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"Wir sind fast angegriffen worden"

Im oberbayerischen Ebersberg haben am Sonntagabend rund 400 Menschen für die Freilassung der im Irak entführten Susanne Osthoff demonstriert. Mit dabei war Michael Osang von der Direkthilfe Irak, für die Osthoff arbeitet. Er beklagte die negative Haltung vieler Deutscher gegenüber der Entführten. Bei einer Mahnwache in München seien die Demonstranten "fast angegriffen worden".

Moderation: Hans-Joachim Wiese |
    Hans-Joachim Wiese: Herr Osang, wie sehen die Reaktionen aus, wenn Sie zum Beispiel Mahnwachen abhalten? Gestern war ja auch eine Veranstaltung im Heimatort von Susanne Osthoff.

    Michael Osang: Ja, die habe ich auch besucht. Und das war sozusagen die heimatliche Umgebung. Da konnte man merken, dass viel persönlicher Bezug da war. Das war eine ganz eindrucksvolle Demonstration, beziehungsweise es war eine ruhige Veranstaltung, aber erstmalig sozusagen ein lokaler Politiker - das war in Bayern die Sozialministerin Frau Stewens - anwesend und hat das Wort ergriffen. Vielleicht hat das eine große Rolle gespielt. Unsere vorherigen Mahnwachen, zum Beispiel in München, waren eine ganz unangenehme Erfahrung, ehrlich gesagt, weil das Wort Osthoff offenbar für einen Teil der Bevölkerung inzwischen wie ein rotes Tuch wirkt. Ich will es nicht hören, oder blöde Kuh, was hat sie dort zu suchen. Ich kriege eine Wut, wenn ich das höre, lese. Und wir sind fast angegriffen worden, als wir da standen und nur Unterschriften sammelten, um unsere Solidarität zu bekunden. Das war eine erschreckende Erfahrung hier in München.

    Wiese: Herr Osang, Sie kennen Susanne Osthoff ja persönlich.

    Osang: Ich kenne sie, ja genau, aus der Zeit vor Beginn unserer Aktion, die eigentlich letztlich ihre eigene Initiative war. Und wir waren dann sozusagen die deutsche, die Münchener Basis, die sie mit dem versorgt hat, was sie verteilen konnte.

    Wiese: Passt Susanne Osthoff mit ihrem Lebenswandel vielleicht nicht in die Vorstellungen der Menschen von jemandem, der in einem Land der so genannten Dritten Welt hilft. Vielleicht sind die ablehnenden Reaktionen darauf zurückzuführen?

    Osang: Ein Faktor ist ganz sicher, wird immer wieder erwähnt, Frau. Frau hat so etwas nicht zu tun. Das ist per se schon einmal anrüchig. So hatte man den Eindruck gewinnen können. Und zweitens ist sie halt auch gewarnt worden, worüber man übrigens noch diskutieren könnte. Und wenn du gewarnt wirst, dann hast du gefälligst zu folgen und da nicht mehr weiterzuarbeiten. Es entspricht halt nicht so, kann man wirklich nicht sagen, dem durchschnittlichen Bild des deutschen Bürgers. Daran besteht ja auch kein Zweifel. Dass das aber mit aggressiven Reaktionen beantwortet wird, hat mich schon erschreckt. Und ich muss sagen, diese Menschen, die uns so angegriffen haben, kennen die Frau Osthoff ja gar nicht. Das heißt, dieses Bild, das in ihnen entstanden ist, das muss ja irgendwo her transportiert worden sein und das können ja nur die Medien sein. Das ist natürlich der zu kritisierende Punkt, wie kann so etwas entstehen?

    Wiese: Wie bewerten Sie denn selbst das Verhalten von Susanne Osthoff? Ist sie zu leichtsinnig gewesen, als sie in diesem Rahmen im Irak gearbeitet hat und noch arbeiten will?

    Osang: Nein, also das würde ich strikt ablehnen, auf keinen Fall tollkühn. Sondern diese Warnungen werden übrigens routinemäßig rausgegeben, an Touristen sowieso. Übrigens nebenbei gesagt, wenn die Touristen aus wirklich abenteuerlichen, verbotenen Gegenden meinetwegen mit dem Motorrad in der Sahara hängen bleiben und dann mühsam gerettet werden müssen, da hat sich ja die ganze deutsche Öffentlichkeit engagiert und empört, obwohl das ein Freizeitvergnügen war. Gut, Susanne Osthoff wurde immer wieder gewarnt, wie es üblich ist im Land, im Irak. Wobei sie aber ja eine Einheimische sozusagen diesbezüglich war, die wie ein Fisch im Wasser innerhalb ihres Landes, von dem sie große Teile des Landes und große Bevölkerungsteile vor allen Dingen kannte, sich bewegte. Sie musste offiziell immer wieder gewarnt werden. Aber das war seit Jahren so und war nichts Neues.

    Wiese: Als die italienische Journalistin Giuliana Sgrena im Irak entführt wurde, demonstrierten in ihrer Heimat eine halbe Million Menschen für ihre Freilassung. In Deutschland haben Sie Mühe, 100, 150, 200 Menschen für eine Mahnwache zu mobilisieren. Sind die Deutschen einfach anders?

    Osang: Also sicher anders. Ich kann das nicht kritisieren. Ich stelle das nur erstaunt fest, dass sich automatisch in diesem Fall sofort Kritik an dieser ungewöhnlichen Person mischt und die Kritik dazu führt, sich also in Mitgefühl oder in Aktionen die das Bekunden sollen zu verweigern, zu verwehren oder sogar aggressiv, vielleicht persönlich angegriffen auf irgendeine Art und Weise reagieren.

    Wiese: Herr Osang, haben Sie durch ihre Verbindungen auch mit Susanne Osthoff irgendeine Vermutung, irgendeinen Hinweis darauf, was mit ihr geschehen sein könnte?

    Osang: Haben wir überhaupt nicht. Wir sind völlig blank und können nur auf das vertrauen, was offiziell verlautbart und warten natürlich voller Sehnsucht, dass irgendeine Nachricht kommt, was überhaupt los ist, ob es etwas zu tun gibt, ob es vielleicht auch für uns etwas zu tun gibt. Nein, also im Moment gibt es keinerlei Nachricht.

    Wiese: Und wie wollen Sie jetzt weiter verfahren? Weitere Mahnwachen, weitere Demonstrationen organisieren?

    Osang: Ja, also ich denke, dass - so haben wir es hier beschlossen in München - das einzige, was wir als sozusagen Teil-Arbeitgeber der Susanne Osthoff noch tun können ist, das Wissen und die Aktualität des Falles aufrecht zu erhalten und Menschen, die Öffentlichkeit daran zu erinnern. Jetzt wo der Fall so allmählich in der medialen Weihnachtsvorwelt verloren zu gehen scheint oder droht, wollen wir einfach die Öffentlichkeit wiederherstellen oder weiter herstellen.

    Wiese: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das war in den Informationen am Morgen Michael Osang von der Direkthilfe Irak. Auf Wiederhören.

    Osang: Auf Wiederhören.