Gerwald Herter: Die Abkürzung IED ist wohl jedem ISAF-Soldaten in Afghanistan geläufig, gleichgültig ob er Amerikaner, Franzose oder Deutscher ist. USBV heißt die deutsche Abkürzung. Das steht für Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung. 2003 wurden in Afghanistan 81 Anschläge mit solchen Sprengsätzen registriert, im vergangenen Jahr waren es 7228. Das Informationszentrum Counter IED wird heute in Grafschaft bei Bonn in Dienst gestellt. Oberstleutnant Helmut Heck kann uns sagen, was die Aufgaben sind. Mit ihm bin ich nun telefonisch verbunden. Guten Morgen, Herr Heck.
Helmut Heck: Einen schönen guten Morgen, Herr Herter.
Herter: Herr Heck, Sie sammeln Informationen über Bauart und Einsatz von tödlichen Sprengsätzen, wie sie die Aufständischen in Afghanistan verwenden. Können solche Informationen Bundeswehrsoldaten vor Ort schützen?
Heck: Ja, auf jeden Fall. Je mehr und je früher unsere eingesetzten Männer und Frauen von der IED-Bedrohung wissen, desto besser und desto zeitgerechter können sie sich natürlich darauf vorbereiten und entsprechende Schutz- und Gegenmaßnahmen ergreifen.
Herter: Wie schnell reagieren denn die Taliban zum Beispiel auf neue Schutz- und Gegenmaßnahmen der ISAF-Soldaten?
Heck: Das ist eine eindeutige Feststellung, die wir im Laufe der letzten Jahre treffen können. Die Taliban und alle anderen entsprechenden Gruppierungen, mit denen wir es zu tun haben, beobachten sehr genau, welche Maßnahmen durch die ISAF und damit natürlich auch durch die Bundeswehr ergriffen werden, und in aller Regel sind sie sehr gute Beobachter und sie sind auch sehr schnell mit ihren entsprechenden Maßnahmen. Das heißt also, wir sind dort in einem gewissen Wettlauf. Wir reagieren auf das, was die Aufständischen vor Ort machen, die Aufständischen reagieren auf uns, und dann ist die Reaktion wieder bei uns.
Herter: Hase und Igel sozusagen. Sind die Aufständischen da immer eine Nasenlänge voraus?
Heck: Ich will nicht sagen, sie sind uns eine Nasenlänge voraus, aber die Aufständischen haben natürlich den großen Vorteil, dass sie in vielen Bereichen uns aufzwingen können, wann und wo sie uns mit einem IED tatsächlich angreifen wollen, so dass wir vom Prinzip her immer und überall mit einem IED-Anschlag rechnen müssen, aber letztendlich die Aufständischen festlegen, wann und wo und wie es passiert.
Herter: Wie ändern sich denn diese Anschläge? Geht es da um die Zündung dieser IEDs, dieser Sprengsätze, oder geht es zum Beispiel um die Menge an Sprengstoff, die die dann enthalten?
Heck: Sowohl als auch. Wir haben in den letzten Jahren einen eindeutigen Trend feststellen können, der denn da lautet, weg von den herkömmlichen Sprengmitteln, das heißt also hauptsächlich Hinterlassenschaften von den vorherigen Kriegen, die in Afghanistan stattgefunden haben, und hin zu den sogenannten home made explosives, also Selbstlaborate, die die Aufständischen in ihren entsprechenden Laboren und Werkstätten herstellen können. Diese Selbstlaborate, die werden – die ISAF-Soldaten kennen das alle – in den berühmten gelben Kanistern vorwiegend eingesetzt, und dort ist feststellbar, dass die Menge dieser Wirkladungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.
Herter: Sie haben also eine wichtige Aufgabe. Wie schnell können Sie Informationen zum Beispiel aus Afghanistan bekommen und auswerten?
Heck: Wenn es denn tatsächlich zeitkritische Informationen sind, dann bewegen wir uns hier manchmal tatsächlich im Minutenbereich. Wenn es also aktuelle Hinweise gibt auf einen Hinweis auf eine hohe Bedrohung, dann sind die Kommunikationsbeziehungen aus dem Einsatzland hier nach Deutschland und nach einer entsprechenden Auswertung wieder zurück in das Einsatzland sehr, sehr schnell.
Herter: Und warum sollte man das in Deutschland machen und nicht in Afghanistan? Da könnte es ja vielleicht doch noch schneller gehen.
Heck: Wir haben natürlich hier sehr viele unterschiedliche Komponenten im Zusammenhang mit IEDs. Wir brauchen dort verschiedene Aussagen von Spezialisten und von Fachleuten. Das Mandat, die Obergrenze für die eingesetzten Kräfte in Afghanistan, das lässt es nicht zu, dass komplett alle Fachexpertise, die in diesem Zusammenhang notwendig ist, auch tatsächlich vor Ort in Afghanistan verfügbar ist. Wir benennen das mit einem entsprechenden Fachbegriff, das heißt reach back und reach forward. Das heißt, wir nutzen dort tatsächlich die Kapazitäten, die hier in Deutschland sind, und unter Einbeziehung der schon angesprochenen guten Kommunikationsbeziehungen können wir dann Anfragen hier nach Deutschland schicken und Antworten möglichst schnell wieder zurück ins Einsatzland geben.
