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"Wir sind bekannt für unsere Zuverlässigkeit"

Bundesaußenminister Guidio Westerwelle nennt es nur konsequent, dass Deutschland als drittgrößter Beitragszahler der UN nun auch ein nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat ist. Er bekräftigte, das internationale Engagement weiter wahrnehmen zu wollen, schloss aber mehr Geld für UN-Missionen aus.

Guido Westerwelle im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Deutschland wird in den kommenden zwei Jahren als nicht-ständiges Mitglied dem UNO-Sicherheitsrat angehören. Doch das Ergebnis war ganz knapp. 127 Stimmen der Generalversammlung wurden gebraucht und 128 der Mitgliedsstaaten votierten am Ende für die deutsche Kandidatur. Ein Erfolg für Außenminister Guido Westerwelle, der in New York bis zuletzt für das deutsche Anliegen geworben hatte. Vor seinem Rückflug hatten wir Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Die erste Frage: Wie erleichtert sind Sie?

    Guido Westerwelle: Ich bin erfreut über das hohe Ansehen, das unser Land genießt, und es ist ja auch so, dass wir sehr als Bürger darüber uns freuen können, dass Deutschland als ein so zuverlässiges Land in der Welt angesehen wird. Wir sind bekannt für unsere Zuverlässigkeit, eben nicht nur bei unseren Wirtschaftsprodukten, sondern auch bei unserer Politik, und insoweit ist diese Wahl, gleich im ersten Wahlgang, im demokratischen Wettbewerb sich durchgesetzt zu haben, eine Anerkennung, über die sich alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes freuen können.

    Engels: Wie sahen denn Ihre letzten Stunden vor dieser Abstimmung aus? Mussten Sie in New York noch viele wankelmütige Staaten überzeugen?

    Westerwelle: Also es ist, wenn man auch gerade sieht, wie knapp das Ergebnis für den ersten Wahlgang gewesen ist, augenscheinlich eine richtige Entscheidung gewesen, dass wir hier auch bis zur letzten Stunde, im wahrsten Sinne des Wortes bis zur letzten Minute für Deutschland geworben haben. Wir Deutsche sind ja der drittgrößte Beitragszahler bei den Vereinten Nationen, wir sind eine Exportnation, das heißt wir leben von unserer internationalen Vernetzung, und deswegen ist es nur konsequent, dass, wenn wir auch so viel Verantwortung haben, wir natürlich auch mitwirken wollen bei der Gestaltung der internationalen Beziehungen, insbesondere natürlich auch bei der Konfliktlösung. Das ist ja das Kernanliegen auch des Sicherheitsrates.

    Engels: Muss denn nun Deutschland im Gegenzug viele bilaterale Versprechen gegenüber Staaten einlösen als Gegenleistung dafür, dass sie für Deutschland gestimmt haben?

    Westerwelle: Nein. Solche Geschäfte machen wir nicht, denn wir werben natürlich mit unseren Stärken. Wir haben auch einen fairen Wettbewerb gehabt mit Portugal und Kanada und haben immer nur mit unseren eigenen Stärken auch geworben und natürlich mit unserem Programm, nämlich dass wir für Frieden und Sicherheit eintreten, dass wir einen Eintritt auch in den Vordergrund stellen für den Klimaschutz und für die Entwicklung, aber eben auch für Abrüstung und die nukleare Nichtverbreitung. Unsere werteorientierte Außenpolitik wird augenscheinlich bei einer ganz großen Zahl von Staaten in der Welt sehr geschätzt, und auch gerade unser jüngstes Engagement für Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung spricht eben auch vielen, vielen anderen Regierungen und Ländern in der Welt aus dem Herzen.

    Engels: Herr Westerwelle, die anderen Weltregionen haben ja streng nach vorab festgelegtem Kontinentalproporz abgestimmt. Südafrika war der Kandidat von Afrika, Indien der für Asien, Kolumbien für Südamerika. Das ist in der Generalversammlung dann auch alles glatt entschieden worden. Warum konnten sich nur die westlichen Staaten nicht vorab einigen, und deshalb mussten Deutschland, Kanada und Portugal direkt zu dritt ins Rennen gehen?

