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"Wir ringen um den richtigen Weg"

Die CSU sperrt sich gegen die geplante "Lebensleistungsrente" für Geringverdiener. Zur Begründung sagt Landesgruppen-Vize Max Straubinger im Interview: Die Rentenversicherung darf nicht zu einem Fürsorgeamt werden.

Max Straubinger im Gespräch mit Christoph Heinemann | 10.01.2013
    Christoph Heinemann: "Rentenreform vor dem Scheitern", titelt heute eine überregionale Zeitung. Die CSU sagt "njet" zur geplanten Zusatzrente für Geringverdiener, die sogenannte "Lebensleistungsrente". Diese Idee stammt aus dem Haus von der Leyen, also aus dem Arbeits- und Sozialministerium. Sie besagt: Rentner, die 40 Jahre eingezahlt, also gearbeitet haben, sollen im Ruhestand mehr bekommen als die staatliche Grundsicherung von rund 707 Euro.

    Max Straubinger, den wir gerade schon gehört haben, ist der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Tag!

    Max Straubinger: Grüß Gott, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Straubinger, mit der Union für und gegen die Lebensleistungsrente – das ergibt ein schönes Wahlplakat. Auch in Bayern?

    Straubinger: Nein. Ich sehe das nicht so, wie es dargestellt wird, sondern wir ringen um den richtigen Weg. Wir wollen die, die langjährigst gearbeitet haben und geringe Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben, durchaus dann besserstellen, indem wir im Rahmen der Grundsicherung einen bestimmten Freibetrag ermöglichen.

    Heinemann: Und warum geht es jetzt nicht weiter mit der Lebensleistungsrente?

    Straubinger: Es geht weiter mit der Lebensleistungsrente beziehungsweise mit der Anerkenntnis derer, die Vollzeit langjährigst gearbeitet haben. Hier sind wir in einem ständigen Diskurs. Es müssen aber auch Fragen beantwortet werden, und das sind sehr schwierige Fragen und das kann man nicht so abtun, wie es gerade jetzt der DGB-Vorsitzende Sommer getan hat.

    Heinemann: Welche Fragen müssen wie beantwortet werden?

    Straubinger: Wir müssen natürlich auch sehen, hier geht es um die Gerechtigkeit. Grundsätzlich ist Rente Leistung für Lebensleistung, und zwar beruhend auf Beitragszahlung beziehungsweise auf Leistung für Familien, Kindererziehung beziehungsweise Pflege von Angehörigen.

    Heinemann: Konkret: Wer soll was kriegen?

    Straubinger: Das ist das entscheidende Moment auch einer Berechnung einer Rente. Auf der anderen Seite haben wir das System der Grundsicherung, und Grundsicherung bedeutet letztendlich, wenn jemand nicht über ausreichendes Einkommen im Alter verfügt, dass er darauf einen gesetzlichen Anspruch hat, und das ist auch eine großartige sozialpolitische Leistung.

    Heinemann: Herr Straubinger, das war ja alles im November schon bekannt. Wieso sagen Sie im November ja und im Januar nein?

    Straubinger: Es ist so gewesen, dass grundsätzlich die einzelnen kritischen Punkte ja noch zu diskutieren sind. Das hat ja auch der Koalitionsbeschluss niedergelegt. Es begann letztendlich schon mit der Interpretation, gibt es dann unterschiedliche Rentenhöhen aufgrund dessen, dass Grundsicherungsleistungen in unserem Lande ja unterschiedlich sind? In den Städten, wo höhere Mieten zu zahlen sind, ist die Leistung höher als im ländlichen Bereich. Darüber hinaus ist sicherlich auch die Frage aufzuwerfen, inwieweit es gerechtfertigt ist, unterschiedliche Anrechnungsformen von eigenen Vermögen oder Einkommen und sonstiges zu tätigen. Bei der Grundsicherung werden ja grundsätzlich auch die Vermögensverhältnisse geprüft, in der Rentenversicherung hätte man neu installieren müssen eine Einkommensprüfung, aber keine Vermögensprüfung.

    Heinemann: Und das müsste dann das Sozialamt machen. Ist das die Aufgabe des Sozialamtes?

    Straubinger: Das ist eine Aufgabe des Sozialamtes – richtig.

    Heinemann: Das sollen die dann auch in Zukunft für Geringverdiener durchführen?

    Straubinger: Das weiß man so nicht, sondern hier ist es letztendlich die entscheidende Frage, wie wollen wir hier die, die langjährigst versichert waren und auch Beiträge gezahlt haben und Vollzeit gearbeitet haben, wie wollen wir die dann im Alter besserstellen. Grundsätzlich ist aber hier die Rente in der Regel auch das ausreichende System.

    Heinemann: Herr Straubinger, noch mal zurück zu der Frage, die ich gerade gestellt habe. Das wussten Sie, alle Bedenken waren im November bekannt. Wieso haben Sie damals nicht gesagt, Freunde, das geht so nicht?

    Straubinger: Ich war nicht dabei beim Beschluss.

    Heinemann: Ihre Parteifreunde dann eben.

    Straubinger: Es ist so, dass es immer den Versuch gibt, hier dies auch umzusetzen. Aber wir sehen eben, dass die sachlichen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, die von vielen Fachleuten gesehen werden und dargelegt worden sind, die von der Rentenversicherung dargestellt worden sind, dass die nicht so zu lösen sind, wie man es vielleicht in einem Beschluss gefasst hat.