Herter: Ich stelle mir vor, dass viele dieser Informationen geheim sind, wenigstens vertraulich. Tauschen Sie sich trotzdem auch mit Truppen anderer Staaten aus?
Heck: Ja, auf jeden Fall. Die Bedrohung – Sie hatten das ja schon in Ihrer Anmoderation angesprochen – ist keine, die nur eine Nation der beteiligten Kräfte betrifft. Die Namensgebung meiner Dienststelle, Informationszentrum Counter IED, spricht ja schon dafür, dass es eine multinationale Bedrohung ist, und jeder der Beteiligten ist natürlich sehr dankbar darüber, wenn es andere gibt, die ihn in seinen Kenntnisstand einbeziehen und in seine Arbeit dort auch mitmachen lassen, und die Informationen, die der eine hat, können dem anderen zugute kommen und umgekehrt. Es existieren dort zu den jeweiligen Kräften auch entsprechende Verbindungen, die es zulassen, bis zu bestimmten Geheimhaltungsgraden Informationen auszutauschen.
Herter: Erst jetzt werden diese Informationen also zentral ausgewertet und gesammelt. Was ist der größte Vorteil dieser zentralen Behandlung?
Heck: Wir hatten bisher sehr viele Dienststellen nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch außerhalb der Bundeswehr. Beispiel: es gibt ja nun auch Polizisten, die im Einsatzland sind, und deren Organisationen sind ebenfalls in diese Bedrohung eingebunden. Es gab sehr viele Stellen, die sich mit dieser Thematik befasst haben, aber eben nicht die zentrale Informationsdrehscheibe, die zentrale Ansprechstelle für alle, an die sie sich wenden können, wenn sie denn Hinweise haben, Fragen haben zu dem Gesamtkomplex IED-Bedrohung und zu den entsprechenden Schutz- und Gegenmaßnahmen. Das heißt, wir verstehen uns als die zentrale Ansprechstelle, um dort denjenigen, die eingebunden sind in diesen gesamten Komplex, diejenigen Informationen, die ihnen in seiner Arbeit weiterhelfen, möglichst schnell zukommen zu lassen.
Herter: Oberstleutnant Helmut Heck, Leiter des Informationszentrums Counter IED, das heute in Grafschaft in der Nähe von Bonn in Dienst gestellt wird. Danke für das Gespräch!
Heck: Ich danke Ihnen, Herr Herter.
Helmut Heck: Einen schönen guten Morgen, Herr Herter.
Herter: Herr Heck, Sie sammeln Informationen über Bauart und Einsatz von tödlichen Sprengsätzen, wie sie die Aufständischen in Afghanistan verwenden. Können solche Informationen Bundeswehrsoldaten vor Ort schützen?
Heck: Ja, auf jeden Fall. Je mehr und je früher unsere eingesetzten Männer und Frauen von der IED-Bedrohung wissen, desto besser und desto zeitgerechter können sie sich natürlich darauf vorbereiten und entsprechende Schutz- und Gegenmaßnahmen ergreifen.
Herter: Wie schnell reagieren denn die Taliban zum Beispiel auf neue Schutz- und Gegenmaßnahmen der ISAF-Soldaten?
Heck: Das ist eine eindeutige Feststellung, die wir im Laufe der letzten Jahre treffen können. Die Taliban und alle anderen entsprechenden Gruppierungen, mit denen wir es zu tun haben, beobachten sehr genau, welche Maßnahmen durch die ISAF und damit natürlich auch durch die Bundeswehr ergriffen werden, und in aller Regel sind sie sehr gute Beobachter und sie sind auch sehr schnell mit ihren entsprechenden Maßnahmen. Das heißt also, wir sind dort in einem gewissen Wettlauf. Wir reagieren auf das, was die Aufständischen vor Ort machen, die Aufständischen reagieren auf uns, und dann ist die Reaktion wieder bei uns.
Herter: Hase und Igel sozusagen. Sind die Aufständischen da immer eine Nasenlänge voraus?
Heck: Ich will nicht sagen, sie sind uns eine Nasenlänge voraus, aber die Aufständischen haben natürlich den großen Vorteil, dass sie in vielen Bereichen uns aufzwingen können, wann und wo sie uns mit einem IED tatsächlich angreifen wollen, so dass wir vom Prinzip her immer und überall mit einem IED-Anschlag rechnen müssen, aber letztendlich die Aufständischen festlegen, wann und wo und wie es passiert.
