Dirk-Oliver Heckmann: Ist es Panikmache oder eine angemessene Reaktion? der Großeinsatz der Polizei in Baden-Württemberg, der anlief, nachdem ein Schüler im Internet angekündigt hatte, am heutigen Tag in seiner Schule Amok zu laufen. Zwei Realschüler aus Rheinland-Pfalz hatten diese Information jedenfalls den Behörden weitergereicht. Seitdem wird nach dem betreffenden Schüler gefahndet. Die Polizei ist mit starken Kräften landesweit im Einsatz. Zehntausende Schüler und Eltern starteten besorgt in den Tag.
Am Telefon ist jetzt Konrad Freiberg. Er ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Guten Tag, Herr Freiberg!
Konrad Freiberg: Schönen guten Tag, Herr Heckmann!
Heckmann: Wie beurteilen Sie die Reaktion der Behörden in Baden-Württemberg? War die angemessen oder überzogen?
Freiberg: Ich glaube, das wird deutlich, dass wir bei derartigen Fällen, wo es Hinweise gibt, immer in dem Zwiespalt leben zwischen ernst zu nehmender Gefahrenabwehr und Panikmache. Ich erinnere aber daran, dass wir nach Emsdetten unisono in der Öffentlichkeit alle darauf hingewiesen haben, dass sich Mitschüler, wenn sie etwas entdecken, sich melden sollen. Und das muss man ernst nehmen derartige Fälle, und die Frage wird dann immer sein, wie geht man angemessen damit um, ohne in Panik zu verfallen, aber wiederum ernst zu nehmen ist es. Die Gefahrenabwehr steht im Vordergrund, und deswegen sollte man hinterher, nachdem dieser Fall geklärt ist, dann darüber nachdenken, ob alles in der Informationspolitik richtig gelaufen ist.
Heckmann: Die Gefahrenabwehr steht im Vordergrund, sagen Sie. Ihr Kollege aus dem Landesverband Baden-Württemberg, Schneider, hat argumentiert, so kann man damit nicht umgehen. Man hätte nur die Polizeidienststellen und die Schulen selbst informieren sollen. Diese Ansicht teilen Sie nicht?
Freiberg: Darüber lässt sich reden. Das will ich ganz ausdrücklich sagen. Aber ich möchte jetzt deutlich machen: Wir sind jetzt in einer Phase, wo wir einen 18-Jährigen suchen, der eventuell bereit wäre, einen Amoklauf zu machen. Das ist zunächst mal unsere Aufgabe als erstes, bevor wir darüber streiten, wie die Informationspolitik auf Seiten der Schulen gelaufen ist. Das ist sicherlich dann in der Nachbereitung ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Ich darf immer nur darauf hinweisen: Es besteht die Gefahr, dass Nachahmungstäter dieses auch wieder machen werden, und von dorther müssen wir uns darauf vorbereiten, auch in der Informationspolitik, in der Vorgehensweise der Polizei, der Schulbehörden in den kommenden Fällen, damit nicht Panikmache überall verbreitet wird.
Heckmann: Aber wer soll die Verantwortung übernehmen, eben nicht zu warnen, die Öffentlichkeit nicht zu unterrichten, wenn im Endeffekt dann doch etwas passiert?
Freiberg: Genau das ist der schwierige Punkt. Entscheidend ist die Lageeinschätzung der Polizei. Das sage ich ausdrücklich. Die Polizei muss das Zepter in der Hand halten. Die Polizei muss entscheiden, welche Informationen wohin gehen und auch, ob erforderlich ist, dass zum Beispiel Schulen schließen oder wie in diesem Fall, dass eine Bewachung stattfindet. Das ist Aufgabe der Polizei, und dem muss sich auch eine Schulbehörde dann unterordnen, weil: Die Verantwortung liegt nach wie vor bei uns.
Heckmann: Man kann sich vorstellen - Sie sagten es gerade eben selber schon -, dass Trittbrettfahrer aufspringen. Wie kann verhindert werden, dass so etwas jetzt alltäglich passiert und die Menschen irre gemacht werden?
Freiberg: Wir kennen das ja auf anderen Gebieten. Wir kennen das zum Beispiel bei Bombendrohungen. Damit hat die Polizei ja nun wirklich tagtäglich zu tun und immer wieder zu entscheiden, ist das ein Hintergrund, der ernst zu nehmen ist, oder ist das nur Panikmache beziehungsweise treiben Jugendliche angeblich ihre Späße damit. Das ist so. Wir müssen jetzt hier Erfahrungen sammeln, aber nach wie vor bleibt die Aufforderung bestehen an alle Jugendlichen, an Eltern, wenn irgendwo Fehlverhalten erkennbar wird, dass Menschen sich absondern, dass Menschen zu Gewalt neigen oder zu Waffen, dann möge man das anzeigen. Das ist wichtig, denn wir wollen in erster Linie derartige Taten wie in Erfurt und Emsdetten verhindern. Wie und was der geeignete Weg ist, das muss sich dann am Einzelfall zeigen.
