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"Wir sind informiert"

Der CDU-Politiker und Menschenrechts-Experte Hartwig Fischer hat die Kritik von Verteidigungsminister Franz Josef Jung zurückgewiesen, seine Fraktion sei nicht ausreichend über die Lage im Sudan informiert. Jungs Äußerungen über eine Beteiligung an einer Gesamtoperation für die sudanesische Krisenregion Darfur hätten irritiert, "weil sie den Eindruck vermitteln konnten, dass es um den Einsatz von Kampftruppen geht", sagte Fischer.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung sorgt wieder einmal für Wirbel. Der Anlass seiner Äußerung: Wenn es eine Gesamtoperation für die sudanesische Krisenregion Darfur gebe, werde sich Deutschland nicht verweigern. Unionsfraktionschef Volker Kauder schimpfte ungewohnt offen: Es sei nicht akzeptabel, dass Mitglieder der Bundesregierung über einen Einsatz spekulierten, ohne vorher mit den Fraktionen gesprochen zu haben. Minister Jung entgegnete dann, er habe nichts zurückzunehmen. Offenbar sei noch zu wenig klar, was die Bundeswehr im Sudan bereits tue. Am Telefon ist jetzt der CDU-Politiker Hartwig Fischer. Er ist Mitglied des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Guten Morgen Herr Fischer!

    Hartwig Fischer: Guten Morgen Herr Heckmann!

    Heckmann: Sind Volker Kauder und Ihre Fraktion nicht gut genug informiert, was den Sudan angeht, wie Franz Josef Jung nahe legt?

    Fischer: Doch, wir sind informiert. Die Äußerungen haben irritiert, weil sie den Eindruck vermitteln konnten, dass es um den Einsatz von Kampftruppen geht. Wir sind bereits engagiert mit der Bundeswehr. Es gibt einen Stabsoffizier, der als Verbindungsoffizier in Darfur tätig ist, und wir sind in der Mission UNMIS im Süd-Sudan mit Beobachtern bereits vertreten.

    Heckmann: Dennoch war die Kritik von Volker Kauder ja ungewöhnlich harsch.

    Fischer: Weil es gewöhnlich so ist, dass wir solche Dinge in der Fraktion und in der Koalition besprechen und nicht über die Öffentlichkeit. Von daher ist es richtig, dass Volker Kauder reagiert hat, weil wir eine Parlamentsarmee sind und jeglicher Einsatz unter Parlamentsvorbehalt steht.

    Heckmann: Das heißt Sie sehen die Gefahr, dass das Parlament zum Vollzugsorgan der Regierung wird?

    Fischer: Nein, das sehe ich nicht, weil wir uns inzwischen ausgesprochen haben, die Dinge besprochen haben und es seit gestern ja auch einen Beschluss gibt, dass die afrikanische Union die Mission verlängert unter Kommandostrukturen, die mit Herrn Kofi Annan festgelegt werden, und dies unter Zustimmung der Regierung im Sudan.

    Heckmann: Noch einmal kurz zu den Äußerungen von Minister Jung. Seit Monaten schaut die Welt weg, was den Sudan angeht. Der Verteidigungsminister schaut hin und wurde abgestraft durch die öffentliche Kritik. Ist es politisch gefährlich, in Deutschland die Wahrheit auszusprechen, was Auslandseinsätze der Bundeswehr angeht?

    Fischer: Nein. Ich glaube es geht darum: Was kann die Bundeswehr derzeit leisten. Wir leisten bereits logistische Hilfe für AMIS. Das heißt wir übernehmen Truppentransporte zum Beispiel von Ghana in den Tschad, um die afrikanische Union in ihrer Mission zu unterstützen. Ich habe den Eindruck, dass die Äußerungen von Herrn Jung doch missverstanden worden sind, weil es auch um eine weitere logistische Unterstützung geht oder unter Umständen auch, wie wir es in der Aktion Artemis im Kongo gemacht haben 2003, dass zum Beispiel die Mediwac-Maschine im Hinterland stationiert wird, um Sanitäterversorgung durchzuführen.

    Heckmann: Sie haben es gerade eben angesprochen, Herr Fischer. Khartum hat zugestimmt, dass die AU-Mission mit der UNO stärker verzahnt wird. Ist das der Durchbruch, der erzielt werden musste und sollte?

    Fischer: Bei der Regierung in Khartum bin ich nie sicher, dass es ein Durchbruch ist, weil die Zusagen von Herrn Bashir meistens nicht die Haltwertzeit eines Tages haben, und wir sehen ja, dass im Süd-Sudan wieder Kämpfe aufgeflammt sind, auch unter Verantwortung dieser Regierung. Insoweit finde ich es auch außerordentlich bedauerlich, dass der Menschenrechtsrat in den vergangenen Tagen absolut versagt hat.

