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"Wir müssen uns natürlich einigen, nächstes Jahr wird gewählt"

Eine Einigung für ein neues Wahlrecht gebe es zwar noch nicht, erklärt Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, aber man gehe aufeinander zu. Es zeichne sich eine Lösung um den Preis ab, dass der Bundestag größer werde, sagte der CSU-Politiker.

Das Gespräch führte Dirk-Oliver Heckmann | 18.10.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Monatelang hatten Koalition und Opposition miteinander gestritten und fast sah es so aus, als sei der Bundestag nicht in der Lage, ein neues Wahlrecht zu beschließen. Das geltende, das Union und FDP auf eigene Faust abänderten, nämlich war vom Bundesverfassungsgericht verworfen worden. Die große Zahl von möglichen Überhangmandaten nämlich verzerrte den Willen des Wählers, so die Richter.

    Gestern dann die Meldung von Seiten der SPD, es gebe einen Durchbruch, die Koalition meldet lediglich Bewegung, und am Telefon ist jetzt Hans-Peter Uhl von der CSU, er ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion. Guten Morgen, Herr Uhl!

    Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Uhl, helfen Sie uns weiter: Gibt es jetzt eine Einigung oder nicht?

    Uhl: Nein, es gibt noch keine Einigung. Aber wir gehen aufeinander zu. Wir hatten gestern eine Anhörung von Mathematikprofessoren - daran sehen Sie, wie kompliziert das System ist – und die sollten unsere drei Modelle, die wir derzeit noch diskutieren, bewerten im Lichte der beiden Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Die haben uns ja zweierlei Aufgaben gestellt. Im ersten Urteil sagten die Richter, wir sollen das negative Stimmgewicht beseitigen; das haben wir dann gemacht, Union und FDP, leider ohne Opposition. Dann ging es wieder vor Gericht, dann hatten die Richter eine neue Idee. Sie haben gesagt, Überhangmandate sind dem Grunde nach nicht verfassungswidrig, sie sind verfassungsgemäß. Aber – und dann haben die Richter eine regelrechte Schnapsidee geboren – ab dem 15. Überhangmandat muss dieses ausgeglichen werden. Wie sich das umsetzen lässt, das haben sie uns leider nicht verraten.

    Heckmann: Dafür ist die Politik natürlich auch irgendwo da, bestimmte Lösungen zu finden. – Negatives Stimmgewicht, muss man vielleicht ganz kurz erklären, das ist dieser Effekt, der nicht gewollte Effekt, dass es dazu kommen kann, dass eine Partei, die mehr Stimmen bekommt, plötzlich weniger Mandate bekommt, weil das mit der Verrechnung von Landeslisten zusammenhängt.

    Uhl: Richtig. Das ist hoch kompliziert, ja.

    Heckmann: Herr Uhl, Thomas Oppermann hat gestern aber gesagt, es sei jetzt nur noch ein Modell übrig geblieben, und zwar, wonach jedes Überhangmandat durch ein Ausgleichsmandat ausgeglichen wird, so dass die Zusammensetzung des Bundestages eben genau den Zweitstimmen entspricht und nicht mehr durch Überhangmandate verzerrt wird. Ist das so, oder sind die anderen Modelle noch im Rennen?

    Uhl: Es sind noch weitere Modelle im Rennen, aber was jetzt sich abzeichnet, das hätten wir natürlich früher auch schon haben können, nämlich eine Lösung um den Preis, dass der Bundestag größer wird. Dieses unpopuläre Ergebnis haben wir vermeiden wollen, weil man kann ja jetzt schon den Aufschrei der Medien hören und der Steuerzahler, dass der Bundestag vergrößert wird. Aber der Preis, der muss jetzt offensichtlich bezahlt werden durch den Ausgleich der Überhangmandate.

    Heckmann: Woran liegt das, dass wir diesen Preis zahlen müssen, wenn Sie gar nicht diese Lösung wollen?

    Uhl: …, weil das Gericht ja unsere Lösung ohne Aufblähung des Bundestages aus neuen Gründen wieder verworfen hat. Daran liegt das.

    Heckmann: Der Verfassungsrechtler Ulrich Battis, der schreibt allerdings oder sagt, es sei jetzt der bequemste Weg auf Kosten der Steuerzahler gefunden worden, es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben.

    Uhl: Genau das, was ich gesagt habe. Diesen bequemen Weg auf Kosten des Steuerzahlers, wenn er das so polemisch formulieren will, den wollten wir dem Steuerzahler ersparen und haben ein Gesetz gemacht ohne Aufblähung. Das hat das Gericht verworfen mit dem Hinweis, Überhangmandate sind dem Grunde nach verfassungsgemäß, aber ab dem 15. muss es ausgeglichen werden.

    Heckmann: Das heißt, Schuld daran ist das Gericht in Karlsruhe aus Ihrer Sicht?

    Uhl: Bei uns war bisweilen die Stimmung, dann werfen wir den Richtern das Gesetz vor die Füße, dann sollen sie doch selber sich eine Lösung ausdenken, wenn sie auf so bizarre Ideen kommen.

    Heckmann: Die Leitung wird jetzt gerade so ein bisschen schlecht. Trotzdem die Frage, Hans-Peter Uhl: Union und FDP haben gestern zurückhaltend sich geäußert, was diese angebliche Einigung mit der Opposition angeht. Wie sicher sind Sie denn, dass bis Weihnachten eine Einigung kommen wird?

    Uhl: Wir müssen uns natürlich einigen, nächstes Jahr wird gewählt. Aber der Preis zeichnet sich ab, der unpopuläre Preis, dass der Bundestag vergrößert werden muss, um diese Überhangmandate auszugleichen. Was mit dem negativen Stimmgewicht wird - auch dieses darf man nicht aus dem Auge verlieren -, muss noch zu Ende diskutiert werden. Es könnte nämlich sein, dass wir die Überhangmandate ausgleichen, aber wieder neues negatives Stimmgewicht produzieren. Dann geht es wieder vor Gericht und dann kommen die Richter wieder und sagen, ihr habt das eine Problem gelöst, aber nicht das andere.

    Heckmann: Die Sache ist kompliziert, Sie haben es ja gerade auch schon angekündigt. Einfacher ist vielleicht die folgende Frage zu beantworten. Die Linksfraktion, die sagt, ein größerer Bundestag bedeute nicht mehr Demokratie, und will bei der ganzen Sache nicht mitmachen. Ein Problem für Sie?

    Uhl: Das ist typischer Populismus der Linkspartei. Sie beriechen die Unpopularität einer Lösung und machen sich vom Acker. So einfach kann man sich es in der Demokratie aber nicht machen.

    Heckmann: Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, war das zum Streit um das Wahlrecht.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.