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"Wir reden da um sehr, sehr viel Geld"

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn hat nach dem Rücktritt des SoFFin-Chefs Günther Merl von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eine Erklärung gefordert. Dass nun bereits der zweite wichtige Manager beim Sonderfonds zur Finanzmarktstabilisierung gekündigt habe, zeige, dass der Rettungsschirm mit zu heißer Nadel gestrickt sei, sagte Kuhn.

Fritz Kuhn im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Am vergangenen Mittwoch beriet der Bundestag zum ersten Mal über das geplante zweite Konjunkturpaket im Umfang von 50 Milliarden Euro. In der Aussprache hatte der Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn an die Adresse der Bundesregierung gesagt:

    "Sie haben ein Sammelsurium aus Einzelinteressen der Koalitionsparteien vorgelegt, in das sie jetzt versuchen, Sinn reinzuinterpretieren. Sie geben zu viel Geld aus für zu wenig Richtung, für zu wenig Konjunktureffekte, und sie schauen, dass sie über den kalten Januar kommen, aber in den nächsten Monaten wird man sehen, was daraus wird."

    So weit der Fraktionschef der Grünen im Bundestag vergangene Woche. - Am Telefon ist nun Fritz Kuhn. Guten Morgen!

    Fritz Kuhn: Guten Morgen!

    Engels: Mittlerweile haben die Stadtstaaten Hamburg und Bremen erklärt, das geplante Konjunkturpaket im Bundesrat mit kleinen Veränderungen passieren zu lassen. In beiden Städten sind die Grünen mit an der Regierung. Haben Ihnen die Kollegen denn da letzte Woche nicht zugehört?

    Kuhn: Nein, das ist eine zweigestufte Angelegenheit. Wenn man das Konjunkturpaket als solches betrachtet, dann wird die Bundestagsfraktion das ablehnen, weil es keine richtige Richtung hat und weil es zu wenig Investitionen bringt. Inzwischen hat durch die Wahl in Hessen die FDP den Anspruch erhoben, sie würde über den Bundesrat alles gestalten können, und jetzt ist der wichtige Punkt, den man wissen muss: Westerwelle will ja - das hat er gesagt - die Steuern weiter senken, was wir für Grund falsch halten, auch für die Konjunktur gar nicht förderlich und vor allem, was sozial ungerecht ist gegenüber der Hälfte aller Haushalte, die gar keine Steuern zahlen. Die Grünen in Bremen und in Hamburg haben nun gesagt, wir werden dieses verhindern, dass die FDP weitere Steuersenkungen durchsetzt. Die Hamburger wollen auch bei der Abwrackprämie eine ökologische Komponente reinbringen, was dringend notwendig ist. Also das ist ein ganz konkreter praktischer Punkt, den die norddeutschen Grünen an der Stelle verlangen, und in der Summe ist das eine vernünftige und richtige Strategie. Wir würden in Berlin ein Konjunkturprogramm anders machen. Wenn es die Mehrheit aber so verabschiedet, dann werden wir Verschlechterungen durch die FDP verhindern. Wir haben heute gesagt, wir werden verhindern, dass aus Murks Murks-Quadrat wird, und das ist ein ganz konkreter wichtiger politischer Punkt.

    Engels: Mit Verlaub, Herr Kuhn, das klingt aber anders als das, was Sie noch letzte Woche sagten. Die Grünen in der Landesregierung haben Sie doch letztlich ganz schön im Regen stehen lassen, oder wussten Sie, dass die beiden Länder planen, zustimmen zu wollen?

    Kuhn: Nein. Das war in der Weise noch nicht absehbar. Aber ich sehe diesen Widerspruch nicht. Politik geht auch so: Wenn neue Sachverhalte dazu kommen - und das Neue war, dass die FDP ein Steuersenkungsprogramm zu Lasten der Länder, denn die haben ja Einnahmenverluste, dann durchziehen will -, dann muss man darauf reagieren, und das haben wir mit einer nüchternen Analyse gemacht.

    Engels: Hamburg fordert - Sie haben es angesprochen -, dass im Gegenzug für die Zustimmung die beschlossene Abwrackprämie für Altautos klimafreundlicher ausgestaltet wird. Die Bremer haben eine solche Forderung nicht gestellt, und so richtig konkret ist das auch nicht. Fehlt es da an Abstimmung, um wirklich etwas durchzusetzen?