    Heckmann: Er hat sich nicht auf eine gemeinsame Resolution einigen können. Die afrikanischen Länder haben sich mit dem Sudan solidarisiert oder sich zumindest schützend vor ihn gestellt. Besteht die Gefahr, dass sich der Menschenrechtsrat mittelfristig genauso diskreditiert, wie das sein Vorgänger die Menschenrechtskommission zuvor getan hat?

    Fischer: Ich hoffe das nicht und daran werden wir auch arbeiten. Es gibt zwar einen Block der afrikanischen Staaten, die nach meiner Überzeugung als falsch verstandene Solidarität mit Khartum der EU-Resolution im Menschenrechtsrat nicht zugestimmt haben, aber es gibt einige Länder, die sich anders verhalten. Ghana hat mit Ja gestimmt. Mauritius und Sambia haben sich der Abstimmung enthalten und es hätte nur zwei Stimmen mehr bedurft. Das heißt wir werden mit den Ländern, die diesmal aus falsch verstandener Solidarität gegen die Resolution gestimmt haben, Gespräche führen. Menschenrechte sind für uns unverzichtbarer Bestandteil auch in Regierungsverhandlungen mit diesen Ländern über Entwicklungszusammenarbeit und von daher wird das in der entwicklungspolitischen Diskussion eine entscheidende Rolle spielen.

    Heckmann: In der entwicklungspolitischen Diskussion. Heißt das, es werden Sanktionen angedroht, falls nicht diese falsch verstandene Solidarität aufgehoben wird?

    Fischer: Nein, Sanktionen wird es nicht geben für die Länder. Aber in den Regierungsverhandlungen haben wir auch in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich gemacht, dass die Menschenrechte für uns ein ganz hohes Gut haben. Dort gibt es auch Menschenrechtsprojekte, die wir umsetzen, die wir mit diesen Ländern umsetzen, und wir werden sie an ihren eigenen Taten in einer solchen Kommission messen und werden es offen ansprechen. Ich habe den Eindruck, dass Länder wie Ghana und Sambia sich auch stark dafür machen, dass man nicht falsch verstandene Solidarität auch mit dem Leben von Soldaten der afrikanischen Union bezahlt, die derzeit in Darfur versuchen, für Frieden zu kämpfen.

    Heckmann: Herr Fischer, Deutschland hat 41 Militärbeobachter in den Sudan entsandt und setzt 75 Soldaten für Transportflüge ein, um die AU zu unterstützen. Ist das nicht ein sehr kleines Engagement? Versteckt sich Deutschland hinter wohlfeilen Appellen, was den Sudan angeht?

    Fischer: Nein. Wir haben einen Beschluss gefasst, der bis zu 200 Soldaten für den logistischen Bereich zur Verfügung stellt. Die sind bisher nicht angefordert worden. Das heißt sie könnten angefordert werden von der afrikanischen Union und wären dann auch einsatzbereit. Dass wir uns nicht aus der Verantwortung ziehen, haben wir gezeigt mit dem Mandat, das gestern ausgelaufen ist, in dem wir die Verantwortung hatten für die Wahlen im Kongo. Ich kann nur sagen: Da ich den Kongo sehr genau beobachtet und bereist habe, ist das ein Riesen-Erfolg, was sich dort bis jetzt gezeigt hat, und wir werden unserer Verantwortung durch die begleitenden Maßnahmen in Darfur gerecht. Wenn es notwendig ist und die afrikanische Union uns um weitere Unterstützung bittet, dann gehe ich davon aus, dass wir im logistischen und Umfeldbereich auch jederzeit in der Lage sind, zusätzliche Hilfe zu geben auch über die Bundeswehr.

    Heckmann: Aber jenseits der logistischen Hilfe wären Sie nicht dafür, dass Deutschland weiterhilft?

    Fischer: Ich glaube, dass es eine Verantwortung auch bei anderen Mitgliedern der UNO gibt, zum Beispiel China und Russland, die erheblichen wirtschaftlichen Einfluss im Sudan haben, die erheblichen Einfluss auch auf Herrn Bashir haben. Russland und China sind insbesondere gefordert, im Rahmen, wenn es zu einem UN-Mandat kommt, sich dort auch zu engagieren. Das ist die Verantwortung von denen, die wirtschaftlich dort in der Vergangenheit enge Kontakte geknüpft haben und die jetzt auch mit dazu beitragen müssen, dass das Sterben in Darfur aufhört.