Heckmann: Genau das haben die beiden Jugendlichen aus Rheinland-Pfalz offenbar getan, diese Information nämlich an die Behörden weiterzugeben. Man kann aber vielleicht nicht unbedingt davon ausgehen, dass das in jedem Fall so ist. Muss nicht von behördlicher Seite aus die Forderung erhoben werden, das Internet stärker zu überwachen?
Freiberg: Ja, natürlich, der Gedanke ist absolut richtig. Da muss auch mehr geschehen. Aber ich weise darauf hin, ausdrücklich: Das alles sind nur Themen, die am Rande mit den eigentlichen Ursachen zu tun haben. Natürlich muss die Polizei bemüht sein, das Internet besser zu überwachen, aber da muss man auch die Grenzen sehen. Die Polizei ist personell sehr belastet, und wir können dieses wirklich nur in ganz, ganz begrenztem Rahmen machen. Entscheidend ist hier - und deswegen darf man sich den Blick auch nicht verstellen lassen -, wir müssen uns umeinander kümmern. Das gilt für Klassengemeinschaften, das gilt für Eltern, das gilt für Nachbarn. Da ist der Schlüssel des Ganzen zu suchen, in keiner Gesetzesveränderung, sei es Internetüberwachung oder sei es meinetwegen derartige Videospiele zu verbieten. Dort sind die Schlüssel nicht für die Ursachen.
Heckmann: Der bayerische Ministerpräsident, Herr Freiberg, hat eine neue Initiative Bayerns angekündigt zum Verbot von Killerspielen. Gestern ging das über die Agenturen und lief in den Nachrichtensendungen. Ist das mehr als symbolische Politik?
Freiberg: Nein, das ist Symbolpolitik. Ich halte das auch für richtig, dass wir darüber diskutieren in unserer Gesellschaft, was wir sehen wollen, was Jugendliche sehen wollen, ob gewisse Spiele gebraucht werden in unserer Gesellschaft. Ich sage für mich persönlich: Nein, wir brauchen viele Spiele nicht. Aber das ist nicht die Ursache für das ganze Dilemma, in dem wir stecken, dass immer mehr Jugendliche sich isolieren, zu Gewalt neigen. Da müssen wir wirklich auf uns selbst schauen und nicht nur mit Symbolpolitik und Gesetzesveränderungen vorgehen.
Heckmann: Konrad Freiberg war das, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Besten Dank für das Gespräch.
Freiberg: Ich bedanke mich auch. Schönen Tag.
Am Telefon ist jetzt Konrad Freiberg. Er ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Guten Tag, Herr Freiberg!
Konrad Freiberg: Schönen guten Tag, Herr Heckmann!
Heckmann: Wie beurteilen Sie die Reaktion der Behörden in Baden-Württemberg? War die angemessen oder überzogen?
Freiberg: Ich glaube, das wird deutlich, dass wir bei derartigen Fällen, wo es Hinweise gibt, immer in dem Zwiespalt leben zwischen ernst zu nehmender Gefahrenabwehr und Panikmache. Ich erinnere aber daran, dass wir nach Emsdetten unisono in der Öffentlichkeit alle darauf hingewiesen haben, dass sich Mitschüler, wenn sie etwas entdecken, sich melden sollen. Und das muss man ernst nehmen derartige Fälle, und die Frage wird dann immer sein, wie geht man angemessen damit um, ohne in Panik zu verfallen, aber wiederum ernst zu nehmen ist es. Die Gefahrenabwehr steht im Vordergrund, und deswegen sollte man hinterher, nachdem dieser Fall geklärt ist, dann darüber nachdenken, ob alles in der Informationspolitik richtig gelaufen ist.
Heckmann: Die Gefahrenabwehr steht im Vordergrund, sagen Sie. Ihr Kollege aus dem Landesverband Baden-Württemberg, Schneider, hat argumentiert, so kann man damit nicht umgehen. Man hätte nur die Polizeidienststellen und die Schulen selbst informieren sollen. Diese Ansicht teilen Sie nicht?
Freiberg: Darüber lässt sich reden. Das will ich ganz ausdrücklich sagen. Aber ich möchte jetzt deutlich machen: Wir sind jetzt in einer Phase, wo wir einen 18-Jährigen suchen, der eventuell bereit wäre, einen Amoklauf zu machen. Das ist zunächst mal unsere Aufgabe als erstes, bevor wir darüber streiten, wie die Informationspolitik auf Seiten der Schulen gelaufen ist. Das ist sicherlich dann in der Nachbereitung ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Ich darf immer nur darauf hinweisen: Es besteht die Gefahr, dass Nachahmungstäter dieses auch wieder machen werden, und von dorther müssen wir uns darauf vorbereiten, auch in der Informationspolitik, in der Vorgehensweise der Polizei, der Schulbehörden in den kommenden Fällen, damit nicht Panikmache überall verbreitet wird.