    Kuhn: Nein. Das ist, glaube ich, ein richtiger Punkt, den die Hamburger da ins Spiel bringen, denn Sie müssen ja sehen: die Abwrackprämie der Bundesregierung, die ist ja wirklich skurril. Sie legen ein altes Auto still, lassen es verschrotten, und sie können sich eines, das CO2-ausstoßmäßig sogar schlechter ist, kaufen und kriegen noch 2.500 Euro vom Staat. Darauf haben die Hamburger sofort reagiert, und es wird ja intensiv verhandelt im Bundestag, in den Ausschüssen auch, auch auf der SPD-Seite ist da noch mal Bewegung reingekommen.

    Engels: Wie soll es denn geändert werden Ihrer Meinung nach?

    Kuhn: Na ja, man muss das Zahlen der Prämie von 2.500 Euro daran binden, dass das neu zu kaufende Auto auch bestimmte Umweltwerte einhält, und zwar nicht nur die Euro-Norm IV, die ja über CO2 nichts sagt, sondern auch den CO2-Wert. Sagen wir mal, es sollte ein Auto sein, das nicht mehr wie 5 Liter braucht, und dann kann man so eine Prämie zahlen. Dann hat es wenigstens noch eine gewisse umweltlenkende Wirkung.

    Ich will noch eines dazu sagen. Wenn ich jetzt höre, dass Teile der Bundesregierung bei der Kfz-Steuerreform auch noch diejenigen Fahrzeuge, die viel CO2 emittieren, begünstigen wollen, dann zeigt das doch, wie wenig die Bundesregierung an Gestaltung und an umweltfreundlicher Mobilitätspolitik interessiert ist. Auch da muss man denen einen Strich durch die Rechnung machen.

    Engels: Sie spielen an auf die "Süddeutsche Zeitung". Die berichtet heute, dass die Bundesregierung eventuell plane, bei der Umstellung der Kfz-Steuer von Hubraum auf CO2-Ausstoß die Fahrer der großen Wagen zu entlasten. Umweltminister Gabriel kündigt dagegen offenbar Widerstand an, aber ist in diesem Zusammenhang nicht die Abwrackprämie sowieso einfach ein kleiner Teil?

    Kuhn: Natürlich! Man muss mal jetzt hergehen und eine vernünftige steuerliche Politik und Förderpolitik für umweltfreundliche Autos machen. Die Bundesregierung, jedenfalls was die CDU und CSU angeht, macht das schiere Gegenteil. Sie wollen ein Absatzprogramm für die großen CO2-Schleudern eigentlich veranstalten, und da steht eine Grundrichtung zur Auseinandersetzung. Ich kann nur sagen: Wenn man die Kfz-Steuerreform vernünftig macht, dann muss man sie aufkommensneutral machen. Sonst kostet es ja wieder oder wird es wieder über Verschuldung finanziert, was nicht geht. Und dann muss man die Tarifierung so machen, dass die Autos, die viel CO2 emittieren, umso mehr bezahlen, so dass da eine Lenkungswirkung entsteht zum Kauf umweltschonender Fahrzeuge.

    Engels: Herr Kuhn, die Abwrackprämie selbst macht ja nur einen kleinen Teil des geplanten Konjunkturprogramms aus. Sie selbst haben dafür eine Anhebung des Arbeitslosengeldes II gefordert. Im Konjunkturpaket sollte es mehr Personal für Schulen geben, Ausbau der Stromnetze in öffentlicher Hand, einen Energiesparfonds, einen Rechtsanspruch auf Kita-Plätze. Das alles gibt es nun nicht. Trotzdem stimmen die Grünen in den Ländern zu. Haben sie sich da etwas sehr billig verkauft?

    Kuhn: Nein. Sie müssen wissen, dass nicht alles, was die Bundesregierung im Konjunkturpaket beschließt und im Deutschen Bundestag beschließen will, überhaupt zustimmungspflichtig durch die Länder ist. Zum Beispiel der Punkt der Krankenversicherungsbeiträge oder auch, was wir fordern, die Arbeitslosengeld-II-Anhebung ist ja nicht zustimmungspflichtig, so dass das nur im Bundestag verabschiedet wird. Deswegen ist die Haltung, die Sie jetzt hier als einen Widerspruch empfinden, wenn ich Sie richtig verstehe, Frau Engels, ...