    Westerwelle: Dieser demokratische Wettbewerb, der geht ja zurück auf eine Entscheidung, die Anfang des letzten Jahrzehnts gefällt worden ist. Dann hat Deutschland sich Mitte des letzten Jahrzehnts beworben, im Jahre 2005, wenn ich es richtig im Kopf habe. Insoweit ist das eine Frage, die natürlich beantwortet werden muss aus der Perspektive von damals. An sich ist es doch nichts Schlechtes, wenn es einen demokratischen Wettbewerb gibt in einer Organisation wie den Vereinten Nationen und dass wir dabei erfolgreich hervorgegangen sind, das freut uns natürlich ganz besonders, denn wir haben ja auch eine große Aufgabe noch vor uns, nämlich die Reform auch der Vereinten Nationen. Wir müssen dafür sorgen, dass insbesondere auch die Kontinente Afrika und Lateinamerika mit einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat vertreten sind, und auch Asien sieht sich zurecht im Sicherheitsrat als unterrepräsentiert an. Man muss feststellen, dass so wie die Architektur des Sicherheitsrates heute ist, sie ja mehr die Verhältnisse widerspiegelt, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg waren, nicht aber mehr wirklich die Gewichte und Verhältnisse, wie sie heute sind, und deswegen ist es natürlich auch ein Anliegen von uns, diese grundlegende Reform der Vereinten Nationen voranzubringen. Dazu habe ich bereits auch Gespräche geführt mit den Außenministern von Brasilien, von Indien und natürlich auch von Japan.

    Engels: Der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz hat gestern im Deutschlandradio Kultur kritisiert, dass es überhaupt zu dieser Kampfabstimmung im ersten Wahlgang zwischen Portugal und Deutschland gekommen ist, zwei EU-Mitglieder. Musste das denn sein?

    Westerwelle: Das muss der SPD-Europaabgeordnete Schulz dann mit dem bisherigen Außenminister besprechen. Diese Entscheidung ist ja vor meiner Amtszeit gefällt worden.

    Engels: Hat Herr Steinmeier das nicht vernünftig vorbereitet?

    Westerwelle: Ich kann das nicht beurteilen, wie damals die Gemengelage gewesen ist. Ich will mir darüber auch kein Urteil erlauben. Tatsache ist, dass ja die Wahl für den Sicherheitsrat auch eine Stärkung Europas insgesamt ist, nicht nur was jetzt die Mitgliedschaft Deutschlands angeht und darüber freuen wir uns natürlich auch. Aber ich schaue auch nicht zurück und ich halte auch von solchen Debatten, wie sie jetzt von dem Kollegen Schulz geführt werden, von diesen Schuldzuweisungen an meine Amtsvorgänger überhaupt nichts. Die Lage ist, wie sie ist, ich habe sie vorgefunden und wir haben sie ganz augenscheinlich erfolgreich gemeistert.

    Engels: Herr Westerwelle, dann schauen wir nach vorne. Ist die Mitgliedschaft gleich bedeutend mit mehr Verantwortung von Deutschland für die internationale Politik in den kommenden zwei Jahren?

    Westerwelle: Wir nehmen ja jetzt schon sehr viel Verantwortung wahr, und das tun wir einmal, weil wir eine sehr aktive Rolle bei den Vereinten Nationen spielen. Das tun wir natürlich auch im Interesse der Sicherheit unseres eigenen Landes. Das ist ja hier nichts Abstraktes, was in New York stattfindet bei den Vereinten Nationen, sondern da geht es auch und vor allen Dingen um die regionale Konfliktlösung, und jeder dieser regionalen Konflikte, jeder der regionalen Kriege destabilisiert natürlich auch die Welt. Das hat wiederum Auswirkungen auf unsere eigene Sicherheit, dass auf einem solchen Boden von regionalen Konflikten Terrorismus wächst beispielsweise, oder dass auch unsere Chancen als Exportnation dadurch beeinträchtigt werden, oder natürlich auch, dass wir sehen, wie schwierig es dann ist, auch mitmenschlich zu helfen in bestimmten Katastrophen. Das alles wird ja hier auch in den Vereinten Nationen debattiert, und deswegen ist das in unserem ureigensten Interesse als Bundesrepublik Deutschland, dass wir dieses internationale Engagement auch wahrnehmen.