Heckmann: Aber wer soll die Verantwortung übernehmen, eben nicht zu warnen, die Öffentlichkeit nicht zu unterrichten, wenn im Endeffekt dann doch etwas passiert?
Freiberg: Genau das ist der schwierige Punkt. Entscheidend ist die Lageeinschätzung der Polizei. Das sage ich ausdrücklich. Die Polizei muss das Zepter in der Hand halten. Die Polizei muss entscheiden, welche Informationen wohin gehen und auch, ob erforderlich ist, dass zum Beispiel Schulen schließen oder wie in diesem Fall, dass eine Bewachung stattfindet. Das ist Aufgabe der Polizei, und dem muss sich auch eine Schulbehörde dann unterordnen, weil: Die Verantwortung liegt nach wie vor bei uns.
Heckmann: Man kann sich vorstellen - Sie sagten es gerade eben selber schon -, dass Trittbrettfahrer aufspringen. Wie kann verhindert werden, dass so etwas jetzt alltäglich passiert und die Menschen irre gemacht werden?
Freiberg: Wir kennen das ja auf anderen Gebieten. Wir kennen das zum Beispiel bei Bombendrohungen. Damit hat die Polizei ja nun wirklich tagtäglich zu tun und immer wieder zu entscheiden, ist das ein Hintergrund, der ernst zu nehmen ist, oder ist das nur Panikmache beziehungsweise treiben Jugendliche angeblich ihre Späße damit. Das ist so. Wir müssen jetzt hier Erfahrungen sammeln, aber nach wie vor bleibt die Aufforderung bestehen an alle Jugendlichen, an Eltern, wenn irgendwo Fehlverhalten erkennbar wird, dass Menschen sich absondern, dass Menschen zu Gewalt neigen oder zu Waffen, dann möge man das anzeigen. Das ist wichtig, denn wir wollen in erster Linie derartige Taten wie in Erfurt und Emsdetten verhindern. Wie und was der geeignete Weg ist, das muss sich dann am Einzelfall zeigen.
Heckmann: Genau das haben die beiden Jugendlichen aus Rheinland-Pfalz offenbar getan, diese Information nämlich an die Behörden weiterzugeben. Man kann aber vielleicht nicht unbedingt davon ausgehen, dass das in jedem Fall so ist. Muss nicht von behördlicher Seite aus die Forderung erhoben werden, das Internet stärker zu überwachen?
Freiberg: Ja, natürlich, der Gedanke ist absolut richtig. Da muss auch mehr geschehen. Aber ich weise darauf hin, ausdrücklich: Das alles sind nur Themen, die am Rande mit den eigentlichen Ursachen zu tun haben. Natürlich muss die Polizei bemüht sein, das Internet besser zu überwachen, aber da muss man auch die Grenzen sehen. Die Polizei ist personell sehr belastet, und wir können dieses wirklich nur in ganz, ganz begrenztem Rahmen machen. Entscheidend ist hier - und deswegen darf man sich den Blick auch nicht verstellen lassen -, wir müssen uns umeinander kümmern. Das gilt für Klassengemeinschaften, das gilt für Eltern, das gilt für Nachbarn. Da ist der Schlüssel des Ganzen zu suchen, in keiner Gesetzesveränderung, sei es Internetüberwachung oder sei es meinetwegen derartige Videospiele zu verbieten. Dort sind die Schlüssel nicht für die Ursachen.
Heckmann: Der bayerische Ministerpräsident, Herr Freiberg, hat eine neue Initiative Bayerns angekündigt zum Verbot von Killerspielen. Gestern ging das über die Agenturen und lief in den Nachrichtensendungen. Ist das mehr als symbolische Politik?
Freiberg: Nein, das ist Symbolpolitik. Ich halte das auch für richtig, dass wir darüber diskutieren in unserer Gesellschaft, was wir sehen wollen, was Jugendliche sehen wollen, ob gewisse Spiele gebraucht werden in unserer Gesellschaft. Ich sage für mich persönlich: Nein, wir brauchen viele Spiele nicht. Aber das ist nicht die Ursache für das ganze Dilemma, in dem wir stecken, dass immer mehr Jugendliche sich isolieren, zu Gewalt neigen. Da müssen wir wirklich auf uns selbst schauen und nicht nur mit Symbolpolitik und Gesetzesveränderungen vorgehen.
Heckmann: Konrad Freiberg war das, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Besten Dank für das Gespräch.
Freiberg: Ich bedanke mich auch. Schönen Tag.