    Engels: In der Tat!

    Kuhn: ..., im Bundestag abzulehnen und in zwei Bundesländern zuzustimmen, nicht so widersprüchlich. Man kann im Bundestag, weil es nicht richtig gestaltet ist, ablehnen. Die Länder, die ja auch auf den Investitionsteil angewiesen sind, wie ein Land wie Bremen, können aber auch zustimmen bei den Teilen, die überhaupt zustimmungspflichtig sind.

    Engels: Aber dann machen die Grünen letztlich doch mit bei dem Weg in die Verschuldung, den Sie gerade noch beklagt haben?

    Kuhn: Nein. Wir verhindern einen Weg in eine größere Verschuldung. Ich muss das noch mal darstellen. Der FDP-Weg, noch mal die Steuern weiter zu senken, führt zu zusätzlicher Verschuldung, und das zu stoppen, ist ein wichtiger Punkt, den sich die Bremer vorgenommen haben. Man kann auch gar nicht zu Lasten der Länderhaushalte jetzt weiter die Schulden anheben. Wir werden in der Föderalismuskommission auch den Antrag stellen, die Schuldengrenze, die Schuldenbremse nicht erst ab 2015 einzuführen, wie es die Bundesregierung plant, sondern schon ab 2010, weil eines kann ja nicht funktionieren, dass man jetzt große Konjunkturprogramme startet, die man dann nur über Schulden finanziert.

    Engels: Herr Kuhn, Schwarz-Rot hat seit der Hessen-Wahl keine eigene Mehrheit mehr im Bundesrat. Die Grünen könnten also häufiger Zünglein an der Wage spielen. Sehen Sie weitere Projekte, wo Sie sich eine Zustimmung im Bundesrat vorstellen können?

    Kuhn: Die Geschichte ist ja die, dass die FDP nicht die Mehrheit jetzt im Bundesrat alleine gestalten kann. Es kommt auch auf die grünen Stadtstaaten an und auf Berlin, was Rot-Rot regiert wird, und wir werden natürlich immer wieder bei zustimmungspflichtigen Gesetzen jetzt ganz konzentriert die Frage stellen, wie kann man grünen Einfluss geltend machen. Bundesrat muss man immer konstruktiv machen. Man muss auch verhandeln können, man muss auch wie zum Beispiel bei der Abwrackprämie sagen können, was man verlangt, und wir werden unser politisches Gewicht bei allen Themen, die zustimmungspflichtig sind, ausspielen. Das wird von der Konstellation her nur dann gelingen, wenn Große Koalition und FDP-regierte Länder unterschiedlicher Meinung sind, aber damit kann man ja positiv Politik gestalten.

    Engels: Noch kurz zu einem anderen Thema. Gestern Abend kündigte der Chef des staatlichen Bankenrettungsfonds SoFFin, Günther Merl, überraschend seinen Rückzug an. Das ist nun der zweite Rücktritt an der Spitze dieses Gremiums innerhalb weniger Wochen. Machen Sie sich langsam Sorgen um die dort verwalteten Staatsgelder?

    Kuhn: Wir machen uns Sorgen über den ganzen Finanzmarktschirm, denn der ist nicht richtig konstruiert. Dass jetzt bei der eigentlichen Verwaltung und bei der Führung dieses Schirmes, die ja Wesentliches zu sagen hat, was die Ausgestaltung der Bankrettungsaktion angeht, schon der zweite wichtige Manager gekündigt hat, zeigt, dass das mit zu heißer Nadel gestrickt ist. Und ich erwarte eigentlich jetzt vom Finanzminister, dass er mal im Bundestag klipp und klar erklärt, wie er sich die Zukunft des Finanzrettungsschirms vorstellt. Denn wir reden da ja um sehr, sehr viel Geld, das genau und präzise und sachkundig eingesetzt werden muss, und wenn es da bröckelt an der Leitung des Fonds, dann ist was nicht in Ordnung.