    Heinemann: Sachliche Schwierigkeiten, sagen Sie. Sind es vielleicht auch persönliche, also eine Spitze gegen Ursula von der Leyen?

    Straubinger: Nein, das sehe ich nicht so, sondern wir haben alle gemeinsam das Bestreben, die Menschen, die langjährigst Vollzeit gearbeitet haben, im Alter so zu stellen, dass sie bessergestellt sind als jemand, der nicht gearbeitet hat oder nicht eingezahlt hat – aus welchen Gründen auch immer.

    Heinemann: Wie verlässlich ist die CSU in Berlin noch als Koalitionspartner?

    Straubinger: Die CSU ist ein verlässlicher Koalitionspartner ...

    Heinemann: Auch wenn sie mal ja und mal nein sagt?

    Straubinger: Nein, wir sagen immer ja zu den wichtigen Themen ...

    Heinemann: Nur heute nein!

    Straubinger: ... und sagen auch hier nicht nein, sondern wir verschließen uns ja nicht der Problematik, sondern wir wollen eine Lösung herbeiführen, aber eine Lösung, die in den Systemen letztendlich hier sachgerechter gelöst werden kann, nämlich die eine Seite, die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung in keinster Weise hier schmälern beziehungsweise die Rentenversicherung in ein Fürsorgeamt zu verwandeln. Das wollen wir nicht, sondern dafür gibt es die Grundsicherungsstellen.

    Heinemann: War das jetzt eigentlich eine Entscheidung der Berliner CSU, oder eher eine Volte Ihres Vorsitzenden in München, oder hat der Kreuther Geist da eine Rolle gespielt?

    Straubinger: Nein. Ich persönlich - oder die CSU-Landesgruppe diskutiert ja das Problem und diese Probleme, die sich daraus ergeben, schon sehr lange. Das ist auch bekannt. Deshalb gab es ja auch bisher keine weitere Lösung.

    Heinemann: Sind die CDU- und FDP-Koalitionspartner, sind die jetzt vielleicht auch an weitere Beschlüsse der Koalition nicht mehr gebunden, zum Beispiel ans Betreuungsgeld?

    Straubinger: Das hat mit dem überhaupt nichts zu tun. Erstens haben wir das ...

    Heinemann: Es hat vieles miteinander nichts zu tun, auch die Bedenken, die Sie geäußert haben.

    Straubinger: Doch, das hat schon miteinander zu tun. Hier geht es ja um die Frage der Prinzipien, wollen wir Fürsorgeprinzip und Versicherungsprinzip verquicken. Ich glaube, dass dies nicht sachgerecht ist, ordnungspolitisch auch nicht angesagt ist, und unter diesen Gesichtspunkten muss man das werten. Außerdem weiß ich sehr wohl, dass die gestellten Fragen, die die CSU stellt und öffentlich macht, dass diese Fragen genauso in der CDU diskutiert werden und wir alle gemeinsam das Bestreben haben, insbesondere Frauen besserzustellen. Deshalb kämpfen wir dafür, dass die familienpolitischen Leistungen, insbesondere die Anerkenntnis von Kindererziehungszeiten für Kinder vor '92 – hier sind wir mit der Frauenunion auch der CDU, der CDU-Parteitag hat das auch beschlossen, sehr konform und sehr einig und dies zeigt sich auch in anderen Diskussionen.

    Heinemann: Wäre die Frage, ob die FDP das genauso will. Die Liberalen fordern unter anderem bessere Verdienstmöglichkeiten für Frührentner und eine Verbesserung für Rentner mit Erwerbsminderung. Also: Der Basar ist eröffnet?

    Straubinger: Nein! Das ist ein einiger Beschluss. Die Verbesserung bei Erwerbsminderung geht auf meine Anregung und auf die Anregung aus der CSU zurück, aber das haben sich die FDP- und die CDU-Kollegen genauso zueigen gemacht. Das ist sachpolitisch geboten. Dasselbe gilt für die Hinzuverdienstregelungen. Wir wollen einen gleitenden Übergang schaffen vom aktiven Erwerbsleben ins Alter. Dies ist bei vorzeitiger Inanspruchnahme von der Rente ja derzeit begrenzt auf ein Geringfügigkeitsbeschäftigungsverhältnis, das dann nach sich zieht, dass man nur 400 beziehungsweise ab 1. Januar diesen Jahres 450 Euro hinzuverdienen kann. Das ist nicht mehr sachgerecht. Die Betriebe, die sind auch angewiesen auf den Sachverstand der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aber möglicherweise nicht mehr Vollzeit einsetzbar sind oder auch nicht mehr Vollzeit eingesetzt werden wollen und deshalb auch die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente gemacht wird. Aber um dies zu erhalten für die Betriebe, wollen wir Möglichkeiten schaffen eines höheren Hinzuverdienstes.

    Heinemann: Herr Straubinger, ganz kurz zum Schluss. Wann steht das Rentenkonzept der schwarz-gelben Koalition?

    Straubinger: Wir werden uns intensiv in den nächsten Wochen hier auseinandersetzen und dann zu den entsprechenden Beschlüssen kommen. Da bin ich ganz optimistisch.

    Heinemann: Sie haben noch Wochen Zeit?

    Straubinger: Ja.

    Heinemann: Max Straubinger, stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Straubinger: Danke schön – auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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