Herter: Wie ändern sich denn diese Anschläge? Geht es da um die Zündung dieser IEDs, dieser Sprengsätze, oder geht es zum Beispiel um die Menge an Sprengstoff, die die dann enthalten?
Heck: Sowohl als auch. Wir haben in den letzten Jahren einen eindeutigen Trend feststellen können, der denn da lautet, weg von den herkömmlichen Sprengmitteln, das heißt also hauptsächlich Hinterlassenschaften von den vorherigen Kriegen, die in Afghanistan stattgefunden haben, und hin zu den sogenannten home made explosives, also Selbstlaborate, die die Aufständischen in ihren entsprechenden Laboren und Werkstätten herstellen können. Diese Selbstlaborate, die werden – die ISAF-Soldaten kennen das alle – in den berühmten gelben Kanistern vorwiegend eingesetzt, und dort ist feststellbar, dass die Menge dieser Wirkladungen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.
Herter: Sie haben also eine wichtige Aufgabe. Wie schnell können Sie Informationen zum Beispiel aus Afghanistan bekommen und auswerten?
Heck: Wenn es denn tatsächlich zeitkritische Informationen sind, dann bewegen wir uns hier manchmal tatsächlich im Minutenbereich. Wenn es also aktuelle Hinweise gibt auf einen Hinweis auf eine hohe Bedrohung, dann sind die Kommunikationsbeziehungen aus dem Einsatzland hier nach Deutschland und nach einer entsprechenden Auswertung wieder zurück in das Einsatzland sehr, sehr schnell.
Herter: Und warum sollte man das in Deutschland machen und nicht in Afghanistan? Da könnte es ja vielleicht doch noch schneller gehen.
Heck: Wir haben natürlich hier sehr viele unterschiedliche Komponenten im Zusammenhang mit IEDs. Wir brauchen dort verschiedene Aussagen von Spezialisten und von Fachleuten. Das Mandat, die Obergrenze für die eingesetzten Kräfte in Afghanistan, das lässt es nicht zu, dass komplett alle Fachexpertise, die in diesem Zusammenhang notwendig ist, auch tatsächlich vor Ort in Afghanistan verfügbar ist. Wir benennen das mit einem entsprechenden Fachbegriff, das heißt reach back und reach forward. Das heißt, wir nutzen dort tatsächlich die Kapazitäten, die hier in Deutschland sind, und unter Einbeziehung der schon angesprochenen guten Kommunikationsbeziehungen können wir dann Anfragen hier nach Deutschland schicken und Antworten möglichst schnell wieder zurück ins Einsatzland geben.
Herter: Ich stelle mir vor, dass viele dieser Informationen geheim sind, wenigstens vertraulich. Tauschen Sie sich trotzdem auch mit Truppen anderer Staaten aus?
Heck: Ja, auf jeden Fall. Die Bedrohung – Sie hatten das ja schon in Ihrer Anmoderation angesprochen – ist keine, die nur eine Nation der beteiligten Kräfte betrifft. Die Namensgebung meiner Dienststelle, Informationszentrum Counter IED, spricht ja schon dafür, dass es eine multinationale Bedrohung ist, und jeder der Beteiligten ist natürlich sehr dankbar darüber, wenn es andere gibt, die ihn in seinen Kenntnisstand einbeziehen und in seine Arbeit dort auch mitmachen lassen, und die Informationen, die der eine hat, können dem anderen zugute kommen und umgekehrt. Es existieren dort zu den jeweiligen Kräften auch entsprechende Verbindungen, die es zulassen, bis zu bestimmten Geheimhaltungsgraden Informationen auszutauschen.
Herter: Erst jetzt werden diese Informationen also zentral ausgewertet und gesammelt. Was ist der größte Vorteil dieser zentralen Behandlung?
Heck: Wir hatten bisher sehr viele Dienststellen nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch außerhalb der Bundeswehr. Beispiel: es gibt ja nun auch Polizisten, die im Einsatzland sind, und deren Organisationen sind ebenfalls in diese Bedrohung eingebunden. Es gab sehr viele Stellen, die sich mit dieser Thematik befasst haben, aber eben nicht die zentrale Informationsdrehscheibe, die zentrale Ansprechstelle für alle, an die sie sich wenden können, wenn sie denn Hinweise haben, Fragen haben zu dem Gesamtkomplex IED-Bedrohung und zu den entsprechenden Schutz- und Gegenmaßnahmen. Das heißt, wir verstehen uns als die zentrale Ansprechstelle, um dort denjenigen, die eingebunden sind in diesen gesamten Komplex, diejenigen Informationen, die ihnen in seiner Arbeit weiterhelfen, möglichst schnell zukommen zu lassen.
Herter: Oberstleutnant Helmut Heck, Leiter des Informationszentrums Counter IED, das heute in Grafschaft in der Nähe von Bonn in Dienst gestellt wird. Danke für das Gespräch!
Heck: Ich danke Ihnen, Herr Herter.