    Engels: Herr Westerwelle, dann mal konkret. Wird Deutschland in den kommenden Jahren dann mehr Geld für UN-Missionen zahlen und auch Soldaten für künftige UN-Missionen bereitstellen?

    Westerwelle: Nein. Wir sind ja hier in einem Bündnis und wir haben ja deswegen nicht mehr Einsatz im Ausland, weil wir jetzt Mitglied des Sicherheitsrates sind, sondern wir sind ja bereits eine der Nationen, die ihre Verantwortung weltweit wirklich wahrnimmt. Ich denke nicht nur an Afghanistan, ich denke zum Beispiel auch an unser Engagement auf dem westlichen Balkan. Das ist ja Europa! Da hat es vor etwas mehr als einem Jahrzehnt Kriege gegeben. Es hat Hunderttausende von Flüchtlingen gegeben in Deutschland. Ja wenn man sich natürlich rechtzeitig um Konfliktlösung bemüht, dann können solche Lagen auch verhindert werden, und deswegen war das auch ein Schwerpunkt meiner Arbeit, nämlich dafür zu sorgen, dass der westliche Balkan stabilisiert wird. All das mag weit weg erscheinen, wenn man das vielleicht am Arbeitsplatz zu Hause bespricht, aber es hat unmittelbare Auswirkungen auch für das Leben, das wir in Deutschland und insgesamt in Europa führen.

    Engels: Stichwort "weit weg". Der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe von der CDU hat im "Spiegel" kritisiert, dass Deutschland in vielen internationalen Konflikten eben keine klare Haltung habe, zum Beispiel beim Kaschmir-Konflikt. Er könne sich nicht erinnern, so Rühe, von Ihnen etwas dazugehört zu haben. Müssen Sie nachlegen?

    Westerwelle: Ich möchte das jetzt nicht alles kommentieren, was da als Kritik immer und immer wieder geäußert wird. Ich empfehle einfach dem Herrn Kollegen Rühe, meine Rede nachzulesen, die ich vor den Vereinten Nationen gehalten habe. Dann wüsste er, dass der Vorwurf einfach unpassend ist.

    Engels: Herr Westerwelle, dann kurz zum Schluss noch zu einem anderen Thema. Zwei deutsche Journalisten sind im Iran festgenommen worden. Wie sehen Sie diesen Fall?

    Westerwelle: Es trifft leider zu, dass im Iran zwei deutsche Staatsangehörige festgenommen worden sind. Ich habe bereits mit meinem iranischen Amtskollegen Mottaki ein Gespräch darüber geführt, ich habe mit ihm telefoniert und ihn auch gebeten, sich persönlich dieses Falles anzunehmen. Das Auswärtige Amt und auch die Botschaft sind auf verschiedenen Ebenen intensiv darum bemüht, die Umstände und auch die Gründe der Festnahme aufzuklären. Es befinden sich bereits auch Mitarbeiter der deutschen Botschaft auf dem Weg in die Region Täbris, um natürlich auch vor Ort an der Sachaufklärung mitzuwirken. Unser Ziel ist es und unser Engagement dient diesem Ziel, dass unsere beiden Staatsangehörigen so bald wie möglich wieder freikommen können und dann nach Deutschland auch zurückkehren können.

    Engels: Bundesaußenminister Guido Westerwelle zur Festnahme der beiden deutschen Journalisten im Iran und zur Wahl Deutschlands in den UN-Sicherheitsrat. Wir haben das Gespräch vor der Sendung aufgezeichnet.