf jeden Fall Griechenland stützen, die anderen sagen, wir sollten eben, wie Sie auch vorgeschlagen haben, die geordnete Insolvenz bringen. Wie wird dieser Weg weiterlaufen Ihrer Ansicht nach?

    Goebel: Wir werden ja momentan immer damit konfrontiert, dass man sagt, euer Vorschlag, der funktioniert ja gar nicht, wir kriegen den sogenannten Domino-Effekt und deswegen müssen wir retten, koste es was es wolle. Und ich sage einfach, man kann jetzt retten, koste es was es wolle, und dann haben wir in zwei Jahren überhaupt kein Geld mehr. Vielleicht haben wir bis dahin unser Tripple-A schon verloren und wir haben unseren Standortvorteil verloren und haben sehr, sehr viel gutes schlechtem Geld hinterhergeworfen, und das können wir alles nicht mehr rückgängig machen. Und aus diesem Grund muss man jetzt Wege einschlagen, dass es überhaupt noch zu retten ist, und das bedeutet zum Beispiel, dass man die Italiener und die Spanier eben die marktüblichen Zinsen zahlen lässt, dass die EZB keine Anleihen mehr kauft und dass deswegen die Spanier, Italiener und Franzosen hell wach werden und feststellen, wir müssen einen vernünftigen Plan machen, damit wir wieder für die Kapitalmärkte akzeptabel sind und dass wir auch vernünftige Zinsen bezahlen können. Und dann werden die Kapitalmärkte auch anerkennen, ja, das ist ein überzeugendes Konzept, das funktioniert, und dann geht es. Aber jetzt hier auf Teufel komm raus zu retten, das werden wir nicht durchhalten. Da sind wir die letzten, die am Ende zahlen müssen, weil auch die anderen - praktisch alle Schuldner sind ja beim ESM und EFSF dabei, die müssen ja alle mitbezahlen. Und wenn wir am Ende übrig bleiben, oder vielleicht noch die Franzosen, das werden wir nicht schultern können, da gehen wir bei drauf.

    Ramme: Also Sie fürchten so etwas wie einen Schneeballeffekt, der dann auf uns zukommt?

    Goebel: Ganz genau. Wir müssen jetzt kurzfristig hart sein, damit wir noch eine Chance haben, den Euro zu retten. Das andere Szenario, retten, koste es was es wolle, das werden wir nicht durchhalten.

    Ramme: Sehen Sie in der Politik zurzeit mangelnde Entschlossenheit, Zögerlichkeit, oder gar nationale Egoismen?

    Goebel: Ja. Was man sicherlich beobachten kann ist, dass die schwächeren Länder einen gewaltigen Druck auf Deutschland ausüben. Das sieht man ja auch zum Beispiel in dem EZB-Rat, wo auch schon abgestimmt wird. Dort hat ja Deutschland nur eine gleichwertige Stimme mit Malta und mit Zypern, und da werden wir kontinuierlich überstimmt. Deswegen ist wahrscheinlich auch Herr Stark zurückgetreten. Es werden jetzt also Staatsanleihen gekauft, obwohl die EZB das überhaupt gar nicht darf. Und ich glaube, dass hier auch auf die Regierung, auf Frau Merkel ein Riesendruck ausgeübt wird, ihr müsst hier retten, ihr müsst hier alles tun, und das ist sicherlich keine gute oder einfache Situation. Aber ich denke, wir müssen jetzt komplett gegensteuern, und einige in der Politik haben das ja erkannt: bei der FDP jetzt Herr Rösler und andere, die haben das ja erkannt.

    Liminski: Lutz Goebel, der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, im Gespräch mit meinem Kollegen Oliver Ramme gestern Abend hier im Deutschlandfunk.

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